„Die Ernennung ist noch ein Zeichen dieser patriarchalen Gesellschaft”

(Santiago de Chile, 10. Juni 2020, Medio a Medio).- Nachdem die chilenische Ministerin für Frauen und Gleichberechtigung der Geschlechter, Macarena Santelices, am 9. Juni nach nur 34 Tagen im Amt zurückgetreten war, ist ihr Posten nun Mónica Zalaquett, ebenso wie Santelices Mitglied der rechtskonservativen Partei UDI, überlassen worden.

Feministische Organisationen kritisierten Zalaquetts Ernennung aufs schärfste und machten in den sozialen Netzwerken polemische Äußerungen der Parlamentarierin öffentlich, die etwa Themen wie Schwangerschaftsabbrüche, verlängerte Elternzeit, Adoptionen durch homosexuelle Paare oder die Ehe für alle betrafen. Unterschiedliche feministische Gruppen protestieren derzeit online unter #AlertaFeminista („Feministischer Notstand“) und mit der Parole #Notenemosministra („Wir haben keine Ministerin“) gegen die Neubesetzung des Amtes. Ihre zentrale Forderung ist die Ersetzung von Mónica Zalaquett durch eine Frau, „die qualifiziert für das ist, was wir Frauen auf der Straße fordern“.

Anfang Juni vereidigte Präsident Sebastián Piñera Mónica Zalaquett als Ministerin für Frauen und Gleichberechtigung der Geschlechter, nachdem Macarena Santelices den Posten überraschend verlassen hatte. Nur wenige Stunden, nachdem Zalaquett ihr Amt angetreten hatte, wurde die UDI-Politikerin, die vorher Untersekretärin im dem Wirtschaftsministerium unterstellten Tourismusbüro war, stark kritisiert.

„Mehr als das gleiche“

Feministische Organisationen beschrieben Zalaquett ebenso wie ihre Vorgängerin als eine Frau, die für die Arbeit mit Geschlechterthemen gänzlich unqualifiziert sei. Den Wechsel an der Spitze des Ministeriums betitelten sie als „mehr als das gleiche“, gleichzeitig sehen sie einmal mehr bestätigt, dass das Ministerium seiner politischen Aufgabe und der Notwendigkeit von Schutzmechanismen für Frauen nicht nachkommt.

In diesem Zusammenhang äußerte sich die Sprecherin der Bewegung 8M in Concepión, Francisca Rubio: „Keine von beiden ist uns gut genug. Wir sind eine zielstrebige und starke Bewegung, die viel organisierter ist als noch vor Jahren. Wir haben klare Forderungen. Und wenn sie uns eine Frau vorsetzen, die nichts mit unseren Ansprüchen oder Idealen gemein hat, dann wird sie niemals den Rückhalt der feministischen Bewegungen haben.“

In ihrer vieldiskutierten politischen Laufbahn ist die neue Ministerin mit polemischen Äußerungen und Meinungen aufgefallen, die nur dank intensiver Netzrecherchen ans Licht gekommen sind. Das 11-jährige Mädchen etwa, das sich dafür entschied, ein Kind auszutragen, das aus einer Vergewaltigung durch ihren eigenen Stiefvater entstanden ist, sei „mutig“. Auch ihre Haltung zur Verlängerung der Elternzeit polarisierte – bei der Abstimmung im Jahr 2010 beschrieb sie diese als „Guillotine für die Arbeit“ von Frauen. Dazu kommt ihre Ablehnung gegenüber der Adoption durch homosexuelle Paare und gegen die Ehe für alle – für beides sieht sie die Idee von „Mann und Frau“ als entscheidendes Gegenargument.

Mónica Zalaquett war auch in einer Lobbygruppe aktiv, die sich für die Interessen des Casino-Unternehmens Marina del Sol einsetzt: Die Firma wird von der Lobbygruppe Triangular Integración Estratégica vertreten, die von Zalaquett selbst gegründet wurde und derzeit unter der Führung ihres Bruders Pablo Zalaquett ist, gegen den wiederum unter dem Verdacht der Geldwäsche ermittelt wird.

„Wir haben keine Ministerin“

„Wir sehen hier, dass eine Frau im Amt ist, die die Botschaft der Feministinnen nicht versteht, sondern sie nach wirtschaftlichen Belangen hin umdeutet. Von Seiten der Regierung normalisieren sich solche Handlungen, von denen strukturelle Gewalt ausgeht“, betont Rubio.

So äußern Organisationen von Frauen ihre Ablehnung gegenüber der Regierung und der Personalentscheidung. Sie machen deutlich, dass die derzeitigen Strategien der Regierung nur vermuten lassen, dass während der Pandemie Gewinn aus der Unsicherheit geschlagen werden soll. Gleichzeitig befürchten sie, dass ebenjene Politiken, die die Probleme lösen sollen, die die Krise für Frauen gerade noch verschärft, nur weiter herausgezögert werden – was wiederum zu weiteren Fällen von Missbrauch, Vergewaltigung, Gewalt und Femiziden führt.

Die Kampagne „Wir haben keine Ministerin“, die maßgeblich von der Bewegung 8M und den entsprechenden feministischen Koordinationsgruppen ausgeht, läuft weiterhin. Sie sind sich sicher, dass weiterhin Kritik geübt werden muss und betonen das Engagement, das Zalaquetts Posten erfordert. Sie fordern seine Besetzung durch eine Frau, die für geschlechterpolitische Themen qualifiziert ist und den Forderungen von Mädchen und Frauen Gehör verschafft.

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