(Buenos Aires, 18. November, anred). – In vielen Städten und Gemeinden des Landes hatten sich Chilen*innen versammelt, um einen Monat seit Beginn des Aufstands zu gedenken. Es war ein Monat immer größeren Aufbegehrens. Ein Monat, der in Chile, diesem lateinamerikanischen Paradebeispiel für Kapitalismus und Neoliberalismus, nun einen historischen Wendepunkt markiert.
Vom Norden mit den Nachbarländern Bolivien und Peru, über die Anden mit dem solidarischen Argentinien bis hin zur Antarktis im Süden – überall haben sich die Proteste ausgebreitet wie Voraussagen für eine Zukunft.
„Bis es sich zu leben lohnt“. Diese Parole findet man in dichtgedrängten Lettern überall auf den Wänden und Mauern des Landes. Sie fordern Präsident Piñera auf, sofort mit seinen Leuten zu verschwinden. Platz zu machen für die Jugend, die sie schon viel zu lange behindern und die endlich ihre gemeinsame Stimme gefunden hat. Die Stimme der Rebellion, die lange wie ein eingeschlafenes Versprechen und Wille war, alles zu verändern.
Proteste in Santiago und dem ganzen Land
In der Hauptstadtregion von Santiago begann der 18. November mit Straßensperrungen. Die Demonstrant*innen besetzten die Hauptschlagadern der Stadt. Als Beispiel des Widerstands taten sich besonders die bevölkerungsreichen Gemeinden von Puente Alto und Maipú hervor. Bei der Besetzung von Rathäusern, Marktplätzen und öffentlichen Plätzen leisteten die Schüler*innen der secundarias (16-18 Jahre) einen großen Beitrag. Sie führten zähe Dispute mit der militarisierten Polizeigewalt.
Währenddessen begannen ab ungefähr 17 Uhr auf der altehrwürdigen Plaza de la Dignidad (vormals Plaza Italia) im Herzen von Santiago, sich die Demonstrant*innen zu versammeln. Umstellt von den Mannschaften der Spezialkräfte der Carabineros mit ihren Militärfahrzeugen. Nach kurzer Zeit hatten diese den Platz in eine undurchdringbare Mauer aus Tränengas verwandelt. Tausende Menschen, die sich auf dem Platz versammelten, aber auch tausende Menschen, die die Mauer aus toxischen Gasen gar nicht erst durchdringen konnten. Dadurch war ein Teil der Menge gezwungen, sich in der Umgebung zu zerstreuen.
Menschenrechtsorganisationen berichten, dass einige der Jugendlichen auch von den Tränengasgranaten getroffen wurden. Diese habe die Polizei absichtlich auf die Demonstrant*innen geschossen. Wie viele von Projektilen verletzt wurden, ist unbekannt. In jedem Fall war der Gebrauch von gummierter Metallmunition durch die Polizei vielmehr ein überzogen, ungestraft noch dazu.
Chile ist aufgewacht
Fest steht allerdings, dass allein dieser neue kämpferische Tag schon etwas bewiesen hat: Die neue Bewegung hat die Maßnahmen der Regierung und auch eine Komplizenschaft mit politischen Pseudoopposition entschieden abgelehnt.
Seit einem Monat ist Chile nun aufgewacht. Dieser Monat hat 25 Menschenleben gekostet, mehr als zweitausend Verletzte, Amputationen von Organen, insbesondere der Augen; mehr als 6.000 Verhaftete, Folterungen, Vergewaltigungen und Belästigungen. All das hat die Grenzen überschritten, die sich der chilenische Staat in internationalen Verträgen zum Schutz der Menschenrechte selbst gesetzt hat.
Ein kompletter Monat. Ein Monat, der sich anfühlt, wie ein ganzes Leben.
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