Erdölvorkommen – Urteilsspruch zugunsten der Sápara

(Quito, 21. Oktober 2021, Tegantai).- „Ohne Territorium gibt es für uns kein Leben. Unser Wald ist uns heilig. Jetzt sind wir froh, weil wir unser Territorium wiedererlangt haben. Wir sind 23 Gemeinden, die sich nicht spalten lassen!“ So fasste die Präsidentin der Sápara Nema Grefa,angesichts des positiven Gerichtsurteils für ihr Volk und den Regenwald ihre Situation zusammen. Was war passiert?

Run auf die letzten Ölreserven

Das Volk der Sápara im östlichen Amazonas-Tiefland Ecuadors besteht aus 550 Personen, die auf ca. 3.760  Quadratkilometern in kleinen Dörfern entlang der Flüsse Conambo und Pindoyaku leben. Ihr Wald in der Amazonasprovinz Pastaza ist noch nahezu unberührt, ganz im Gegensatz zum nördlichen Tiefland Ecuadors, wo die Erdölförderung von Chevron-Texaco tiefe Spuren der Zerstörung hinterlassen hat. Die mit dem Kautschuk-Boom verbundene Zerstreuung und Flucht der Sápara zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts führte fast zum Untergang ihrer eigenen Sprache; heute können sich lediglich noch drei Personen (mittlerweile über hundert Jahre alt) in sápara verständigen; alltägliche Umgangssprache ist hier nun das kichwa. Auch aus diesem Grund erkannte die UNESCO die Sápara-Kultur bereits 2008 als immaterielles Weltkulturerbe an. Aber der Run auf die letzten Ölreserven, bevor die Nachfrage weltweit sinkt, macht auch vor dem Territorium der Sápara nicht halt: Vor anderthalb Jahren gründete sich eine Institution von Einzelpersonen mit dem Ziel, 75% des Territoriums an sich zu reißen, und zwar mittels eines Formfehlers in der Übertragung der Landrechte auf die legitimierte Vertretung der Sápara, die „Nacionalidad Sápara del Ecuador (NASE)“. Das von den Gemeinden in einer Versammlung aller Sápara gewählte und anerkannte Gremium wird derzeit von Nema Grefa geführt. Der Landraub war zunächst erfolgreich: Erst nach anderthalb Jahren kam ans Tageslicht, dass die für Landtitel zuständige Regierungsbehörde, die zum Landwirtschaftsministerium gehört, den Eintrag dieses Gebiets im Grundbuch-Register geändert hatte, es also den Sápara, die es seit Jahrhunderten bewohnen, rechtlich absprach.

Richterin bestätigt Landrecht der Sápara

Die Erdöl-Fördergebiete, die die ecuadorianische Regierung an das chinesische Öl-Konsortium Andes Petroleum vergeben wollte (die sogenannten „Blöcke 79 und 83“) sind auffallend deckungsgleich mit dem in illegitimer Weise annektierten Gebiet: Ganz offensichtlich stehen hier privatwirtschaftliche Interessen der Erdöl-Industrie im Vordergrund. Die Sápara hingegen sind einig und stark gegen den Abbau jeglicher Rohstoffe oder Abholzung in ihrem Wald und dementsprechend politisch engagiert. Im Mai dieses Jahres reichten sie eine einstweilige Verfügung ein und klagten gegen die Entscheidung der Regierungsinstanz, die ihnen den Landtitel absprach und sie hiervon noch nicht einmal in Kenntnis setzte. Nach drei Verhandlungstagen, der Anhörung zahlreicher Zeug*innen der Sápara-Kultur und der engagierten Intervention der „Ombudsstelle des Volkes („Defensoría del Pueblo“) erging am vergangenen Montag den 18.10.2021 um 22.00 Uhr im Gerichtssaal des Amazonasstädtchens Puyo folgender Urteilsspruch: Die Richterin erklärte die Übertragung der ca. 250.000 Hektar Wald auf eine nicht von den Sápara legitimierte Personengruppe als illegal und bestätigte das Recht der Sápara auf ihr eigenes Territorium. Somit sind die Pläne der Regierung, sich durch die Hintertür die Zugriffsrechte auf das unter dem Wald liegende Erdöl zu sichern, gescheitert. Die Freude der anwesenden Personen, die bis nachts im Gerichtsgebäude ausgeharrt hatten, zum Teil mit Speeren und in traditioneller Tracht, war unendlich groß. Die Anwältin betonte nach der Urteilsverkündung, dass dies nicht nur ein Sieg für die Sápara sei, sondern eine Bestätigung, dass die Natur eigene Rechte hat, wie es die Verfassung Ecuadors vorsieht. Das Urteil habe Lenkungswirkung auch für andere Völker des Amazonas in der Verteidigung ihres traditionellen Territoriums.

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