Indigener Protest gegen Zwangsräumungen und Gewalt

Zwangsräumungen
Keine Gewalt gegen die Kinder der Mapuche in den angestammten Territorien.
Foto: Marina Yaya

(Berlin, 14. September 2024, npla).- Die Mapuche-Community Lof Pailako in Chubut (argentinische Provinz in Patagonien) ist von der Räumung bedroht, nachdem der Richter Guido Otranto diese angeordnet hat. Otranto ist kein Unbekannter: Er hatte auch mit dem Fall von Santiago Maldonado zu tun, der 2017 beim Verteidigen des Lof Pu erst verschwand und anschließend tot aufgefunden wurde. Hierfür wird die paramilitärische Polizei Gendarmería verantwortlich gemacht, der Fall wurde nie ausreichend aufgeklärt. Otranto wurden damals Parteinahme und Fehler bei den Ermittlungen vorgeworfen.  Die Räumung des Lof Pailako wurde wiederum vom Leiter der Nationalparkverwaltung Cristian Larsen und vom Gouverneur von Chubut, Ignacio Torres, vorangetrieben. Den Grund dafür sehen Vertreter*innen der Mapuche darin, dass „die Idee einer Privatisierung der Nationalparks im Raum steht, da es dort Bodenschätze gibt, die für die Waffenindustrie und für Technologien zur Gewinnung regenerativer Energien von Nutzen sind“.

Internationale Solidarität

Die Gewalt in Patagonien hat eine Welle der internationalen Solidarität ausgelöst. Organisationen wie das international agierende Netzwerk „Argentina No Se Vende“ (Argentinien wird nicht verkauft) demonstrierten vor den argentinischen Botschaften in Berlin, Barcelona, Paris, Lissabon und London. Zwischen dem 19. und 30. August sandten die Aktivist*innen den argentinischen Botschaften in den jeweiligen Städten, dem Präsidenten Javier Milei und der Nationalparkverwaltung einen Brief, in dem sie ein Ende der Vertreibung und der Schikanen gegenüber den indigenen Communities fordern. Der Brief prangert auch die Komplizenschaft des Staates beim Vormarsch des Bergbaus und der Unterdrückung an und verweist auf jüngste Fälle wie die Ermordung von Juan Carlos Villa in Mallín Ahogado und andere Gewalttaten gegen Mapuche, wie in den Fällen von Lucinda Quintupuray, Elias Cayicol Garay und Rafael Nahuel. Diese Vorfälle stehen im Kontext einer zunehmenden juristischen Verfolgung indigener Völker durch die (Provinz-) Regierungen, die Justiz und Landbesitzer, die eine Vertreibung der indigenen Bevölkerung vorantreiben. Fälle wie die von Facundo Jones Huala und Matías Santana zeigen, dass die Politik staatlicher Organe auf die Kriminalisierung von Protest und territorialer Verteidigung abzielt.

Internationales Unternehmertum

Durch die Militarisierung Patagoniens und die Verabschiedung von Gesetzen wie dem „Gesetz der Grundlagen und Ausgangspunkte für die Freiheit der Argentinier“ (kurz „Ley Bases“) und dem RIGI (Anreizsystem für Großinvestitionen), die der Ausbeutung und Zerstörung der Gebiete und ihrer Bevölkerung Tür und Tor öffnen, verschlechtert sich die Situation täglich. Die Regierung Milei und die mit ihr kollaborierenden Rechte in Kongress und Senat machen den Weg frei, damit ausländische Kapitalgesellschaften über Konzessionen noch intensiver nationales Territorium ausbeuten können. Frühere Regierungen haben diese Ausbeutung nationaler Bodenschätze auch schon gefördert, nun wird sie weiter vorangetrieben und intensiviert. Daran bereichern sich in Patagonien schon seit Längerem hauptsächlich global player wie Lewis oder Benetton. Bis heute hat der Ausverkauf des Bodens in Argentinien ein solches Ausmaß erreicht, dass einige Akteur*innen davon sprechen, dass die nationale Souveränität beeinträchtigt sei. Einem Bericht der Gewerkschaft ATE zufolge (Konzentration und ausländisches Eigentum an Grund und Boden in Argentinien) gehören 900.000 Hektar dem Unternehmen „Tierras del Sud Argentina“  Benetton. Mehr als 12,5 Millionen Hektar befinden sich in den Händen von ausländischen Unternehmen, von denen fast zwei Millionen Firmen zugerechnet werden, die ihren Sitz in Steueroasen haben.

Indigener Protest gegen ein neokolonialistisches System

Für die indigenen Communities, deren Territorium verteilt wird, die unterdrückt, vertrieben und inhaftiert werden, bedeutet das die historische Fortsetzung eines Prozesses, der mit der Eroberung durch die Kolonialherrscher begann. Angesichts dieser Situation appellieren die indigenen Völker an die internationale Solidarität, da sie wissen, dass internationaler Druck Einfluss auf die Regierung von Javier Milei haben kann. In Argentinien selbst wird dieser gewaltvolle Konflikt durch andere politische und wirtschaftliche Skandale überdeckt und kaum wahrgenommen. Die Forderungen sind klar: Ablehnung des RIGI und der „Ley Bases“. Die Verfolgung der Mapuche muss ein Ende haben. Schluss mit den Vertreibungen der indigenen Communities von deren Land. Internationale Solidarität mit den Mapuche und ihren Organisationen.

Ende August forderte die Asamblea de Solidaridad con Argentina – Berlín in einem offenen Brief an den argentinischen Botschafter
– die Einstellung der Repression, die Entmilitarisierung Patagoniens, die Freilassung und Freiheit aller festgenommenen
Mapuche.
– einen Stopp aller Räumungsbefehle und eine Garantie für die körperliche und seelische Unversehrtheit aller dort lebenden Erwachsenen und Kinder.
– Respekt und Reparationsleistungen für die indigenen Völker.
– die Beendigung der systematischenGewalt, der die Lofs und ihre Bewohner*innen täglich ausgesetzt sind
– die Wiederaufnahme des Dialogs seitens der Verwaltung des Nationalparks “Los Alerces”
– die Ratifizierung des 1992 in der argentinischen Verfassung ratifizierten “Übereinkommen über indigene Völker” der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO169)

 

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