Für schwarze Frauen wiegt die Hautfarbe besonders schwer

von Por Alba Trejo

(Lima, 30. Juni 2009, semlac).- Dilia Palacios ist die erste vom Präsidenten berufene Sonderbeauftragte, die der Ethnie der Garífuna angehört. Dank der Unterstützung der Vereinigung der Garífuna–Frauen besetzt die 31-jährige nun als einzige Angehörige dieser Ethnie einen Posten mit Entscheidungsbefugnissen innerhalb der guatemaltekischen Regierung.

Für die Sonderbeauftragte beruht die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung in diesem multikulturellen Staat hauptsächlich darauf, dass die Existenz eines schwarzen Bevölkerungsanteils immer noch nicht anerkannt ist. Sie meint, dass die Garífuna und insbesondere Garífuna–Frauen doppelt soviel Rassismus und Diskriminierung erfahren wie die Mayas.

Die Bevölkerung der Garífuna zählt etwa 5.000 Personen, wobei es ein zahlenmäßiges Übergewicht von Frauen gibt – auf 15 Frauen kommen nur 10 Männer. Die meisten Garífuna verlassen Guatemala als Jugendliche, da es keine Chancen für schwarze Menschen in diesem Land gibt, so die Meinung der Sonderbeauftragten.

SEMlac: Was bedeutet es, in einem Land, das von Rassismus und Diskriminierung gekennzeichnet ist, eine schwarze Frau zu sein?

D.P.: Im guatemaltekischen Kontext ist es erst einmal schwierig, das Schwarzsein, insbesondere der Garífuna oder von Frauen afrikanischer Herkunft, anzuerkennen. Für mich ist es in Guatemala ziemlich schwierig, eine Schwarze zu sein: Zum einen sind schwarze Frauen als Berufstätige nicht sichtbar und zum anderen waren wir niemals in der Rolle von Entscheidungsträgerinnen. Wenn bereits Maya–Frauen nur wenige Möglichkeiten haben – für uns sind sie noch geringer. Wir leben unter ärmlichen Verhältnissen, ohne Aufstiegschancen. Und mit uns verbindet man nur das Tanzen oder das Flechten von Zopfsträhnen. Zum Beispiel, wenn mich jemand anspricht, ist das Erste, was mir gesagt wird, dass ich sicher sehr gut tanzen könne; aber ich wurde noch nie nach meinem Beruf oder meiner Meinung zu einem bestimmten Thema gefragt.

F.: Ähneln Rassismus und Diskriminierung von Garífuna–Frauen dem, was Maya–Frauen erleben?

A.: Nein. Wir leiden stärker unter Rassismus und Diskriminierung. Das zeigt sich an zwei Aspekten: Erstens gibt es ein Problem mit der nationalen Identität: Wir werden hier nicht als schwarze Mitbürger und Mitbürgerinnen anerkannt, sondern man sieht uns stets als Menschen mit afrikanischer, jamaikanischer oder belizischer Herkunft. Es kommt niemandem in den Sinn, dass wir Guatemalteken und Guatemaltekinnen sein könnten. Und, wenn man Maya–Frauen dadurch beleidigt, dass man sie „Maria“ nennt, oder ihnen sagt, dass sie ihre Kleider wechseln sollten, weil sie stinken, dann wird uns Garífuna zugeschrieben, dass wir lediglich gutes Kokosbackwerk herstellen und die Punta tanzen können – oder schlimmstenfalls: dass wir immer nach Fisch riechen würden. Das ist eines der übelsten Stereotype.

F.: Führt dies dazu, sich selbst zu diskriminieren und sich auf ein Leben in einer Gemeinschaft zu beschränken?

A.: Nein, Selbstdiskriminierung gibt es nicht, nur, wir haben immer noch keine Möglichkeit gefunden, den Stein ins Rollen zu bringen. Die Bedingungen sind nicht dazu angetan, dass wir diese Situation grundlegend ändern und hinter uns lassen könnten. Und deshalb werden wir immer dort in Livingston – einer geografisch vom Rest des Landes eher isolierten und von den Garífuna bewohnten Stadt an der Karibikküste – leben. Es gibt dort keine Arbeit und gerade Mal eine Gruppe von Frauen, die Zöpfchen ins Haar flechten. Wovon reden wir hier? Von gleichen Bedingungen? Nein. Es gibt Möglichkeiten für die Bevölkerung der Maya, aber nicht für uns schwarze Frauen. Ich kenne kein sich selbst tragendes Projekt, das die Garífuna unterstützen würde.

