(Mexiko-Stadt, 29. Juli 2019, poonal/taz).- Die Show ist vorbei. Es sei der formale Abschied „von unserem berühmtesten Banditen“, reagierte der Sicherheitsexperte Alejandro Hope in der mexikanischen Tageszeitung „Universal“ auf die Verkündung des Strafmaßes gegen den Mafia-Boss Joaquín Guzmán Loera. Tatsächlich war es wohl das letzte Mal, dass der Chef des Sinaloa-Kartells vor einem Publikum auftreten konnte.
Denn der 62jährige Mexikaner soll nun „lebenslänglich plus 30 Jahre“ in einem US-Hochsicherheitsgefängnis verschwinden. Das gab der New Yorker Richter Brian Cogan am Mittwoch bekannt. Die Geschworenen hatten den 62jährigen Mexikaner bereits im Februar in allen zehn Anklagepunkten schuldig gesprochen. Darunter: Drogenhandel, Waffenschmuggel, Geldwäsche.
Verteidigung bezeichnet Zeugen als chronische Lügner
Guzmáns Anwälte hatten erfolglos versucht, den Prozess neu aufrollen zu lassen. Sein Mandant sei kein Heiliger, erklärte der Verteidiger Jeffrey Lichtman am Mittwoch, aber das Verfahren sei nicht gerecht gewesen. Er bezeichnete die Zeugen, die gegen Guzmán ausgesagt hatten, als chronische Lügner. Die Aussagen von Kriminellen, die in US-Gefängnissen einsitzen und mit Guzmán gemeinsame Geschäfte gemacht hatten, waren eine wichtige Grundlage für das Urteil. Einige dieser Weggefährten wurden in letzter Zeit zu verhältnismäßig geringen Strafen verurteilt.
Das Strafmaß hat niemand überrascht. Bereits im Februar hat es das Geschworenengericht als bewiesen betrachtet, dass Guzmáns Organisation tonnenweise Kokain, Heroin, Marihuana, Amphetamine und andere Drogen in die USA geschmuggelt hat. Besonders wurde „El Chapo“ zur Last gelegt, dass er das Sinaloa-Kartell angeführt hat. Er hat selbst Gegenspieler gefoltert und Auftragskiller angewiesen, Kontrahenten zu entführen und zu ermorden. Guzmán wurde auch dazu verurteilt, 12,6 Milliarden US-Dollar Strafe zu zahlen.
US-Justiz zufrieden
Vertreter der US-Justiz zeigten sich zufrieden über das Strafmaß. „Nie wieder wird er Gift in unser Land schütten können oder Millionen verdienen, während Unschuldige ihr Leben verlieren“, sagte der US-Staatsanwalt Richard Donoghue. Das gilt jedoch nicht für sein kriminelles Unternehmen. Trotz interner Konflikte um die Macht, die nach der Verhaftung ihres Chefs ausgebrochen sind, gehen die Geschäfte erfolgreich weiter. Das Sinaloa-Kartell expandiere international stärker als seine Konkurrenten, heißt es im Jahresbericht 2018 der US-Antidrogenbehörde DEA. Die Organisation liefere „im großen Stil“ Drogen in die an Mexiko angrenzenden Bundesstaaten.
Auch mehrere andere Kartelle versorgen den nördliche Nachbarn mit Kokain, Heroin oder der zunehmend konsumierten Droge Fentanyl. Kritiker*innen werfen der mexikanischen Regierung vor, nicht konsequent gegen die Organisationen vorzugehen. Im Januar erklärte der Präsident Andrés Manuel López Obrador, es gebe keinen Krieg gegen die Drogenmafia mehr. Seine Vorgänger hatten versucht, das Problem der organisierten Kriminalität durch die Mobilisierung des Militärs zu lösen. Der neue Staatschef will dagegen mit Sozialprogrammen die Lebenssituation der Armutsbevölkerung verbessern und sie so den Klauen der Verbrecher entziehen. Zugleich setzt er aber auch Zehntausende Mitglieder einer Nationalgarde, die jüngst zur Kriminalitätsbekämpfung gegründet worden war, gegen Migrant*innen ein. Sie soll die Zuwanderer*innen ohne Papiere aufhalten, bevor sie die Grenze zu den USA überschreiten.
Einem in der Tageszeitung „Milenio“ veröffentlichten Bericht des Verteidigungsministeriums zufolge wurden im ersten Halbjahr der Amtszeit López Obradors 75 Prozent weniger Heroin, 70 Prozent weniger Amphetamine und halb so viel Marihuana beschlagnahmt als im gleichen Zeitraum 2018. US-Behörden stellten indes in den an der mexikanischen Grenze liegenden Bundesstaaten wesentlich größere Mengen Drogen sicher als im Vorjahr. So etwa 30 Prozent mehr Heroin.
Möglicherweise habe López Obrador zu Recht entschieden, das Problem dem US-Präsidenten Donald Trump zu überlassen, polemisierte der oppositionelle Politiker Jorge Castañeda. Oder die Nationalgarde könne sich nicht mehr auf den Krieg gegen die Drogenmafia konzentrieren, weil sie unter anderem damit beschäftigt sei, „Migranten schlecht zu behandeln, festzunehmen und zu verhindern, dass sie aus Internierungslagern ausbrechen“.
„El Chapo“ Guzmán bekommt lebenslänglich von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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