Gesetze sollen, laut der Bundeszentrale für politische Bildung, eine Regelung sein, die „rechtsverbindlich und zukunftsgerichtet das Zusammenleben ordnen“. Aber inwieweit können diese Regelungen verhindern, dass Menschen diskriminiert werden? Seit 1998 existiert in Ecuador ein Antidiskriminierungsgesetz, das als Schutz vor Diskriminierung jeglicher Art dienen soll. Wie gut funktioniert dieses beispielsweise in Hinblick auf Rassismus? Diese Frage beantworten kann wohl am besten die 25-jährige Daniella Villaba. Sie arbeitet einer Einrichtung für Straßenkinder in Quito, in der ich seit ein paar Monaten als Freiwillige tätig bin. Schon in der Schule beschäftigtete sie sich viel mit afro-ecuadorianischen Themen. 2011 gründete sie die interkulturelle Organisation “Canela y Purpura”, Zimt und Purpur. Deren Ziel ist es, gegen die Diskriminierung in Ecuador anzugehen und für die Rechte von afro-ecuadorianischen Frauen zu kämpfen. Mittlerweile hilft die Organisation geflüchteten Frauen aus Kolumbien, meist Afrokolumbianerinnen und indigene Frauen.
Daniella erzählt:
Der Rassismus in Ecuador hat zwei Aspekte: Das eine ist, was als Normal angesehen wird, das andere ist, dass die Regierung denkt, er würde nicht existieren. Was bedeutet es also schwarz zu sein? Viele Menschen assoziieren mit der Farbe schwarz etwas Negatives. Zum Beispiel heißt es, dass eine schwarze Katze Unglück bringt oder einen schwarzen Tag zu haben bedeutet, einen schlechten Tag zu haben. Durch diese negativen Assoziationen wird man für ungebildet gehalten, oder gar für einen Taschendieb. Dann hört man auch Aussagen wie: „Du bist schwarz, aber du bist nicht wie die anderen schwarzen Menschen oder?“, „Du bist ja gar nicht sooo schwarz“ oder Leute wollen ungefragt deine Haare anfassen. Das sind tagtägliche Kommentare, die rassistisch sind – also alltäglicher Rassismus in Ecuador, aus meiner Perspektive.
Gibt es andere Situationen, in denen Rassismus stark auftritt?
Klar, so ziemlich überall. Auch öffentlich. Beispielsweise bei dem ehemaligen ecuadorianischen Fusballspieler Agustin Delgado. Er sollte als Abgeordneter eine Rede im Plenum der Nationalversammlung vorlesen. Er kommt aus der Imbambura-Region im Norden Ecuadors. Dort und in der Küstenregion gibt es auch Afroecuadorianer*innen mit einem anderen Dialekt. Sie sprechen also Wörter, wie zum Beispiel „vamos a ir“, anders aus. Später machte sich der Karikaturist Bonil in einer größeren Zeitung über diesen Akzent lustig und darüber, dass Delgado nicht lesen könne und stammele. Er zeigte damit keinerlei Respekt für die persönliche Geschichte und Herkunft anderer. Das macht die Karikatur sehr verletzend.
In welchen Situationen bist du schon selbst dem Rassismus begegnet?
Täglich begegnet man solchen Situationen hier. Der Körper der Frau wird generell im Kopf vieler Männer sexualisiert. Jetzt stell dir vor, zudem schwarze Haut zu haben. Einerseits sagt man beispielweise, Sex mit einer schwarzen Frau solle die Nieren heilen. Andererseits hört man Aussagen wie „Passt auf eure Wertsachen auf!“, wenn man in einen Bus steigt. So begegnet man täglich Rassismus. Auch in vielen Schulen wird uns gesagt, wir sollen nicht mit unseren Zöpfen kommen, sondern mit „normalen“ Haaren. Wenn wir hier jetzt in eine Schule oder einen Kindergarten gehen würden, wie würden die Puppen aussehen? Sie sind meist weiß, mit blauen Augen und dünn. Also wenn du ein vierjähriges Mädchen bist, was passiert dann in der Pubertät? Du wirst dich wahrscheinlich nicht wohlfühlen, weil du einfach nicht in diesen Standard passt oder passen kannst.
Sexismus stellt auch ein großes Problem in Ecuador dar, wo tritt es auf?
