von Silvia Ribeiro
(Mexico-Stadt, 24. August 2013, la jornada).- Vor einigen Tagen zirkulierte eine Falschmeldung, in der Monsanto der mexikanischen Regierung dafür dankt, den kommerziellen Anbau von Genmais auf einer Fläche von 250.000 Hektar in den Bundesstaaten Coahuila, Chihuahua und Durango genehmigt zu haben. Monsanto distanzierte sich und machte „Aktivisten” für die Meldung verantwortlich. Viele hielten sie für authentisch, denn es hätte so gewesen sein können. Schließlich wartet Monsanto darauf, dass die Regierung seine Anträge für die Aussaat von Genmais auf hunderttausenden (sogar Millionen) Hektar bewilligt und den enormen und fundierten gesellschaftlichen Widerstand auf nationaler und internationaler Ebene von Wissenschaftler*innen, Bauern, Künstler*innen, Intellektuellen, Arbeiter*innen, Aktivist*innen, Verbraucher*innen, Lehrer*innen und vielen Anderen unberücksichtigt lässt.
Vielleicht handelte es sich bei der Falschmeldung um einen Versuchsballon von Unternehmen oder Gentechnikbefürworter*innen, um die Reaktion abzuschätzen. Denn obwohl diese erklären, sich der Genehmigung ihrer Anträge auf die transgene Verunreinigung im Ursprungszentrum des Mais sicher zu sein (DuPont-Pioneer präsentierte sogar zwei neue Anträge für jeweils 442.706 Hektar in den Bundesstaaten Sonora und Sinaloa), sind sie angesichts des verbreiteten Widerstandes nervös und verdoppeln ihre Desinformationskampagnen in der Absicht, einen öffentlichen Stimmungswandel herbeizuführen.
Lügen für Profit
Darum zahlen sie Radiospots, in den in den am meisten gehörten Nachrichtensendungen für die Gentechnik geworben und auf eine Webseite verwiesen wird. Sowohl diese Webseite als auch die Spots werden von Agrobio México produziert. Dieser Zusammenschluss präsentiert sich als „gemeinnützige” zivilgesellschaftliche Organisation, obwohl ihre einzigen Mitglieder die ausschließlich auf Gewinn ausgerichteten Mitglieder Monsanto, DuPont, Syngenta, Bayer und Dow sind. Es handelt sich um die Multis, die das Gensaatgut kontrollieren und die weltweit die größten Verkäufer von Agrogiften sind. Ihre Informationen sind eindeutig nicht objektiv. Ihre lange Tradition, die Öffentlichkeit und die durch ihre Produkte Geschädigten trotz daraus resultierender Gerichtsverfahren zu täuschen, zeigt, dass sie zu jeder Lüge fähig sind, wenn sie ihren Gewinnen dient.
Ihre aktuelle Kampagne ist keine Ausnahme. Fast alles, was sie im Radio und auf ihrer Webseite behaupten, ist falsch. Beispielsweise, dass die Transgene die Erträge erhöhen und notwendig sind, um dem Hunger entgegenzutreten, denn bis 2050 müsse die Nahrungsmittelproduktion verdoppelt werden. Oder dass es sich um eine „nachhaltige“ Produktionsform handele und die Genprodukte weder die biologische Vielfalt noch die Bauern schädigen werden.
Monokulturen verdrängen Kleinbauern
Tatsächlich werden bereits genügend Nahrungsmittel für den gesamten Planeten hergestellt und auch für 2050 ist dies möglich. Trotzdem leidet die Hälfte der Weltbevölkerung an Hunger, Mangelernährung oder Fettleibigkeit. Und zwar gerade, weil sich die multinationalen Unternehmen des agroindustriellen Ernährungssystems bemächtigt haben und mit enormen Kosten und großer Verschwendung (mehr als der Hälfte ihrer Produktion) immer minderwertigeres Essen produzieren. Mit ihren Monokulturen und der mit den Transgenen noch gesteigerten Kontrolle der landwirtschaftlichen Ernährungskette haben sie Millionen Kleinbauern und lokale Märkte – die die Mehrheit der Menschen ernähren und die Nahrung für diejenigen bereitstellen, die kein Geld haben, sie zu kaufen – verdrängt.
