Der Fall Juanita – 8 Jahre lang zu Unrecht im Gefängnis

(Mexiko-Stadt, 23. Mai 2022, cimac noticias).- Die Guatemaltekin Juana Alonzo Santizo wurde 2014 bei dem Versuch, über den mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas in die USA zu gelangen, festgenommen. Sie sprach kein Spanisch, nur ihre Muttersprache Chuj. Während ihrer Inhaftierung wurde sie gefoltert und ausgegrenzt. Sie unterschrieb die Erklärung, in der sie beschuldigt wurde, einer Bande von Entführer*innen anzugehören, ohne dies zu verstehen und wurde zu Unrecht inhaftiert. Fast acht Jahre nach ihrer Verhaftung und trotz offensichtlicher Fehler in ihrem Prozess konnte sie nur über einen Weg befreit werden: durch mediale Aufmerksamkeit und Druck auf die mexikanische Bundesregierung.

Am 18. Mai sprach der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador in seiner Morgenkonferenz den Fall Juanita Alonzo an, forderte dessen Lösung und verlangte die sofortige Freilassung der guatemaltekischen Staatsbürgerin. Drei Tage nach der Erklärung des Präsidenten wurde die Migrantin aus der Strafvollzugsanstalt in Reynosa entlassen, wo sie wegen eines Verbrechens, das sie nie begangen hatte, inhaftiert worden war.

Der Fall facht die Debatte über Kriminalisierung von Migrant*innen und den Zugang zu Rechtsbeistand erneut an

Der Fall von Alonzo Santizo, einer guatemaltekischen indigenen Frau und Migrantin, hat die Diskussion über die Kriminalisierung von Menschen in prekären Situationen neu eröffnet, aber auch die Ungleichheiten bei der Ausübung des Rechts aufgezeigt.

Nach Angaben der mexikanischen Menschenrechtskommission (CNDH) wird der Zugang zur Justiz für Angehörige schutzbedürftiger Gruppen in Mexiko durch verschiedene Probleme erschwert, die unabhängig von ihrer rechtlichen Situation sind: Diskriminierung, fehlende Informationen über Menschenrechte, Mangel an Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen sowie dem Mangel an Verteidiger*innen, die die Muttersprache der Inhaftierten sprechen. So saßen im November 2015 8.412 indigene Personen (286 Frauen und 8.126 Männer) in den Gefängnissen des Landes, wie die dezentrale Verwaltungsstelle für Prävention und soziale Wiedereingliederung (OADPRS) des Innenministeriums mitteilte.

Die gleichen willkürlichen Muster

Die Anwältin des Menschenrechtszentrums Miguel Agustín Pro Juárez (Centro Prodh), Sofía de Robina, weist darauf hin, dass die Straftaten, die den Migrant*innen vorgeworfen werden, immer wieder „praktisch dieselben“ sind: das Tragen von Waffen, Entführung, Verbrechen gegen die Gesundheit oder Menschenhandel. Im Fall von Juana Alonzo machte de Robina die Staatsanwaltschaft von Tamaulipas darauf aufmerksam, dass das Aktenmaterial festhält, dass die Beweise gegen die Beschuldigte nicht für eine Verurteilung ausreichen, sondern im Gegenteil größtenteils illegal beschafft wurden.

Im mexikanischen Justizsystem werden die Verfahren gegen Angeklagte unterschiedlich behandelt, aber es gibt Muster, die eine ständige Willkür in den Fällen der indigenen Bevölkerung zeigen. Laut der landesweiten Umfrage über die der Freiheit beraubte Bevölkerung (Enpol) von 2016 landen 99 Prozent dieser Personen in Untersuchungshaft, was bedeutet, dass sie das Strafverfahren im Gefängnis durchlaufen, obwohl sie nicht verurteilt wurden.

Angesichts der Untätigkeit der Staatsanwaltschaften und der nicht aufhörenden Ermittlungsverfahren werden Fälle wie der von „Juanita“ Alonzo von den Medien und Organisationen wie Promotores de la Libertad Migrante, dem Programm für Migrationsangelegenheiten der Universidad Iberoamericana und dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) in Mexiko begleitet und sichtbar gemacht. Im Fall der guatemaltekischen Frau hat es jedoch trotz der Fehler im Verfahren und des anhaltenden Kampfes um ihre Freilassung einer Erklärung der Bundesexekutive bedurft, damit das Strafvollzugssystem seine Arbeit machte – acht Jahre zu spät.

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