Das Thema Sexismus wird hier in Ecuador nicht gut behandelt. In der Schule gibt es zwar Sexualunterricht, […] aber eben nur spärlich. Unsere Gesellschaft ist eher konservativ. Wenn du also als Frau Abtreibung verteidigst, wirst du stumm geschaltet. Es gibt viel zu tun im Bereich der Sexualbildung. […] Die Regierung möchte nicht zugeben, dass es ein Problem gibt. Es gibt eine große Zahl
an Fällen von Gewalt und Schwangerschaften im Jugendalter. Eine mögliche Situation wäre diese: „Meine Tochter, 13 Jahre alt, ist schwanger. Wie soll sie weiter zur Schule gehen? Was sollen wir machen?“ Wie wird es weiter gehen? Die Eltern der Jugendlichen müssen arbeiten gehen – und sie mit dem Kind Zuhause bleiben, wahrscheinlich aufhören zur Schule zu gehen, weil sie keine Zeit hat. Aus fehlender
Bildung resultiert dann die hohe Wahrscheinlichkeit, unter schlechten Bedingungen arbeiten zu müssen. Hinzu kommt die eingeschränkte Zugänglichkeit zu Verhütungsmitteln, was noch mehr Kinder bedeuten könnte, welche ebenfalls ernährt werden müssen. Hier in Quito gibt es eine große Anzahl an Frauen, die keine Arbeit haben und Zuhause sind, wie in diesem Fall […] In den Institutionen arbeiten nur wenige Frauen, noch weniger afroecuadorianische Frauen. Wo ist der Rest? Sie sind Zuhause, kochen, passen auf die Kinder auf. Aber sie haben keine Chance auf Weiterbildung. Es fehlt ihnen jeglicher
Zugang zu diesen Ressourcen.
Wo bist du dem Sexismus schon mal begegnet?
Du begegnest den Sexismus hier oft. Wie schon gesagt: generell wird der Körper der Frau einfach sexualisiert. Wenn ich mich allerdings selbst in dieser Situation befinde, setze ich Limits – mit verbalen Mitteln, wie „fass mich nicht an“. Manche denken, dein Körper sei ein Objekt, das sie anfassen können, wie sie wollen.
Wie beeinflusst das dein Verhalten?
Ich glaube nicht, dass ich mich dadurch anders verhalte. Vielmehr würde ich sagen, dass sich mein Wunsch, Rechtswissenschaften zu studieren, verstärkt hat -ich will uns verteidigen und dafür Argumente finden. Wenn mir dann jemand begegnet, kann ich ihn aufklären. Mir geht es nicht darum, eine Person komplett zu verändern, sondern eher darum, überzeugende Argumente zu liefern […] z.B. dass es historisch nicht korrekt oder nicht faktenbasiert ist, Minderheiten für weniger wertvoll zu halten.
Was denkst du wäre eine Lösung?
Ich glaube die Lösung liegt in der Bildung. Mit den kleineren Kindern können wir gut zusammen arbeiten und mit ihnen über Sexismus und Rassismus sprechen, sowie über einen respektvollen Umgang. Die Weltanschauung der Größeren ist meistens schon „getrübt“, durch den Einfluss von Eltern oder dem sozialen Umfeld und sie sind verschlossener. Seitens der Regierung gibt es nicht viele Lösungsansätze. Vor allem wenn du nicht der vorherrschenden Meinung bist, wirst du, wie bereits gesagt, durch jemand ausgetauscht, der das ist. Momentan gibt es auch Gruppen, die sich für Abtreibung aussprechen. Sie werden aber nicht angehört. Wir versuchen gerade in den Universitäten, sowohl in öffentlichen als auch privaten, über Themen wie Rassismus, Sexismus und Feminismus etc. zu diskutieren, um auf diese Themen aufmerksam zu machen. Auch die Gewalt innerhalb der Ehe war ganz lange normal. Wegen seiner Rolle als Ehemann wurde dieser vor Gericht nicht mit Strafen belegt. Mittlerweile werden langsam die Gesetze für Frauen geändert, auch für afro- ecuadorianische und indigene. Aber Probleme wie ungleiche Bezahlung, sexualisierte Gewalt etc. betreffen uns alle. Nicht nur mich als afro-ecuadorianische Frau, sondern generell alle Frauen als Frau.
Caterina Baars ist mit dem Freiwilligenaustausch weltweit ICJA in Ecuador.
Interview über Rassismus und Sexismus von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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