Von Nils Brock, Santiago de Chile
(Nauta/Berlin, 12. Juli 2017, npl).- Am vergangenen 6. Juli erhielt das chinesisch-peruanische Konsortium Hidrovías II den Zuschlag für eines der umstrittensten Infrastrukturprojekte im Amazonas. Bis 2020 soll in der peruanischen Provinz Loreto zwischen den Städten Iquitos, Pucallpa, Yurimaguas, Sarameriza und Santa Rosa ein 2.500 Kilometer langer Kanal namens Hidrovía Amazónica entstehen, um den Warenverkehr und den Transport von Rohstoffen in der Region zu verbessern. „Die Flüsse waren hier im Amazonas immer schon die Straßen unserer Indigenen“, kommentierte der Gouverneur der Region, Fernando Meléndez den Abschluss der staatlich-privaten Partnerschaft und fügt stolz hinzu: „Nun werden wir endlich eine Fluss-Autobahn haben.“ Investiert werden dafür 95 Millionen US-Dollar.
Amazonaszuflüsse sollen begradigt und ausgebaggert werden
Doch der Traum von einem ganzjährig auch für riesige Containerschiffe (Postpanamax-Klasse) befahrbaren Schiffsweg hat einen hohen ökologischen Preis. Denn was in dem Projekt als „Kanal“ beschrieben wird, sind die natürlichen Amazonas-Zuflüsse Marañón, Huallaga und Ucayalí. Diese sollen teils begradigt und auf einer Breite von 50 Metern kontinuierlich ausgebaggert werden. Umweltschützer wie Leonardo Tello aus dem peruanischen Nauta warnen, dass das Ökosystem der Flüsse dadurch nachhaltig geschädigt wird. „Auch die Siedlungen entlang der Ufer sind in ihrer Existenz bedroht, denn eine Vertiefung des Flussbetts wird dazu führen, dass die sandigen Ränder wegrutschen“, so Tello.
Vor allem indigene Gemeinden kämpfen deshalb bereits seit 17 Jahren gegen die Fluss-Autobahn. Damals wurde im Rahmen der „Initiative für die Integration der regionalen Infrastruktur Südamerikas“ (IIRSA) eine noch längere Strecke von 6.000 Kilometern geplant, die ecuadorianische Häfen mit dem Mündungsdelta des Amazonas in Brasilien verbinden soll. Doch der Startschuss für dieses Megaprojekt wurde immer wieder verschoben, da private Investor*innen sich lieber risikoarm als Trittbrettfahrer*innen staatlicher Entwicklungsbanken wie der brasilianischen BNDES beteiligen wollten. Diese hatte ursprünglich zugesagt, ihre nationalen Baumultis Odebrecht und OAS mit günstigen Krediten zu unterstützen, die bis zu 70 Prozent der Kosten des gesamten Bauvorhabens abgedeckt hätten. Doch das war vor dem Korruptionsskandal Lava Jato, bei dem auch Schmiergeldzahlungen an peruanische Politiker*innen publik wurden, etwa an den früheren peruanischen Präsidenten Alejandro Toledo, der per Haftbefehl gesucht wird.
Widerstand gegen diesen angeblichen „Fortschritt“
Frischem Geld aus China ist es nun zu verdanken, dass in Peru noch in diesem Jahr die ersten Schwimmbagger ausrücken sollen. „Neue Häfen werden entstehen, neue logistische Geschäftszweige, mehr Transportunternehmen. Unterm Strich die Art von Fortschritt, den wir alle in diesem Teil des Landes haben wollen“, behauptete vollmundig der peruanische Transportminister Bruno Giuffra. Dem hält Umweltschützer Tello entgegen, dass die Indigenen in der Region nur eingeschränkt über das Megaprojekt und seine Folgen informiert wurden. Die parlamentarische Opposition bemängelt die fehlende Transparenz bei der Planung der Fluss-Autobahn, damals wie heute. Dazu passte auch die Weigerung von Transportminister Giuffra, im Juni vor einem Untersuchungssauschuss der Legislativen in Sachen Lava Jato auszusagen.
Noch fehlen Hidrovías II einige Machbarkeitsstudien und finanzielle Prüfungen für den Start. Bereits vor Baubeginn formiert sich jedoch Widerstand, sondieren Umweltschützer*innen und indigene Gruppen Wege, das Projekt zu stoppen. Nicht nur für die Kokama-Indigenen, zu denen auch Tello gehört, haben die Flüsse im Amazonas eine vitale Bedeutung. Ihre Kosmovision, traditionelle Medizin und Ernährung kreisen um die Flussmutter, um Madre Rio. Ein nachhaltiges Leben im Einklang mit der Natur ist mit intensivem Schiffsverkehr und Rohstoffabbau unvereinbar.
(Mit Informationen von el comercio / proinversion.gob.pe)
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