(Medellín, 27. Januar 2019, lanzas y letras).- In Anbetracht der Krise, in der sich die Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation ELN (Ejército de Liberación Nacional) befinden, hat der Rechtsberater der Guerilla Carlos Alberto Ruiz Socha in einem Interview mit dem kolumbianischen Nachrichtenportal Zona Cero für eine Wiederaufnahme des Dialogs stark gemacht: „Nimmt man die Friedensverhandlungen nicht sofort wieder auf, sind sie verloren und die Situation in Kolumbien verschärft sich.“ Trotz des „schmerzhaften“ Attentats in Bogotá, so Ruiz, müssten die Friedensverhandlungen aufrecht erhalten werden. Er drängte den Präsidenten Ivan Duque, sich mehr in den Prozess einzubringen und der Beteiligung weiterer Länder zuzustimmen.
In einem Interview mit der spanischen Nachrichtenagentur Efe betonte Ruiz, dass es trotz des Attentats auf die Polizeikadettenschule am 17. Januar in Bogotá, dem 21 Menschen zum Opfer fielen, keinen Waffenstillstand gebe. Deshalb „sind beide Parteien auch nicht dazu verpflichtet, Angriffe zu unterlassen“, so Ruíz. Auch das kolumbianische Militär führe weiterhin Operationen durch. Ruiz räumte ein, dass das Attentat der ELN einen großen politischen Vertrauensverlust bedeute, er betonte aber auch, dass sich in Havanna weiterhin Repräsentant*innen der Guerilla befänden, die offen für einen Friedensdialog seien. Ruiz schlug der Guerilla und Regierung vor, sich in künftigen militärischen Operationen an humanitäre Regeln zu halten und eine Vereinbarung zur Deeskalation des Konflikts zu treffen.
„Hoher politischer Preis für die ELN“
„Es gibt Möglichkeiten, den Friedensdialog weiterzuführen“, betonte der Rechtsberater der ELN, äußerte aber die Befürchtung, kurz davor zu stehen, einen siebenjährigen Friedensprozess zu begraben. Die Folge wären viele weitere Tote.
Sollte die Regierung Ivan Duques entscheiden, den Friedensdialog zu beenden, muss sie sich an die Richtlinien halten, die das Protokoll vorschreibt, welches für den Fall des Prozessendes unterzeichnet wurde. In ihm wurden für den Fall der Beendigung der Gespräche auch die Bedingungen und Sicherheiten für die Rückkehr der Guerilladelegation aus Havanna festgelegt. Die kolumbianische Regierung hatte jedoch bereits nach dem Attentat in Bogotá die kubanische Regierung dazu aufgefordert, die „Rädelsführer“ der ELN, die sich zurzeit als Friedensdelegation in Havanna befinden, auszuliefern. Laut internationalem Recht wäre eine Inhaftnahme der Delegationsmitglieder jedoch ein sogenannter „Verrat“, denn die Mitglieder genießen in Havanna eine Sicherheitsgarantie, um den Friedensdialog überhaupt führen zu können. Dies bedeute aber nicht, so Ruiz, dass der kolumbianische Staat von einer Strafe für das Attentat in Bogotá absehen müsse. Ein Ignorieren des unterzeichneten Protokolls würde jedoch einen Präzedenzfall schaffen und künftig jedwede Friedensverhandlung in einem bewaffneten Konflikt gefährden.
Ruiz, Rechtsanwalt, Universitätsprofessor und Rechtsberater, hatte die ELN schon im Jahr 1998 bei Verhandlungen in Deutschland beraten und hatte größtenteils auch an den Friedensgesprächen zwischen der vorherigen kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation FARC teilgenommen. Er verteidigte die Positionierung der Garantiestaaten Kuba und Norwegen als „tadellos“, da sie die rechtlichen Garantien bewahrten, die der Guerilladelegation zugesprochen worden waren.
Haftbefehl von Interpol eine „Hürde“ für Dialog
Ruiz deutete ebenfalls darauf hin, dass die kürzliche rote Ausschreibung Interpols gegen zwei Delegationsmitglieder der ELN auf Kuba – einer von ihnen gegen den Chefunterhändler der Friedensgespräche Israel Ramírez alias Pablo Beltrán – eine „schwerwiegende Hürde“ darstellte. Er bat Präsident Duque um die „wichtige politische Geste“, die vorübergehende Aufhebung des internationalen Haftbefehls zu erwirken. Außerdem ersuchte er Duque, den Friedensdialog von Havanna weiterzuführen und der Beteiligung von weiteren Ländern wie Spanien, Mexiko und dem Vatikan zuzustimmen. „Es gibt Möglichkeiten“, betonte er, und erinnerte daran, dass der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez während seines Besuchs in Kolumbien im vergangenen August seine Unterstützung in der Verhandlung mit der ELN angeboten hatte. Die kolumbianische Regierung habe bis heute jedoch nicht darauf reagiert, so Ruiz. Außerdem hätte auch der Papst dazu aufgerufen, die Verhandlungen keinesfalls abzubrechen.
Das Attentat am 17. Januar habe laut Ruiz nicht gezeigt, dass die ELN gespalten sei, doch habe es sichtbar gemacht, dass die Delegation der Guerilla auf Kuba nicht die absolute Kontrolle – weder eine direkte noch eine indirekte – über die Operationen der ELN haben. Allerdings habe die Verhandlungsdelegation eine politische, nicht jedoch eine strafrechtliche Verantwortung für das Attentat anerkannt.
Rechtsberater der ELN: Friedensprozess droht zu scheitern von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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