Brennende Feuchtgebiete: Bevölkerung fordert staatliches Eingreifen

(Buenos Aires, 10. August 2020, marcha).- Das Feuchtgebiet des Flusses Paraná ist eins der Gebiete mit der größten Artenvielfalt in der Provinz Santa Fe und in ganz Argentinien. Seit einigen Monaten wird die Biodiversität der Region jedoch von zahlreichen Brandherden bedroht. Mittlerweile wehen nicht nur Asche und Brandgeruch in die angrenzende Stadt. Immer häufiger gelangen auch zahlreiche Tiere auf der Flucht vor den Flammen über den Fluss in die bebauten Regionen. Seit Ende Juli protestieren die Bewohner*innen gegen die Zerstörung der Natur und für einen gesetzlichen Schutz der Feuchtgebiete.

In sozialer, kultureller, ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht sind Feuchtgebiete äußerst wichtige Ökosysteme mit einer existenziellen Bedeutung für den Fortbestand  menschlichen Lebens. Doch anscheinend wird uns das erst im Jahr 2020, kurz vor der endgültigen Zerstörung dieser Lebensräume, richtig bewusst. In den letzten 300 Jahren sind weltweit 87% aller Feuchtgebiete verschwunden. In Argentinien machen die Feuchtregionen etwa 21,5% der Landesfläche aus, das entspricht einer Gesamtfläche von mehr als 600.000 km², jedoch trocknen die Gebiete in erschreckendem Tempo aus und verschwinden noch schneller als die Wälder. Verschiedene Umweltorganisationen rufen nun zu Demonstrationen in verschiedenen Städten und Massen-Tweets auf, um die Verabschiedung eines Gesetzes über ein „Mindestbudget für die Erhaltung, den Schutz und die rationelle und nachhaltige Nutzung von Feuchtgebieten“ voranzutreiben. Seit dem 5. August  wird nun die Forderung nach einem Gesetz zum Schutz der Feuchtgebiete offiziell in der Kommission für natürliche Ressourcen des Abgeordnetenhauses diskutiert. „Beide Kammern (Abgeordnetenhaus und Senat) haben bereits mehrere Gesetzesinitiativen vorgelegt. Die Forderung nach einem Gesetz zum Schutz der Feuchtgebiete ist bereits seit langem ein kontinuierlicher Streitpunkt. Die Verabschiedung eines solchen Gesetzes wird von verschiedenen Interessengruppen systematisch blockiert“, so Sprecher*innen der Initiative Jóvenes por el Clima („Jugend für das Klima“).

Was sind die Forderungen der Umweltorganisationen?

Der Verband Feuchtgebiete ohne Grenzen, bestehend aus der Stiftung  FARN – Umwelt und natürliche Ressourcen (Fundación Ambiente y Recursos Naturales), Fundación Cauce, Casa Río und Ökologiewerkstatt (Taller Ecologista) stellt klar: „Wir brauchen ein gesetzlich festgelegtes Mindestbudget für den Umweltschutz, das die Erhaltung und umweltfreundliche Nutzung der Feuchtgebiete in Übereinstimmung mit Artikel 41 der Nationalverfassung gewährleistet“. (siehe auch #leydehumedalesya).

Dazu Ana Di Pangracio, stellvertretende Exekutivdirektorin und Koordinatorin des Biodiversitäts-Ressorts  bei FARN: „Die Feuchtgebiete verschwinden rasend schnell. Sie sind sehr wichtig für die Bindung von Kohlenstoff, noch mehr  als Wälder, ihr Wert wird jedoch nicht gewürdigt. Sie werden als Brachland genutzt, und das hat schwerwiegende negative Auswirkungen. Wir brauchen dieses gesetzlich garantierte Mindestbudget, um die respektvolle Nutzung von Feuchtgebieten zu fördern. Alle Provinzen sollten die Bedeutung ihrer Feuchtgebiete kennen und würdigen. Gemäß Artikel 124 der Nationalverfassung unterstehen die natürlichen Ressourcen den Regierungen der Provinzen, auf deren Territorium sie sich befinden. Das bedeutet aber nicht, dass die Provinzen über diese Ressourcen verfügen können, wie sie wollen. Vielmehr sollen überall die gleichen Schutzstandards herrschen, wie dies bei Gletschern und Wäldern der Fall ist“, stellt Ana Di Pangracio klar.

Die Rechtslage

  • 2013 wurde das Gesetz dem Senat vorgelegt. Die Umweltkommission verhinderte letztendlich die Verabschiedung.
  • Zu einer Einigung über den Entwurf kam es zuletzt Ende 2016, aber die in den Senatsausschüssen getroffenen Vereinbarungen wurden nicht eingehalten. Es fehlte offensichtlich an politischem Willen.

 

Warum sind Feuchtgebiete so wichtig?

  • Vierzig Prozent der biologischen Vielfalt der Welt lebt oder reproduziert sich in ihnen.
  • Sie sind wichtige Reinigungsfilter und Süßwasserreservoirs.
  • Sie liefern Lebensmittel und Baumaterialien
  • Sie sind unerlässliche Garanten für biologische Vielfalt, Hochwasserschutz, Grundwasserneubildung und Eindämmung des Klimawandels
  • Sie federn die Auswirkungen von Niederschlägen ab und speichern mehr Kohlenstoff als jedes andere Ökosystem und leisten somit Wesentliches im Kampf gegen den Klimawandel. Sie haben außerdem eine vielschichtige Bedeutung für verschiedene kulturelle Traditionen.

 

Was sind die Hauptursachen für das Verschwinden der Feuchtgebiete?

  • die Verwendung von Ackergiften
  • Bergbauaktivitäten
  • Raubbau an den natürlichen Ressourcen
  • industrielle Entwicklung, Ausweitung der Bauaktivitäten, invasive Arten und die   unsachgemäße Entsorgung von Abfällen
  • die Ausweitung landwirtschaftlicher Aktivitäten.
  • die unsachgemäße Entsorgung giftiger Industrieabfälle

Die Brände beeinträchtigen zunehmend die Gesundheit der Bevölkerung. Der steigende Bedarf an medizinischer Versorgung führt zu einer zusätzlichen Belastung des Gesundheitssystems, das angesichts der Pandemie bereits mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen hat.  Aus diesen Gründen ist es unerlässlich, die Feuchtgebiete vor Zerstörung zu schützen.

Illegale Verbrennungen im Paraná-Delta

Die Regierung der Provinz Entre Ríos hat seit Dezember keine Genehmigung zur Verbrennung erteilt. Im Juli hat das Bundesgericht von Entre Ríos das Abbrennen von Weiden verboten. Die Landesregierung spricht mittlerweile deutliche Worte: „Uns liegen die georeferenzierten Informationen bezüglich der Brände vor. Wir fordern den Bundesstaatsanwalt von Victoria, García Escalada, den Bundesrichter von Paraná, Ríos und den Staatsanwalt von Entre Ríos Rodríguez Signes auf, uns zu sagen, wem das Land gehört, um die Verantwortlichen zu verhaften und vor Gericht zu stellen“, so der Minister für Umwelt und nachhaltige Entwicklung, Juan Cabandié. Die Brände im Paraná-Flussdelta halten derweil jedoch unvermindert an. Alberto Seufferheld, Leiter der staatlichen Feuerwehr, erklärte nach Sichtung der Luftbilder, es seien bereits 90.000 Hektar verbrannt, das entspricht dem Vierfachen des Stadtgebiets von Buenos Aires.

Deshalb ist es unerlässlich, die Debatte nun trotz der aktuellen schwierigen Lage fortzuführen.

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