Haft für Ex Colonia Dignidad-Mitglied Willi Malessa bestätigt

Gericht bestätigt Haft Willi Malessa wegen Verschwindenlassen von politischen Gefangenen
Gedenken an Verschwundene an einem Massengrab auf dem Gelände der Ex Colonia Dignidad, Sept. 205. Foto: Jorge Soto

(Berlin, taz/npla.) Ein Berufungsgericht in Santiago de Chile bestätigte die Untersuchungshaft für Willi Malessa (73). Der frühere Bewohner der Colonia Dignidad ist angeklagt wegen der Beteiligung an der Entführung bzw. am Verschwindenlassen von politischen Gefangenen.

Nach seiner Verhaftung am 5. Mai sitzt Willi Malessa inzwischen in einem Gefängnis in der chilenischen Hauptstadt Santiago. Der bevorstehende Gerichtsprozess gegen ihn ist eine der letzten Möglichkeiten, noch zur Aufklärung des Schicksals der in der Colonia Dignidad verschwundenen politischen Gefangenen beizutragen.

In der 1961 in Chile gegründeten „Kolonie der Würde“ gehörten sexualisierte Gewalt, Prügel und Zwangsarbeit jahrzehntelang zum Alltag vieler Bewohner:innen. Während der Pinochet-Diktatur (1973 bis 1990) kooperierte die Sektenführung um Paul Schäfer eng mit dem chilenischen Geheimdienst DINA, der ein Gefangenenlager auf dem streng abgeriegelten Gelände errichtete. Hunderte Oppositionelle wurden in der deutschen Siedlung gefoltert, Dutzende dort ermordet.

Ermittlungen seit fast zwanzig Jahren

Seit 2005 ermittelt die chilenische Justiz wegen dieser Menschenrechtsverletzungen. Seit 2021 hat die Untersuchungsrichterin Paola Plaza viele Zeug:innen in diesem Fall vernommen. Nun wurde Willi Malessa wegen der Beteiligung an der Entführung und dem Verschwindenlassen von Juan Maino, Elizabeth Rekas und Antonio Elizondo angeklagt. Die drei Mitglieder der linken Organisation MAPU waren am 26. Mai 1976 von Agenten der DINA in der Hauptstadt Santiago verschleppt worden. Bis heute fehlt von ihnen jede Spur.

Gericht bestätigt Haft Willi Malessa wegen Verschwindenlassen von politischen Gefangenen
Fotos von Juan Maino, Elizabeth Rekas und Antonio Elizondo, 2018 bei einer Kundgebung in Krefeld. Foto: Ute Löhning

„Es ist schwer zu auszuhalten, dass wir nicht wissen, wo und wie sie ermordet wurden“, erklärt Mariana Maino, die Schwester von Juan Maino. „Seit fast 47 Jahren suchen wir meinen Bruder. Unsere Mutter war unermüdlich, doch vor neun Jahren ist sie gestorben, ohne Wahrheit und Gerechtigkeit zu erhalten“.

Gegenüber Ermittlungsbehörden und in Fernseh- und Streaming-Dokumentationen hatte Malessa bereits mehrfach eingestanden, dass er als Baggerfahrer 1978 Leichen aus Massengräbern in der Colonia Dignidad ausgegraben hatte. Diese seien danach verbrannt und ihre Asche in den nahegelegenen Fluss Perquilauquén geworfen worden. Trotz forensischen Grabungsarbeiten und Bodenanalysen konnte bis heute keine der auf dem Gelände ermordeten oder verschwundenen Personen identifiziert werden.

„Wir hoffen, dass die Colonos [Bewohner:innen der Siedlung] jetzt Informationen über den Verbleib der Verschwundenen offenlegen, die sie seit Jahren zurückhalten“, sagt Mariana Maino und fordert, dass die chilenische und die deutsche Justiz die Ermittlungen ohne Verzögerungen mit konkreten Schritten voranbringen.

„Malessa muss in Untersuchungshaft bleiben, weil weiterhin Fluchtgefahr besteht“, erklärt die chilenische Anwältin Mariela Santana, die Juan Mainos Familie vertritt. „Der chilenische Staat muss solch schwere Menschenrechtsverletzungen untersuchen und ahnden und internationales Recht umsetzen“, fordert Santana.

Gericht bestätigt Haft Willi Malessa wegen Verschwindenlassen von politischen Gefangenen
Gedenktafel am Fluss Perquilauquén in Erinnerung an die verschwundenen politischen Gefangenen. Deren Angehörige demonstrieren auf der Brücke im Hintergrund, Sept. 2022. Foto: Ute Löhning

Die Berliner Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf begrüßt die Aufklärungsbemühungen der chilenischen Justiz, die es „im Gegensatz zu den deutschen Ermittlungsbehörden auch nach langer Zeit nicht aufgibt, die Verbrechen in der Colonia Dignidad zu verfolgen“. Schlagenhauf hatte Angehörige der 1976 verschleppten Elizabeth Rekas und weitere Opfer der Colonia Dignidad bei Ermittlungen der deutschen Justiz gegen Hartmut Hopp vertreten. Der frühere Leiter des Krankenhauses der Colonia Dignidad, ist in Chile rechtskräftig verurteilt wegen Beihilfe zu Vergewaltigung, lebt aber weitgehend unbehelligt in Krefeld. Die Ermittlungen der deutschen Justiz gegen ihn und auch gegen Reinhard Döring wegen der Beteiligung am Verschwindenlassen von Gefangenen wurden allesamt eingestellt. Die Anwältin kritisiert, in Deutschland herrsche faktische Straflosigkeit, denn hierzulande habe die Justiz nie mit der nötigen Tiefe und Energie ermittelt.

„Deutschland ist zu einem sicheren Hafen für mutmaßliche Täter geworden“, kritisiert Jan Stehle vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika. In demselben Verfahren wie Malessa seien auch der frühere Sektenarzt Hartmut Hopp und Reinhard Döring von der chilenischen Justiz angeklagt worden. „Obwohl gegen beide ein internationaler Haftbefehl vorliegt, leben sie straffrei und unbehelligt in Deutschland“.

Malessa war 1961 als elfjähriger Junge aus Deutschland in die Colonia Dignidad gekommen. Er genoss einige Privilegien, so durfte er – anders als die meisten Bewohner:innen – heiraten. Bereits 1998 verließ er die deutsche Siedlung. Diese heißt inzwischen Villa Baviera und ist zu einem touristischen Ausflugsziel mit Hotel-Restaurant-Betrieb im bayerischen Stil geworden. Eine Gedenkstätte gibt es dort bis heute nicht.

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