Lithiumabbau am Salzsee Maricunga gefährdet sensibles Ökosystem

(Copiapó, 26. Januar 2021, Medio a Medio/poonal).- Die Atacama-Wüste im Norden Chiles ist für ihre wertvollen Bodenschätze bekannt. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich dort zahlreiche Bergbauunternehmen niedergelassen, um den Abbau von Gold und Bor voranzutreiben. In den vergangenen Jahren rückte ein weiteres Metall in den Fokus der Unternehmen: Lithium aus den Salzseen Atacama und Maricunga. Doch der Eingriff in die empfindlichen Ökosysteme ist eine Gefahr für Natur und Bewohner*innen der Region.

Der Salar de Maricunga befindet sich auf einer Höhe von 3.760 Metern über dem Meeresspiegel in der Region Atacama, 168 Kilometer nordöstlich der Stadt Copiapó. Nach Angaben der Behörde für Geologie und Bergbau ist er der südlichste Salzsee Chiles. Er ist Teil des Nationalparks Nevado Tres Cruces und umgeben von Vulkanen wie dem Ojos del Salado, El Fraile, San Francisco und Incahuasi.

Mit der Laguna Santa Rosa und der Laguna Negro Francisco befinden sich im Nationalpark weitere Feuchtgebiete in der Nähe des Salar de Maricunga. Der Seenkomplex ist Teil der chilenischen Wildnisschutzgebiete und gilt seit 1996 als Ramsar-Gebiet, einem nach der internationalen Ramsar-Konvention geschützten Feuchtgebiet. Das Ökosystem beherbergt Tiere wie die Andenmöwe, Flamingos, Eidechsen, Vicuñas und eine Reihe von Strauchgewächsen und Gräsern.

Fragiles Ökosystem: Abhängig von Klima und Wasser

Der Salzsee speist sich aus sieben Flüssen aus den umliegenden Bergen, die auch die Grundwasserspiegel füllen. Diese können „in bestimmten Zonen keinen Weg ins Meer finden“, erklärt Luciano Travella, studierter Geologe und Präsident der Umweltschutzgemeinschaft in der Region Atacama. Daher sammle sich das Wasser in tieferliegenden Bereichen, sogenannten endorheischen Becken, in denen sich im Lauf der Zeit durch starke Verdunstung Mineralien wie Lithiumcarbonat oder Kaliumcarbonat ablagerten.

Doch der Salar de Maricunga ist nicht nur aufgrund seiner Lithiumvorkommen bedeutsam, sondern auch als Treffpunkt für verschiedene Gruppen von Lebewesen. „Es ist nicht irgendein Ort“, erklärt der Touristenführer Carlos Pizarro, „es ist ein interessanter Salzsee“. Die indigene Colla-Gemeinde, die in dem Gebiet lebt, pflegt eine intensive Beziehung zu dem See. So auch die Bewohnerin Lesley Muñoz Rivera: „Der See ist eine Quelle großer Biodiversität, „außerdem dient er uns zum Leben“. Auch der Geologe Travella stimmt zu: „Es sind sehr einzigartige Öksysteme, aber gleichzeitig sehr fragile“. Ihre Entstehung und Erhaltung sei eng mit Veränderungen des Klimas und der Wasserbestände verknüpft.

Bergbaufirmen besitzen den Großteil der Wasserrechte

Die Versorgung mit Wasser „auf ausreichende, gesunde und zugängliche Weise“ sei nicht nur ein natürliches Recht, heißt es im Glossar der lateinamerikanischen Beobachtungsstelle für Umweltkonflikte (OLCA), sondern stehe aufgrund seiner lebensbedingenden Funktion auch auf gleicher Ebene mit dem Recht auf Leben. In der aktuellen chilenischen Verfassung ist dieses Recht jedoch nicht verankert – stattdessen können Privatleute mit Wasserrechten nach den Prinzipien von Angebot und Nachfrage handeln. Im Gebiet um den Salar de Maricunga gehörten die Wasserbrunnen vor allem privaten Unternehmen, berichtet der Touristenführer Carlos Pizarro.

