(Bogotá, 16. Februar 2018, Colombia Informa).- „Das hier ist kein Wahlkonflikt, es ist die Abscheu der Bevölkerung gegenüber der Plünderpolitik, dem Tod und der staatlichen Gewalt“, sagt Berta Zúñiga Cáceres (BZC), Tochter von Berta Cáceres und Koordinatorin vom Rat der Indigenen Völker von Honduras COPINH (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras). Im Interview mit Colombia Informa (CI) sprach sie über die aktuelle Situation in Honduras nach dem Wahlbetrug, über den 25 Jahre langen Kampf von COPINH und die zwei Jahre seit dem Tod von Berta Cáceres.
CI: Was ist in Honduras geschehen, seitdem Juan Orlando Hernández das Amt des Präsidenten angetreten hat?
BZC: Der Widerstand auf den Straßen ist weitergegangen, etwas sporadischer, aber viele Sektoren mobilisieren sich weiterhin, nur eben mit Unterbrechungen. Es hat eine harte Repression gegeben, auch bei den Protesten in der Region der Bananenplantagen. Einige Menschen wurden ermordet.
Die Organisation Amerikanischer Staaten OAS hat eine Kommission gebildet, um einen vermeintlichen „Nationalen Dialog“ zu eröffnen, in dem zwischen dem Präsidenten und anderen Sektoren vermittelt werden soll. Aber eigentlich ist die Bevölkerung davon ausgeschlossen und ihre Forderungen blieben absolut außen vor. Die Idee der OAS, die dahinter steckt, ist, der Regierung eine weiße Weste zu verschaffen, die Korruption zu vertuschen. Einer der Mediatoren in diesem vermeintlichen Dialog ist der guatemaltekische Ex-Präsident Álvaro Colom, gegen den wegen Korruption ermittelt wird. Die Leute sind weiterhin empört, weil dieser Dialog in keinster Weise eine Lösung für den schlechten Zustand des Landes anbietet.
Von der Bevölkerung gehen natürlich Impulse aus, die auf einen langfristigen Widerstand setzen. Außerdem gibt es auch noch die Idee der Neugründung von Honduras, die kurz vor dem Staatsstreich von 2009 entstanden ist und im Anschluss weiter an Fahrt aufgenommen hat. Dieses Projekt der Neugründung wieder aufzunehmen, bedeutet auch wieder mit den Opfern zusammen zu kommen, mit den Familien, Gemeinden und Organisationen, von denen einige zum jetzigen Zeitpunkt politische Gefangene sind und von denen niemand spricht. Das sind Familienangehörige von jenen, die in diesem Kampf ermordet wurden.
CI: Wie sieht und erlebt COPINH die Lage?
BZC: COPINH beteiligt sich nicht an den Wahlen. Trotzdem ist der Rat auch nicht gleichgültig gegenüber dem Wahlbetrug, den fehlenden Veränderungen und Initiativen der Parteien, der Vertiefung, der Plünderung und der Repression. Für das alles steht Juan Orlando Hernández für uns. Wir schätzen die Lage so ein, dass sie zu einer großen Instabilität und Unregierbarkeit im Land führen wird und dass sie sich auf militärische Repression stützen wird. Wir sehen, dass die staatlichen Sicherheitskräfte gestärkt aus dieser Etappe hervorgehen, nicht aber der Präsident.
Das Projekt der Neugründung von Honduras ist bedeutend, weil wir sagen, dass die Antwort und der Ausweg aus dieser Krise nicht im Wechsel eines Präsidenten besteht, sondern einer Institution, die komplett verfault ist. Dieses Projekt zielt auf die Schaffung einer landesweiten verfassungsgebenden Versammlung, die inklusiv und bevölkerungsnah sein soll und einen Prozess des tiefgreifenden Wandels des honduranischen Staates in Gang setzen soll.
Für uns als Organisation ist es wichtig unseren Kampf auf die Verteidigung der Territorien auszurichten. Das ist eine heftige Situation für unsere Gemeinden: Die Präsenz der ausbeuterischen Unternehmen und die staatliche Verleihung von Nutzungsrechten an den Flüsse. Aber es ist auch ein etwas umfassenderer Kampf, der mit den Rechten der Indigenen zu tun hat, mit der Demilitarisierung der Territorien und der fehlenden Gerechtigkeit für die Opfer des Kampfes gegen den Raubbau.
CI: Im März jährt sich der Kampf von COPINH zum 25. Mal und der Mord an Berta Cáceres zum 2. Mal. Was hat sich in Honduras verändert?
