(Bogotá, 26. Juli 2021, colombia informa).- In diesem Kommentar vom kolumbianischen Portal colombia informa analysiert Jorge López Ardila, Mitglied der landesweiten Koordinationsstelle für Landwirtschaft (CNA), die Bedeutung des Drogenhandels für die kolumbianische Wirtschaft und gibt Ansatzpunkte für seine Bekämpfung. Die CNA setzt sich als bäuerliche Vereinigung für die Rechte der Bäuer*innen, kleinen und mittelständischen Landwirtschaftsbetriebe, der indigenen und afrokolumbianischen Bevölkerungsgruppen sowie der Bäuer*innen ohne Land, Arbeiter*innen und Tagelöhner*innen ein.
Juan Carlos Echeverry, ehemaliger Finanzminister und Mitglied der Konservativen Partei Kolumbiens, wies im Juni darauf hin, dass der Kokainverkauf ins Ausland laut seinen Berechnungen in Kolumbien 12 Milliarden Dollar einbringen werde. Diese Summe entspräche etwa vier Prozent des kolumbianischen Bruttoinlandsproduktes. Die Äußerung des Ex-Ministers bestätigt, was vielen schon bekannt war: Der Drogenhandel unterstützt die kapitalistische Wirtschaft in Kolumbien.
Auf internationaler Ebene wurden im Jahr 2017 ganze 70 Prozent der 1.900 Tonnen Kokain in Kolumbien produziert, also mehr als 1.200 Tonnen. Laut Zahlen der Banco de la República lag das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 bei ungefähr 271 Milliarden Dollar. Stimmen Echeverrys Berechnungen, dann spielt der Kokainverkauf eine größere Rolle für die kolumbianische Wirtschaft als andere Exportprodukte wie Kaffee und Erdöl.
Erst der transnationale Handel bringt die größten Gewinne
In den von Echeverry vorgestellten Zahlen wurde die Berechnung des Drogenmarktes innerhalb von Kolumbien nicht berücksichtigt. Dort werden Gewinne erzielt, indem die Reinheit des Kokains reduziert wird oder Kokaderivate verkauft werden. Die höchsten Gewinne werden jedoch nach wie vor im transnationalen Handel mit Kokain erwirtschaftet. Die Preise selbst vervielfachen sich mehrmals, bis sie die Endkonsument*innen in Europa oder den USA erreichen.
Der Drogenhandel hat einen großen Einfluss auf die Wirtschaft: Er führt beispielsweise zu einem Anstieg der Immobilienpreise in den Geldwäschegebieten, erhöht den Markt für Konsumgüter wie alkoholische Getränke, Autos oder andere Luxusgüter, finanziert die Abholzung oder fördert die Konzentration von Landbesitz. Daher lässt sich die reale Auswirkung des Drogenhandelns auf die kolumbianische Wirtschaft auf ein Vielfaches von vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes schätzen.
Widerspruch in den Zahlen?
Wie die Regierung unter Iván Duque verkündete, habe sich die Größe des Koka-Anbaugebietes im ersten Halbjahr 2021 um sieben Prozent reduziert. Es sei von 154.000 auf 143.000 Hektar gesunken. Diese Entwicklung besteht seit 2017, wo noch 171.000 Hektar registriert wurden. Seitdem steigen zudem auch die jährlichen Tilgungsziele.
Dennoch habe die Kokainproduktion laut Daten der Internationalen Drogenkontrollbehörde (JIFE) nicht abgenommen, sondern sei gestiegen. Der Anstieg der Produktion trotz geringerer Anbaufläche ist auf den technologischen Fortschritt zurückzuführen, der es ermöglicht hat, die Zeit zwischen den Ernten der Kokablätter zu verkürzen. Demzufolge lassen sich durch den Einsatz von Chemie, der Entwicklung einer höheren Alkaloidkonzentration in den Blättern, Kreuzungen und Manipulationen von Pflanzensorten und der Perfektionierung der „Koch“-Techniken höhere Erträge erzielen.
Die Narco-Bourgeoisie
Der Drogenhandel ist ein wichtiges Geschäft für die neoliberale Ökonomie: Es gibt weder Regulation noch Steuern oder regulatorische Rahmenbedingungen. Der hohe Gewinn im Drogenhandel basiert auf der immensen Ausbeutung der Arbeiter*innen, der Umweltzerstörung. Die Gewinne landen auf Bankkonten in Steuerparadiesen oder gewaschen in Luxusinvestitionen der „guten Bürger“.
Gegen Produzent*innen von Kokablättern und gegen die Konsument*innen hat der kolumbianische Staat allerdings harte Strafen angekündigt. Sie stellen die schwächsten Glieder in der Kette des Drogenhandels und müssen mit dem Besprühen mit Giftstoffen aus der Luft, Gefängnisstrafen, Enteignungen, erzwungener Ausmerzung ihres Anbaus und der Bestrafung nach dem Gesetz Nr. 30 rechnen.
Während Bestechungsgelder für die Militärs fließen, gelangen Unmengen an Aceton, Benzin, Schwefelsäure und Zement, die in die Kokainküchen. Von Flughäfen wie dem von Guaymaral – wo eine Anti-Drogeneinheit der Polizei stationiert ist – starten tonnenweise Güter, deren Produktionsstrukturen eng mit Personen des öffentlichen Lebens verstrickt sind.
Scheinheiligkeit im Marihuana-Anbau: ausländische Firmen dürfen, kolumbianische Bäuer*innen nicht
Bezüglich des Anbaus von Marihuana herrscht große Scheinheiligkeit im Land: Während Marihuanaproduzent*innen im Süden verfolgt werden, erhalten kanadische Konzerne Genehmigungen für den Anbau und Verkauf. Der Marihuana-Anbau ist also nur dann schlecht, wenn die Armen ihn betreiben.
Dieses „Geschäft“ stützt legale wie illegale Investitionen, stellt Präsident*innen, treibt die Wirtschaft voran, stellt privates Militär zur Verfügung, treibt die Landkonzentration an und sichert die Ressourcen des strategischen Partners Kolumbiens, dem größten Drogenkonsumenten der Welt: der USA.
„Die großen Profiteure und das angesammelte Einkommen und Kapital angreifen“
Die Debatte um den Drogenhandel muss beim Problem der Abkehr von moralischen Grundhaltungen beginnen. Von da aus müssen Vorschläge zur Änderung dieser Geschäfte formuliert werden. Denn der Drogenhandel wird von alten und Neureichen ausgenutzt, um ihren Reichtum zu vergrößern und die Bäuer*innen zu verfolgen.
Der Drogenhandel, aus dem die herrschende Klasse ihren Nutzen zieht, kann strukturell nur bekämpft werden, wenn man die großen Profiteure und das angesammelte Einkommen und Kapital angreift.
Kommentar: Drogenhandel stützt die Wirtschaft von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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