(Mexiko-Stadt, 4. März 2019, npl).- Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador, kurz AMLO, zeigt beim Umgang mit Megaprojekten zwei völlig verschiedene Gesichter: Am vergangenen Wochenende (3. März) schloss er in Cabo San Lucas, Bundesstaat Baja California Sur, unter dem Jubel der Anwesenden die Weiterverfolgung des seit mehreren Jahren diskutierten Bergbauprojektes Los Cardones im Naturschutzgebiet Sierra de la Laguna kategorisch aus. Dort hatte die Gruppe Invecture vor, im offenen Tagebau umfangreiche Goldvorkommen auszubeuten. Interessanterweise befindet sich Invecture im Besitz des umstrittenen Unternehmers Salinas Pliego, dem auch der mexikanische Fernsehkonzern TV Azteca gehört. Salinas ist Mitglied des von AMLO ernannten Unternehmerbeirates. Früher ein erbitterter Gegner von López Obrador, hatte sich Salinas Pliego mit seinem Medienkonzern vor den Präsidentschaftswahlen im Juli 2018 auf die Seite des favorisierten Oppositionskandidaten geschlagen.
AMLO erklärte in Cabo San Lucas mit Hinweis auf das Naturschutzgebiet und den Tourismus, es ginge darum „das Paradies zu schützen und die Natur nicht zu zerstören“. Zudem müssten die Grundwasserreserven garantiert werden. Explizit ging er auf ein Treffen mit Gegner*innen des Tagebauprojektes ein. Diese hatten ihn vor einigen Monaten aufgefordert, sich eindeutig zu Los Cardones zu äußern. Anders als bei seinen Befragungen sui generis über einen neuen internationalen Flughafen für Mexiko-Stadt und ein Wärmekraftwerk im Bundesstaat Morelos will López Obrador im Fall der Goldmine auf eine Befragung verzichten und schlicht von seiner Entscheidungsgewalt Gebrauch machen.
Guter AMLO, böser AMLO
Ganz anders verhält sich der Präsident bei der geplanten Inbetriebnahme des Wärmekraftwerkes Huexca in Morelos. Dies ist Teil des Großvorhabens Integrales Projekt Morelos (PIM) mit einer Gas-Pipeline und einem weiteren geplanten Wärmekraftwerk. Dort ging AMLO die Gegner*innen am 10. Februar verbal aggressiv als „konservative Linksradikale“ an. Trotz des bisher nicht aufgeklärten Mordes an dem Wärmekraftwerk-Gegner und Nahua-Indígena Samir Flores am 20. Februar, sagte er die Befragung im Bundesstaat Morelos und einigen Landkreisen in den Nachbarstaaten Puebla und Tlaxcala an dem darauffolgenden Wochenende nicht ab. Die Wahlbeteiligung lag bei durchschnittlich 2,2 Prozent. Die Bevölkerung in den direkt betroffenen Gemeinden boykottierte die Wahl zum Teil aktiv. Die überwältigende Mehrheit der abgegebenen Stimmen im direkten Umfeld des Projektes lautete auf Nein zum Kraftwerk. Dennoch hatte López Obrador kein Problem damit, die offiziell 59,5 Prozent Ja-Stimmen des Gesamtergebnisses als eindeutige Zustimmung zum Projekt zu werten. Obwohl die Kleinbäuer*innen und -bauern der Region unter anderem um Menge und Qualität ihres Wassers fürchten – Millionen Liter müssen tagtäglich durch das Kraftwerk geschleust werden –, wiegt für AMLO in Morelos die Summe von bereits investierten 25 Milliarden Pesos (ca. 1,2 Milliarden Euro) schwerer.
Auch dies ein angreifbares Argument. Denn das in seiner ursprünglichen Form völlig eingestampfte Projekt des neuen internationalen Großflughafens bei Mexiko-Stadt kostete die neue Regierung wegen angefangener Bauarbeiten und eingegangener Zahlungs- und Kreditverpflichtungen mehr als 100 Milliarden Pesos (hat sie allerdings möglicherweise vor weitaus größeren Verlusten bewahrt – in Teilen lässt der Flughafen Berlin-Brandburg durchaus grüßen). Eine klare Linie für AMLOs Entscheidungen zu Megaprojekten ist nicht erkennbar.
Wärmekraftwerk JA, Goldmine NEIN – AMLO spielt Dr. Jekyll und Mr. Hyde von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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