BZC: Während der letzten 25 Jahre war COPINH Teil der Geschichte der Kämpfe in Honduras, aber es ist auch eine Geschichte vieler anderer Kämpfe und Widerstände im Land. Wir sind eine Organisation, die ein konfrontativeres Verhalten gegenüber der Regierung an den Tag legt. Wir haben uns gesagt, dass man die Regierungen nicht bitten, sondern von ihnen einfordern muss, dass sie ihre Pflichten erfüllen.
COPINH ist in einer für die indigenen Völker schwierigen Phase entstanden. Und noch immer befindet sich das Land in einer schwierigen Phase. Die Kämpfe für die Befreiung der Territorien, für eine umfassende Gerechtigkeit für die Gemeinden sind nach wie vor aktuell. Der Kontext hat sich geändert, aber die grundlegenden Elemente der Unterdrückung indigener Gemeinden, der Plünderung der Territorien, der staatlichen Repression gegenüber den Gemeinden, sind immer noch die gleichen. Was man schon sagen kann, ist, dass sich die Repression verändert hat, heute ist sie professioneller und ausgefeilter.
Die Festlichkeiten zum 25-jährigen Kampf von COPINH fallen mit dem Mord an Berta Cáceres vor zwei Jahren zusammen und das bedeutet erneut darauf hinzuweisen, dass die honduranischen Behörden -ein Staat der die Menschenrechte verletzt- der Compañera keine Gerechtigkeit widerfahren lassen, genau wie hunderten Ermordeten in diesem Land.
Wir unterstützen weiterhin die Bewegungen in ihren Rückforderungskämpfen gegenüber den Staaten, wir zerstören weiterhin die Neo-Extraktivismus-Unternehmen in den Territorien und zeigen weiterhin den Missbrauch der honduranischen Regierung an.
CI: Wie entwickelt sich das Gerichtsverfahren im Mordfall Berta Cáceres?
BZC: Wir sind kurz vor der Beweisaufnahme. Der Staat scheint an dem Fall, der bisher sehr schlecht gehandhabt wurde, zu verzweifeln. Es gab eine Reihe von tiefgreifenden Unregelmäßigkeiten, die, wenn man dem Prozess mit dem nötigen Respekt begegnen würde, niemals passiert wären.
Also beginnt der Staat hinsichtlich des Urteils ungehalten zu werden und sagt, dass bereits Recht gesprochen wurde und will nicht akzeptieren, dass wir ihn als eigentlichen Drahtzieher anzeigen. Der Staat will ein schnelles Urteil, um den Fall Berta Cáceres zu den Akten zu legen und sagen zu können, dass alle Personen verurteilt sind.
CI: Wenn wir über die aktuelle Lage in Honduras und die Geschichte des Landes lesen, gibt es viele Ähnlichkeiten mit der aktuellen Geschichte in Kolumbien. Welche Kampfstrategien kämen für eine internationalistische solidarische Arbeit in Frage?
BZC: Seit der Gründung hat COPINH internationalistische Arbeit geleistet. Er war Epizentrum für die Koordinierung im Kampf gegen Staudämme, gegen die Militarisierung und für einen gemeinsamen Raum des Zusammenkommens der Menschen. Hinsichtlich des wirtschaftlichen Modells des Neo-Extraktivismus, kämpfen verschiedene soziale Organisationen für die gleichen Ziele. Natürlich wollen wir unsere Vorschläge zum Thema Energie weiterentwickeln, was von strategischer Bedeutung für ganz Lateinamerika ist. Welche Alternativen wird es zu dem vorherrschenden Wirtschaftsmodell geben.
Was auch sehr wichtig ist, ist weiterhin von den Strategien zur Verteidigung der Territorien zu lernen. Wir haben keinen großen Einfluss auf die Gesetze oder die Vergabe von Nutzungsrechten. Aber was wir machen können und was schon ein harter Kampf war -ganz nach dem Vorbild des Lebens von Berta Cáceres-, ist eine Schlacht in den Territorien loszutreten und nicht zuzulassen, dass Staudämme für Wasserkraftprojekte gebaut werden. Hier hat COPINH viel über Autonomie und Widerstand von anderen indigenen Völkern und von der kolumbianischen Bevölkerung gelernt. Sie haben uns beigebracht militärischen Strukturen, paramilitärischen Gruppen und der heftigen Gewalt des Staates die Stirn zu bieten.
Interview: 25 Jahre COPINH, 2 Jahre seit Berta Cáceres ´ Tod von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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