F.: In welchen Aspekten ist die Diskriminierung der Maya–Frau und der Garífuna–Frau dieselbe?

A.: Bei den Themen Gesundheit, Infrastruktur und Bildung vielleicht, allerdings stehen wir immer hinten an. Wir sind die Letzten, denen man etwas zugute kommen lässt.

F.: Wie sollte Ihrer Meinung nach der Diskriminierung gegen die Bevölkerung der Garífuna und insbesondere gegen die Garífuna-Frauen entgegengewirkt werden?

A.: Man muss im Bildungsbereich intensiv an der Schaffung eines Bewusstseins als Bürger und Bügerinnen arbeiten und den Frauen Chancen anbieten. Nicht mal auf dem Gebiet der reproduktiven Gesundheit sind Kenntnisse vorhanden, denn es gibt keine Bildung. Die Frauen haben Angst, einen Pap–Abstrich, einen Test, mit dem sie auf Gebärmutterkrebs untersucht werden sollen, an sich vornehmen zu lassen, weil ihnen noch nie erklärt wurde, woraus dieser Test besteht und weshalb er durchgeführt werden sollte.

F.: Ist es um die sexuelle und reproduktive Gesundheit der Garífuna schlecht bestellt?

A.: Es gibt keine Kultur, es gibt keine Bildung dahingehend, dass es wichtig ist, medizinische Untersuchungen an sich vornehmen zu lassen. Mich beunruhigen solche Fälle im Hinblick auf die Krebsrate. Die Frauen haben jedoch schlichtweg Angst, sich untersuchen zu lassen. Beispielsweise bot man einmal eine medizinische Sprechstunde vor Ort an, aber keine einzige Garífuna–Frau erschien zur Untersuchung.

F.: Welche Rolle spielt der Machismus im Leben der Garífuna–Frauen?

A.: Er ist sehr viel stärker als in jeder anderen Kultur des Landes, würde ich sagen, denn er ist heimtückischer. Die Männer wollen immer der Kopf der Bewegung sein, das Äußern von Meinungen übernehmen und lassen die Frauen nicht zu Wort kommen. Genauso geht es auch hinter verschlossener Haustür zu: Es gibt Gewalt und familiäre Desintegration. Vielleicht weiß man nicht viel, weil die Frauen nichts sagen, denn unsere Kultur ist konservativ. Und mein Nachbar könnte seine Frau schlagen, während ich daneben stehe, aber ich will nichts davon wissen, weil es uns nicht gefällt, in Probleme verwickelt zu werden.

F.: Was sind die Gründe, für das geringe Selbstbewusstsein der Garífuna–Frau? Sind es der Machismus und die Gewalt gegen Frauen oder gibt es andere Ursachen?

A.: Ja, zum Teil sind das die Ursachen, aber es gibt immer noch das Thema der Diskriminierung, und damit kehre ich zum Ausgangsthema zurück. Man senkt ihr Selbstbewusstsein, wenn man ihr sagt, sie könne die Sprache nicht sprechen, wenn man sie nur mit dem Tanz der Punta verbindet, abgesehen von der Geringschätzung, die man ihrer traditionellen Kleidung entgegenbringt, weswegen viele Frauen – ganz gehorsam – diese Kleidung bereits abgelegt haben. Die Garífuna–Frau beschwert sich nicht und ist sehr vorsichtig mit dem, was sie sagen wird. Sie ist nicht sehr expressiv, hat viele Ideen, bringt sie aber nicht zum Ausdruck.

F.: Also wiegt die Hautfarbe schwer in Guatemala?

A.: Ja, die Hautfarbe spielt eine sehr große Rolle. Die abwertenden Ausdrücke sind sehr hart. Hier rufen sie dich „Schwarze“, aber in einer sehr respektlosen Weise, deshalb wollen wir auch Garífuna genannt werden. Die gegenwärtige Situation ist der Tatsache geschuldet, dass in Guatemala immer noch nicht akzeptiert wird, dass es Schwarze gibt. Für die schwarzen Frauen ist die Hautfarbe eine schreckliche Bürde. Doch sie lernen von dieser Situation auszugehen und sich neue Räume zu eröffnen. Deshalb ist mein Ratschlag immer gewesen, sich nicht aufgrund der Hautfarbe zu schämen, denn man kann sie sowieso nicht verstecken, sondern vielmehr: zu lernen mit ihr zu leben, hinaus in den öffentlichen Raum zu gehen und sich Chancen zu suchen.

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