Ermittlung wird Chefsache

(Mexiko-Stadt, 27. September 2020, taz).- Schon kurz nach dem Verschwinden von 43 mexikanischen Studenten vor sechs Jahren forderten deren Angehörige, dass wegen des Verbrechens auch gegen Bundespolizisten und Militärs ermittelt wird. Zu viel sprach dagegen, dass der Angriff auf die jungen Männer der Ayotzinapa-Lehreruniversität vor sechs Jahren nur von lokalen Politiker*innen, Polizisten und Kriminellen verübt wurde. Eine für den Fall gegründete internationale Expert*innenkommission forderte Zugang zur Militärkaserne. Vergeblich.

Dass nun Haftbefehle gegen Soldaten und Bundesbeamte erlassen wurden, zeigt, wie skrupellos die damalige Regierung des Präsidenten Enrique Peña Nieto und seine Strafverfolger*innen gelogen haben. Schon wenige Monate nach der Tat präsentierten sie eine „historische Wahrheit“, für die es keine tauglichen Beweise gab. Sie blockierten jeden Versuch, die Hintergründe aufzuklären. Den Angehörigen begegneten sie mit zynischer Arroganz und Ignoranz.

Warum wollte Peña Nieto die Aufklärung der Tat verhindern?

Fragt sich, warum. Warum wollten Peña Nieto und seine Schergen mit aller Kraft verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt? Bis heute ist unklar, was hinter dem Angriff steckt. Einiges spricht dafür, dass die Studenten einem Herointransport in die Quere kamen. Folgerichtig wollten die Ermittler*innen verhindern, dass das Ausmaß der Kooperation föderaler Kräfte mit der Drogenmafia ans Licht kommt. Dabei geht es um Strukturen, in die hochrangige Politiker*innen und Beamt*innen verwickelt sind. Dass derzeit darüber diskutiert wird, ob ehemalige Präsidenten wie Peña Nieto für ihre korrupten Geschäfte strafrechtlich verfolgt werden sollen, verweist auf die kriminelle Energie dieser Leute.

Peña Nietos Nachfolger Andrés Manuel López Obrador hat diesen korrupten Machenschaften den Kampf angesagt. Und er hat den Ayotzinapa-Fall zur Chefsache erklärt. Angehörige bestätigen, dass er auch wirklich entsprechend handelt. Das ist gut so, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass über 73.000 Menschen in Mexiko verschwunden sind. Nicht zu Unrecht befürchten deren Mütter, Väter und Schwestern, dass sie neben dem Aufsehen erregenden Fall der 43 verschleppten Studenten vergessen werden.

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