EU-Handelsabkommen mit Andenländern

EU-Handelsabkommen mit Andenländern
Besonders transnationale Unternehmen im Bergbau profitieren vom Handelsabkommen zwischen EU und Andenländern, vor allem durch die erleichterten Exportbedingungen für mineralische Rohstoffe. Foto: Ferjacon via wikimedia commons, CC BY-Sa 4.0.

(Berlin, 27. März 2025).- Thomas Fritz arbeitet als Referent für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift in Berlin. Er arbeitet außerdem als Autor und Berater zu wirtschaftlichen und nachhaltigkeitsbezogenen Themen. Nach seinem Studium der Informationswissenschaft an der Freien Universität Berlin hat er zahlreiche Untersuchungen zu Handel, Umwelt- und Klimaschutz durchgeführt. Dabei analysiert er globale Lieferketten und entwickelt Handlungsempfehlungen für eine sozial-ökologische Transformation in Handel und Industrie.

Stephan Moore sprach mit ihm über das Handelsabkommen EU-Anden.

Stephan Moore: In welchem Kontext wurde das Handelsabkommen zwischen der EU und den Andenländern 2013 unterzeichnet?

Thomas Fritz: Das Handelsabkommen wurde in einer Zeit schwerer innenpolitischer Krisen in Kolumbien und Peru verhandelt und abgeschlossen. In Kolumbien war der interne bewaffnete Konflikt auf einem Höhepunkt. Brutale Vertreibungen von KleinbäuerInnen, Morde an GewerkschafterInnen und Kämpfe zwischen Militärs, Paramilitärs und Guerrillas erschütterten das Land. Großgrundbesitzer wehrten sich gewaltsam gegen das Opfer- und Landrückgabegesetz aus dem Jahr 2012. Ihre Sicherheitskräfte attackierten Vertriebene und MenschenrechtsverteidigerInnen, die die Rückgabe von geraubtem Land forderten. In Peru wiederum gab es massenhafte Proteste gegen Bergbauprojekte im Norden und Süden des Landes. Auch hier machten sich staatliche und private Sicherheitskräfte schwerer Übergriffe gegenüber Demonstrierenden schuldig. Vor diesem Hintergrund hatten Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften in der EU und den Anden-Ländern den Abschluss des Handelsabkommens scharf kritisiert. Die EU-Kommission versuchte dieser Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie umwelt- und menschenrechtliche Aktionspläne mit Kolumbien und Peru vereinbarten. Die sollten sich jedoch als weitgehend wirkungslos erweisen.

Wie sieht der aktuelle Kontext aus und wie wurde es 2024 schließlich umgesetzt?

Der Großteil des EU-Handelsabkommens mit Kolumbien und Peru wurde schon seit Mitte 2013 vorläufig angewendet. Seit 2017 ist auch Ecuador dem Abkommen beigetreten. Die vollständige Umsetzung des Deals erfolgte jedoch erst im November 2024. Hintergrund war, dass die belgische Region Brüssel ihren lang anhaltenden Widerstand gegen das Abkommen aufgegeben hatte. In Verhandlungen mit der Brüsseler Regionalregierung hatte die EU-Kommission zuvor eingewilligt, den Vertrag nachzuverhandeln, um dessen zahnlose Umwelt- und Sozialklauseln durchsetzbarer zu machen. Damit ermöglichte sie es, dass als letztes EU-Land schließlich auch Belgien das Abkommen ratifizierte. Da der Großteil der vereinbarten Marköffnungen aber schon seit 2013 gilt, bedeutet die vollständige Ratifizierung keine Veränderung der ökonomischen Substanz des Abkommens.

Welche Auswirkungen hatte diese Abkommen in den letzten 10 Jahren?

Die Regierungen der Anden-Länder und die EU-Kommission behaupteten, das Handelsabkommen würde zu einer Diversifizierung der andinen Ökonomien und der Überwindung ihrer starken Abhängigkeit von Rohstoffexporten beitragen. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. Zwar gab es Veränderungen bei den wichtigsten Exportgütern, dominant bleiben jedoch bis heute Produkte aus Landwirtschaft und Bergbau.

Besonders problematisch ist, dass die absehbaren sozialen und ökologischen Folgen dieser Exporte nicht im Vorfeld eingedämmt wurden, was zu erheblichen Inkohärenzen in der EU-Außenpolitik führte. So unterstützte die EU einerseits den Friedensprozess in Kolumbien, erleichterte mit dem Handelsakommen aber zugleich den Export von Produkten, die die verbreiteten Landkonflikte noch angeheizt haben, etwa Palmöl oder Gold. Ähnlich unterminierte das Abkommen die internationalen Bemühungen der EU zur Eindämmung des Klimawandels. So gingen die steigenden EU-Importe von Avocados aus Peru mit hoher Entwaldung und Wasserverschwendung einher, die von Shrimps aus Ecuador mit der Zerstörung von Mangroven.

Wie wenig zukunftsfähig die Abhängigkeit vom Rohstoffexport ist, zeigte sich daneben bei dem kurzzeitigen Anstieg der europäischen Steinkohle-Importe aus Kolumbien im Jahr 2022. Die höhere Nachfrage nach Kohle war eine Reaktion auf die Energiekrise nach Russlands Angriff auf die Ukraine, da manche EU-Stromerzeuger von Gas- auf Kohlekraft umstellten. Doch bereits ein Jahr später brach die europäische Kohle-Nachfrage wieder ein, da die Energiewende in der EU weiter voranschreitet. Die EU benutzte Kolumbien letztlich als Puffer, um eine Nachfragespitze bei Steinkohle auszugleichen. Was Kolumbien jedoch tatsächlich bräuchte, wäre finanzielle Unterstützung, um die Abhängigkeit von Kohle-Exporten zu überwinden und vor Ort eine gerechte Energiewende durchzuführen.

Welche Sektoren profitieren und welche Sektoren sind von dem Abkommen negativ betroffen?

Die wichtigsten Profiteure des Abkommen sind transnationale Konzerne, die Lebensmittel und Rohstoffe aus den Andenstaaten in die EU importieren sowie europäische Unternehmen, die in den Andenstaaten industrielle Fertigwaren verkaufen. Zu diesen Fertigwaren gehören Produkte des Maschinenbaus, der Auto- und Chemieindustrie sowie moderne Klima- und Energietechnik. Dieser ungleiche Tausch setzt die lokale verarbeitende Industrie in den Andenstaaten jedoch erheblich unter Druck. Denn dortige Industrien können häufig nicht mit den modernen Importen aus die EU konkurrieren. Selbst in der Lebensmittelerzeugung ist dieser Verdrängungswettbewerb spürbar, vor allem bei Milchprodukten, die EU-Erzeuger dank das Abkommens zu günstigeren Konditionen in den Andenstaaten verkaufen können.

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