Von Luis Hernández Navarro
(Mexiko-Stadt, 11. April 2017, la jornada).- Die Musik schallte in Uruapan in voller Lautstärke, doch sie wurde noch von den Rufen der Menschenmenge übertönt: Silvano raus! Silvano raus! Mörder! Mörder! So wurde der Gouverneur von Michoacán, Silvano Aureoles, am 8. April vor Beginn des Umzugs bei der traditionellen Kunsthandwerksmesse empfangen, der üblicherweise am Palmsonntag stattfindet. Aktuelle und ehemalige Repräsentant*innen des Rates von Kurhikuaeri K’uinchekua der Purépecha-Gemeinden waren aufgebracht und betrachteten den Amtsinhaber als unerwünschte Person bei den indigenen Völkern dieses Bundesstaates. Sie werfen ihm Angriffe auf die indigenen Gemeinden Arantepacua und Caltzontzin vor.
Gemeindebehörden konsultierten Bewohner*innen nicht
Caltzontzin liegt in der Gemeinde Uruapan im Bundesstaat Michoacán. Hier wohnen Purépecha-Indigene, die aufgrund des Ausbruchs des Vulkans Paricutín im Jahr 1943 gezwungen waren, aus San Salvador Kumbutzio fortzuziehen. Die Bewohner*innen haben erhebliche Probleme mit den Gemeindebehörden, die Gebäude auf einem Gelände errichten wollen, das die indigene Bevölkerung beansprucht, um dort ihren Avocado-Markt abzuhalten.
Zuerst hatte die Gemeindeverwaltung eine Gesundheitsstation errichtet, ohne zuvor die indigenen Bewohner*innen (comuneros) zu konsultieren. Gleich im Anschluss daran wurden auch noch Büros als Verbindungsstellen zur Regierung des Bundesstaates eingerichtet.
Um den Konflikt zu lösen, hatten die Indigenen wiederholt versucht, ein Treffen mit Gouverneur Silvano Aureoles zu arrangieren, der sie jedoch ignorierte. Deshalb besetzten sie die Straße und die Bahngleise und versuchten so, Verhandlungen zu erzwingen.
Tränengas als Antwort
Die Antwort der Regierung ließ nicht lange auf sich warten. Statt zu verhandeln, warfen am 25. Februar zwei Hubschrauber Tränengas über den Häusern der Bewohner*innen ab. Mehr als 1.000 Polizeikräfte stürmten das Dorf, nahmen unrechtmäßig Beschlagnahmungen vor und stahlen Eigentum der Dorfbewohner*innen. Dutzende Menschen wurden geschlagen. Es gab 17 Festnahmen.
Einige Zeit später, am 5. April, griff eine große Zahl von Polizeikräften aus verschiedenen Einheiten des Bundesstaates von Michoacán und der Staatspolizei die Bevölkerung in Arantepacua an, das zur Gemeinde Nahuatzen gehört und nur 37 km von Caltzonzin entfernt liegt. Sie gingen mit einem gepanzerten Fahrzeug vor, das wegen seines Vorderteils auch als Rhinozeros bezeichnet wird. Sie erschossen vier Menschen (darunter einen 15-jährigen Jungen), schlugen brutal auf Dutzende von Menschen ein und nahmen 18 Personen fest – zusätzlich zu den 38 Menschen, die tags zuvor bereits festgenommen worden waren. Die Festgenommenen wurden wegen erfundener Tatbestände angeklagt. Es war genau wie in Nochixtlán, als die Polizeikräfte fälschlicherweise behauptet hatten, die Bevölkerung habe sie in einen Hinterhalt gelockt.
Arantepacua ist eine Gemeinde mit 2.500 Einwohner*innen, von denen 81 Prozent in Armut leben. Sie stellen Holzmöbel her und verdingen sich in der Landwirtschaft. Seit mehr als 70 Jahren besteht ein Konflikt mit der Gemeinde Capuacaro über den Besitz von 520 Hektar Kiefern- und Steineichenwald.
Der Konflikt verschärft sich
Der Konflikt hatte sich vor mehr als einem Monat verschärft. Die Bewohner*innen von Arantepacua informierten die Regierung des Bundesstaates, dass die Bewohner*innen von Capacuaro den zwischen 1930 und 1940 beschlossenen Friedensvertrag verletzt hatten, als sie eine Straßensperre aufgebaut hatten, um den Verkehr zwischen Nahuatzen und Uruapan zu blockieren. Doch die Regierung wollte nichts davon wissen, im Gegenteil, sie nahm 38 Personen fest. Bewohner*innen von Nahuatzen beschlagnahmten im Gegenzug Fahrzeuge, um ihre Mitstreiter*innen zu befreien. Die Regierung ihrerseits antwortete mit einem verheerenden Gegenschlag.