In das Ökosystem sei in der Vergangenheit auf verschiedene Weisen eingegriffen worden, erklärt Luciano Travella: von den Colla, den Bewohner*innen der Region – und von den großen Bergbaufirmen. Es gebe verschiedene Gemeinden, die Wasserrechte besäßen, doch diese seien mit einem Liter pro Sekunde sehr gering. Bergbauprojekte dagegen dürften mehr als 200 Liter pro Sekunde abpumpen, so der Geologe.

Gefahr für die Natur: „furchtbarer“ Eingriff in die Landschaft mit Folgen

Der Salzsee biete sich als Standort für verschiedenste wissenschaftliche Untersuchungen an, so Travella. Gleichzeitig habe er sich auch als „Portal zum hochandinischen Ökosystem“ zu einem touristischen Ziel entwickelt, sagt Carlos Pizarro. All diese Aktivitäten haben, gekoppelt mit Faktoren wie dem naheliegenden Grenzübergang nach Argentinien und Goldvorkommen in der Region, Folgen für den Salzsee: Verschmutzung und den Entzug von Wasser.

Laut der Bewohnerin Muñoz hätten Projekte zum Abbau von Bor einen „furchtbaren“ Eingriff in die Landschaft vorgenommen, der sich auf das gesamte Ökosystem ausgewirkt habe. Manche davon, wie Bergbauprojekte zur Goldförderung, wurden für Verstöße gegen Umweltauflagen und Verschmutzung bereits sanktioniert – ein Präzedenzfall für nachfolgende Unternehmen wie Fenix Gold, die Ende 2022 mit dem Abbau beginnen wollen.

Internationale Millionenprojekte geplant – Auswirkung auf Wasserreserven ungewiss

Die ehemalige Präsidentin Michelle Bachelet legte während ihrer zweiten Amtszeit den Fokus auf den strategischen Abbau von Lithium unter der Prämisse einer Allianz aus privatem und öffentlichem Sektor. Dies verstärkte das Interesse der Unternehmen an dem Metall, dessen Abbau zwar staatlich beschränkt, aber in der Praxis durch spezielle Verträge oder durch staatliche Firmen wie CORFO, ENAMI oder CODELCO erleichtert wird.

Derzeit sind am Salar de Maricunga drei große Projekte in der Entwicklung: Erstens eine Untersuchung durch CODELCO, um hydrogeologische Informationen zu sammeln und eine vorläufige Schätzung über die Menge an Lithium in Form von Sole vorzunehmen. Zweitens sieht ein von der Firma SIMCO angeführtes Projekt in der Umweltverträglichkeitsprüfung eine Fläche von 2.202 Hektar für den Abbau von Lithium vor. Das Unternehmen plant eine Investition von 350 Millionen US-Dollar. Am Ende sollen 5.700 Tonnen Lithium im Jahr gefördert werden, dazu kommen 9.100 Tonnen Lithiumhydroxid und 38.900 Tonnen Kaliumchlorid. Drittens: Das „Proyecto Blanco“, eine Kooperation des australischen Konzerns Lithium Power International Limited, der chilenischen Firma Minera Salar Blanco und der US-amerikanischen Firma Li3 Energy. Laut Umweltverträglichkeitsprüfung ist hierfür eine Investition von 527 Millionen US-Dollar und die Nutzung einer Fläche von 4.700 Hektar geplant. Die Unternehmen zielen auf eine jährliche Förderung von 20.000 Tonnen Lithium – mehr als tausend Tonnen im Monat – und 58.000 Tonnen Kaliumchlorid ab.

Die Projekte wurden zwar bewilligt, stehen aber aufgrund von rechtlichen Beschwerden gegen die Firmen still. Die Projekte hätten keine Studien über den Einfluss auf die Wasserreserven in der Region vorgelegt, so Muñoz. „Niemand hat Gewissheit“, deswegen sei die Genehmigung dieser Projekte eine „schreckliche Unverantwortlichkeit“.

Übersetzung und Ergänzungen: Laura Almanza

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