Durch verschiedene Quellen, einschließlich offizieller US-Statistiken, wird nachgewiesen, dass die Genprodukte weniger Ertrag aufweisen als andere Hybridkulturen, aber wesentlich mehr agrochemische Produkte benutzen. Weil letztere Resistenzen bei Unkräutern verursachen, entwickeln die Unternehmen Transgene, die gegen immer giftigere Chemiestoffe resistent sind. Das hat eine brutale Auswirkung auf die Böden, das Wasser, die biologische Vielfalt und die Bevölkerung, die in der Nähe der Pflanzungen lebt. Diese leidet unter stark erhöhten Krebsraten, Fehlgeburten und kongenitalen Missbildungen sowie der Zerstörung der Bienenzucht. Die Konsument*innen werden dazu verurteilt, mehr Gifte zu essen, denn die Genprodukte hinterlassen sehr viel höhere chemische Rückstände in den Lebensmitteln.
Genetisch veränderte Lebensmittel sind gesundheitsschädlich
Allein dieser Fakt – und es gibt viele mehr – bedeutet wichtige Gesundheitsschäden. Es ist zynisch, wenn Agrobio behauptet, Gennahrung „ist gesund“. Es gibt viele Belege für ihre schädliche Wirkung, die von der herrschenden Regulierung nicht berücksichtigt werden. Keine offizielle Behörde (mit der begrenzten Ausnahme in Europa, wo acht Länder die Transgene verboten haben) verlangt Tierversuche, um gesundheitliche Auswirkungen abzuschätzen. Sie beschränken sich darauf, die Daten zu akzeptieren, die ihnen die Unternehmen selbst liefern, um die Produkte für den Konsum freizugeben. Es gibt keine epidemiologischen Langzeitstudien über Gesundheitsfolgen der Transgene. Und wenn unabhängige Studien auf diese Folgen hinweisen – wie die wissenschaftliche Untersuchung, die 2012 bei Ratten nachwies, dass über längere Zeit täglich konsumierter Genmais (das wäre in Mexiko der Fall) Krebs verursachen kann – kaufen die Unternehmen direkt oder indirekt Pseudowissenschaftler*innen und offizielle Einrichtungen, um diese Studien zu attackieren.
Statt den Hunger anzugehen, erhöhen die Genpflanzen ihn. Der überwältigende Teil wird von multinationalen Unternehmen für die Fütterung der Autos (Agrotreibstoffe) oder Viehfutter in der industriellen Massentierhaltung produziert. So wird die dezentralisierte und kleine Viehzucht, die vielfältige Futtermittel verwendet, verdrängt. Die Märkte werden mit Schweinen, Hühnern und Kühen zweifelhafter Qualität überschwemmt. Sie sind mit Fett, Chemie und Antibiotika vollgestopft und ihre Haltungsart ist ein wesentlicher Faktor für die Gasemissionen, die den Klimawandel verursachen. Dafür wird Mais in Mexiko eingeführt. Nicht, weil das Land es nötig hätte, sondern um das Tierzucht-Geschäft der multinationalen Unternehmen zu Lasten der kleinen Produzent*innen aufrechtzuerhalten.
Unterdessen schweigt die Regierung zu den Forderungen nach massiver Gen-Aussaat der Multis. Dabei gibt es mehr als genug unabhängige, wissenschaftliche, gesellschaftliche, historische, kulturelle, souveränitätsbetonende und viele andere Elemente, die gegen den Anbau von Genmais in Mexiko sprechen. Wenn die Unternehmen dies erfragen wollten, so können sie sicher sein, dass der Widerstand fortbesteht und wächst.
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