Von Wolf-Dieter Vogel, Oaxaca
(Oaxaca/Berlin, 21. Mai 2017, npl).- Zuletzt traf es den Reporter Jonathan Rodríguez Córdova, davor seinen preisgekrönten Kollegen Javier Valdez. Beide Journalisten wurden am 15. Mai auf offener Straße erschossen: Valdez in der Culiacán, der Hauptstadt des vom gleichnamigen Kartell kontrollierten Bundesstaats Sinaloa, Córdova in der zentralmexikanischen Stadt Guadalajara. Damit stieg die Zahl der in Mexiko in diesem Jahr ermordeten Journalist*innen auf sieben.
Demonstrationen gegen die zunehmenden Angriffe
Vor allem der Tod von Valdez, der für seine Texte gegen den Terror der organisierten Kriminalität bekannt war, rief im ganzen Land eine Welle der Empörung hervor. In zahlreichen Städten gingen Medienschaffende auf die Straße, um gegen die zunehmenden Angriffe zu protestieren. Unbekannte hatten vor der Redaktion der von Valdez gegründeten Wochenzeitung Riodoce das Feuer eröffnet.
Der Korrespondent der linken Tageszeitung „La Jornada“ und Autor des Buches „Narcoperiodismo“ über journalistisches Arbeiten in Zeiten des Mafiaterrors hatte schon seit drei Monaten immer wieder Drohungen erhalten. Als im März seine Jornada-Kollegin Miroslava Breach im Bundesstaat Chihuahua ermordet wurde, hatte der 50-Jährige noch geschrieben: „Dann sollen sie uns halt alle ermorden.“ Zum Schweigen würden sie ihn nicht bringen.
Chronisches Problem: Straflosigkeit
Zwei Tage nach dem gewaltsamen Tod der beiden Journalisten hat Mexikos Präsidenten Enrique Peña Nieto „außergewöhnliche Maßnahmen“ angekündigt. Der so genannte Mechanismus zum Schutz von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern“ soll nun mit einem höheren Budget ausgestattet werden. Zudem will der Staatschef die bei der Generalstaatsanwaltschaft angesiedelte Sonderstaatsanwaltschaft für Delikte gegen die Meinungsfreiheit (FEADLE) stärken. „Man tötet nicht die Wahrheit, in dem man Journalisten ermordet“, griff er eine Parole auf, die eigentlich aus dem Lager seiner Kritiker*innen stammt.
Dass sich Peña Nieto nun für die FEADLE stark macht, scheint dem öffentlichen Druck geschuldet zu sein. Denn obwohl die Morde an Medienschaffenden schon in den letzten Jahren zugenommen hatten, wurde das Budget der Sonderstaatsanwält*innen von 2014 auf 2016 um die Hälfte reduziert. Die Konsequenz: Nach insgesamt 743 Vorermittlungen gab es seit 2015 drei Verurteilungen.
Journalistenverbände: Regierung hat Problem noch nicht verstanden
Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände unterstützen zwar die Stärkung der Schutzmechanismen, kritisieren aber zugleich, dass kaum ein Fall aufgeklärt werde. Die Regierung verstehe noch immer nicht das Problem, das hinter den Angriffen stecke, erklärte Edgar Córtez vom Mexikanischen Institut für Menschenrechte und Demokratie IMDHD (Instituto Mexicano de Derechos Humanos y Democracia). „Sie reden mit politischen Diskursen auf uns ein, obwohl es eigentlich darum geht, die Straflosigkeit zu beenden“, sagte Córtez.
Die Reporterin Marcela Turati machte sich dafür stark, eine unabhängige Kommission ins Leben zu rufen, die besonders hervorstechende Straftaten gegen Journalist*innen sowie die Mechanismen der Straflosigkeit untersucht. „Die Demonstrationen, die Briefe, die Proteste stoßen auf eine Wand aus Teflon“, konstatiert sie. „Die offiziellen Wege führen letztlich nur zu mehr nutzloser Bürokratie, aber wir haben keine Zeit zu verlieren“.
Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen war Mexiko 2016 nach Syrien und Afghanistan das Land mit den meisten getöteten Pressevertreter*innen. Seit 2000 wurden laut Informationen der Regierung 126 Medienschaffende ermordet. Vor allem, seit der ehemalige Präsident Felipe Calderón 2017 seinen „Krieg gegen die Drogenmafia“ begann, hat die Zahl der Angriffe extrem zugenommen.
Morde an Medienschaffenden reißen nicht ab von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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