Die Repression in Arantepacua nahm die Form eines Verrats an. Zunächst versperrte die Behörde von Silvano Aureoles, der Mitglied der Partei der Demokratischen Revolution PRD ist, einer Abordnung von indigenen Dorfbewohner*innen, die den Dialog mit den Regierungsbehörden in Morelia, der Hauptstadt des Bundesstaates Michoacán, suchte, den Weg. Und später, als man sich endlich zu einem Dialog zusammengesetzt hatte, wurde die Polizei geschickt, um das Dorf anzugreifen. Einige Stunden vor dem Angriff hatten LKW-Fahrer*innen, die durch die Straßensperrung behindert wurden, den Gouverneur aufgefordert mit harter Hand gegen die Dorfbewohner*innen vorzugehen.
Die Dorfbewohner*innen von Arantepacua sind Teil eines regionalen Projektes, das die Autonomie und die Selbstverteidigung der Indigenen fordert, ebenso wie die Gemeinden Cherán, Pichátaro und Aranza. Sie hatten schon erste Schritte unternommen, um eine kommunale, unabhängige Bürgerwehr zu bilden.
Herkunft vergessen?
Das repressive Verhalten des Mandatsträgers steht im starken Kontrast zu seiner Herkunft. Silvano Aureoles hatte einen schwierigen Start ins Leben. Seine Mutter war alleinerziehend und er lernte erst mit zehn Jahren Lesen und Schreiben. Er musste schon in jungen Jahren arbeiten. Seinen Abschluss machte er als Agraringenieur an einer staatlichen Universität und arbeitete fortan als Berater für autonome bäuerliche Organisationen der Land- und Forstwirtschaft.
Doch seine Herkunft geriet mit dem Eintritt in die institutionelle Politik in Vergessenheit. Sein politisches Profil ist von drei Charakterzügen geprägt ist: Ehrgeiz, Eitelkeit und leicht zu verführen – so der Originalton seines Parteikollegen Miguel Barbosa. Zu diesen Charakterzügen muss man jetzt noch den Hass gegenüber den indigenen Völkern hinzufügen. Belegen lässt sich das anhand der Angriffe auf die Orte Arantepacua und Caltzontzin, aber auch anhand der Auflösung des Amts für die Belange der Indigenen Völker (Secretaría de Pueblos Indígenas) sowie seiner Aussage, wonach der Oberste Gerichtshof über Fälle entscheide, ohne eine ausreichende Grundlage dafür zu haben. Dabei bezog er sich darauf, dass der Oberste Gerichtshof Mexikos der Gemeinde Cherán zugestanden hat, indigenes Recht einzuführen.
Skandale in der Amtszeit
Erst vor kurzem, am ersten März hat Silvano seine Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten für die PRD bekannt gegeben. Es scheint ihm nichts auszumachen, dass seine Amtszeit als Gouverneur von Skandalen wie Romanzen (er nahm die Sängerin Belinda im Hubschrauber mit, um Papst Franziskus bei seinem Besuch in Michoacán zu sehen) und Trinkgelagen geprägt ist. Zahllose Zechtouren in den von ihm besuchten Ortschaften zeugen hiervon.
Twitter-Hashtags zu Silvano Aureoles
Als er in der Halbzeit des Football-Spiels zwischen den Mannschaften América und Morelia von Luis García und Christian Martinoli, den Kommentatoren des Fernsehsenders Azteca 7 interviewt wurde, konnte der Mandatsträger nicht verbergen, dass er zu viel getrunken hatte. In seinem Monarca-Trikot der Mannschaft aus Morelia sagte er Sachen wie: Michoacán kann man nicht verstehen ohne den Bundesstaat Michoacán. Direkt nach diesen Äußerungen tauchte in Twitter der Hashtag #SaquenLaCaguama auf (auf Dt. etwa: #RausMitDerMegaBierflasche) und andere Sätze wie: Ich will, dass es mir wieder gut geht. Silvano Aureoles wurde zum Top Hashtag.
Es ist unverkennbar, dass nichts mehr von seiner bescheidenen Vergangenheit übrig ist und dass das Engagement Silvano Aureoles für die ländlichen Regionen verflogen ist. Das beweisen die brutalen Repressionen, die er gegen die indigene Bevölkerung in Arantepacua und Caltzontzin anordnete.
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