(Medellín, 4. April 2023, insight crime).- Eine Reihe von Morden im Dreiländereck Kolumbien-Brasilien-Peru sorgt für Besorgnis über die Macht von brasilianischen Mafiagruppen in der Region. Obwohl ihre Anwesenheit bekämpft wird, scheinen diese Gruppierungen von Tag zu Tag an Einfluss zu gewinnen.
Laut des kolumbianischen Nachrichtenportals La Silla Vacía verzeichnete die Hauptstadt des kolumbianischen Departamentos Amazonas, Leticia, am Wochenende vom 24. bis 26. März eine Bilanz von zwei Toten und zwei Verletzten. Darunter war der Mord an einem kolumbianischen Staatsbürger in Tabatinga, einer brasilianischen Gemeinde an der Grenze zu Kolumbien. Obwohl die Täter*innen unbekannt sind, wird angenommen, dass brasilianischen Gruppen aus Tabatinga damit in Verbindung stehen. Damit wäre es ihnen gelungen, sich auf kolumbianischen Boden niederzulassen, so das Portal.
Mit 50.000 Einwohner*innen ist Leticia Teil des Dreiländerecks mitten im Amazonasgebiet, wo Kolumbien, Peru und Brasilien aneinandergrenzen. Diese Transitzone der drei Länder ist seit langem ein Zentrum krimineller Aktivitäten, insbesondere des Drogenhandels.
Mordrate gestiegen
Nach inoffiziellen Polizeiangaben aus Leticia von 2022 sind die Mordzahlen seit 2020 gestiegen. Nachdem die Mobilität in dem Gebiet aufgrund der Pandemierichtlinien eingeschränkt war, kam es nach der Wiederöffnung der Grenze im Jahr 2021 zu einer Explosion von Gewaltfällen. Da nun auch kriminelle Gruppen wieder ungehindert die Grenze übertreten konnten versuchten sie laut Polizei, ihre Ansprüche auf das Gebiet erneut geltend zu machen.
Laut den Daten der kolumbianischen Nationalpolizei haben die Tötungsdelikte zwischen 2020 und 2021 um 300 Prozent zugenommen, von 6 auf 24. Im letzten Jahr wurden 32 Tötungsdelikte registriert und damit nochmal 33 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Jahre zuvor waren es sieben Morde (2018), beziehungsweise fünf (2019).
Analyse von InSight Crime
Der Anstieg der Gewalt in Leticia und im Dreiländereck ist das Ergebnis einer explosiven Mischung: Brasilianische Gruppen verstärken ihre Bündnisse mit kolumbianischen Gruppen zur Kontrolle des Drogenhandels, während die Folgen auf kolumbianischen Boden spürbar sind.
Laut Informationen, die InSight Crime vor Ort erhalten hat, sind die neuesten Gewalttaten das Ergebnis eines Streits zwischen dem Roten Kommando (Comando Vermelho, CV) und Os Crias, einer neuen lokalen Bande aus dem Amazonasgebiet. Os Crias ist aus der kriminellen Organisation Familie des Nordens (Familia do Norte, FDN) hervorgegangen. Die FDN ist eine kriminelle brasilianische Organisation, die vor 2020 die Region kontrolliert hat und 2021 um die Vorherrschaft in der Stadt Tabatinga gekämpft hat.
Obwohl die Gruppe Os Crias als Siegerin aus dem Konflikt hervorging, wurde ihre Vorherrschaft sehr bald vom Roten Kommando CV herausgefordert, das sich mit kolumbianischen Gruppen wie Los Caqueteños verbündete, um 2022 einen neuen Krieg zu führen. Dies führte zu einem massiven Rückzug von Os Crias, dessen Mitglieder weiterhin auf beide Seiten der Grenze getötet wurden. Zwar wurde angenommen, dass Los Caqueteños nicht mehr aktiv wären, jedoch scheinen sie auf Befehl von abgespaltenen Gruppen wieder operiert zu haben, teilten Quellen InSight Crime mit.
Bündnis zwischen brasilianischen und kolumbianischen Gruppen
Laut einem Beamten des Bürgermeisteramtes von Leticia, der aus Sicherheitsgründen anonym bleibt, ist es Os Crias gelungen, die Aufmerksamkeit des ursprünglich aus São Paulo stammenden Ersten Hauptstadtkommandos (Primeiro Comando da Capital, PCC) auf sich zu ziehen. Laut dem Beamten hätten sich beide Organisationen verbündet und würden versuchen, die Kontrolle über das Dreiländereck zurückzuerobern, um den Transfer von Kokain durch diese Region zu monopolisieren.
In dem Gebiet sind zudem Organisationen bestehend aus Ex-Mitgliedern der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) aktiv, sogenannte Disidencias, die sich dem kolumbianischen Friedensprozess von 2016 nicht angeschlossen haben, als die Guerilla demobilisiert wurde. Diese Fraktionen, die Grenzkommandos (Comandos de Frontera) und die Front Carolina Ramírez, sind hauptsächlich am Drogenhandel beteiligt und kämpften 2022 um die Vorherrschaft in mehreren Gemeinden des kolumbianischen Departamentos Putumayo.
Das Dreiländereck beheimatet zudem 6.472 Hektar Kokaplantagen, die hauptsächlich auf der peruanischen Seite liegen, sowie mehrere Drogenlabors. Dies sind die Hauptgründe für die Kontrolle dieses Wirtschaftszweigs.
Es ist denkbar, dass die Region weiterhin hohe Gewalttaten aufweisen wird.Die Polizeibehörden teilten InSight Crime mit, dass die offene Grenze zwischen Tabatinga in Brasilien und Leticia in Kolumbien die Situation erschwert; während es an Kontrolle und polizeilicher Zusammenarbeit mangelt, können sich Kriminelle sehr einfach über die Grenze bewegen und verschwinden.
Brasilianische Mafiagruppen übernehmen Kontrolle im Dreiländereck von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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