(Santiago de Chile, 3. März 2020, Medio a Medio).- Unsägliche Äußerungen des chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera haben für Diskussionen über den sprachlichen Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt gesorgt. Seine Aussagen kamen auf, während das Ley Gabriela erlassen wurde. Das neue Gesetz erweitert den juristischen Rahmen des Tatbestands Femizid auf alle Tötungsdelikte an Frauen, die aus Hass-, Verachtungs- oder Missbrauchsmotiven in Bezug auf das Geschlecht geschehen.
Diverse feministische Organisationen machten ihrer Kritik an den Aussagen des Präsidenten Luft, in denen er auf die Schuld aus Perspektive der Opfer von Femiziden angespielt hatte, die Missbrauch und Gewalt erfahren. In diesem Zusammenhang hatte Piñera erklärt, dass es „manchmal nicht nur der Wille der Männer ist, zu missbrauchen, sondern auch die Rolle der Frauen, missbraucht zu werden“. All das, während er ein Gesetz erläuterte, das den rechtlichen Rahmen des Femizids erweitert und den Tatbestand auch auf Täter bezieht, die nicht Ehemann oder Partner des Opfers sind.
„Schuld ist der Staat, sind die Richter, die Bullen und der Präsident“
Die Koordinationsgruppe für die Proteste am 8. März wies die Aussagen über Instagram zurück: „Er erzählt uns mit einer Dreistigkeit, dass wir Frauen missbraucht werden wollen. Er, der denkt, dass sexueller Missbrauch ein Scherz ist, mit dem man seine Unternehmerfreunde zum Lachen bringt, erzählt uns, dass wir nur danach suchen, missbraucht zu werden. […] So etwas war und ist niemals unsere Schuld. Die Schuld liegt auf Seiten derer, die uns missbrauchen und vergewaltigen und bei den Institutionen, die sie schützen. Es ist der Staat, es sind die Richter, die Bullen und der Präsident“, erklärten sie.
Die feministische Gruppe Frente Feministas Poderosas reagierte auf ähnliche Weise auf die Aussagen und erklärte, hierbei handele es sich um eine „Ohrfeige für alle Frauen im ganzen Land.“ „Er ist unfähig, die unterschiedlichen Ebenen der Gewalt zu verstehen, der wir jeden Tag ausgesetzt sind“, ergänzte die Sprecherhin der Organisation, Estefanía Campos Figueroa. Die feministische Aktivistin betonte, dass „Präsident Piñera wieder einmal sein Desinteresse daran bekundet, konkrete öffentliche Politik gegen Gewalt an Frauen zu machen. Deswegen mobilisieren wir mit noch mehr Kraft für diesen feministischen März.“ „Wo er auch ist, wir werden ihn stellen und ihm das Leben schwer machen“, betonte die Gruppe mit Nachdruck.
Mit dem Kreislauf der Straflosigkeit soll gebrochen werden
Die Vereinigung feministischer Anwältinnen (ABOFEM) wertete die Ankündigung des Gesetzes als „einen normativen Wandel in dieser Angelegenheit.“ Gleichzeitig bezogen sie sich auf die Erklärungen des Präsidenten, derer nach „die Würde und das Leben der Personen sowie ihre körperliche Unversehrtheit Werte sind, derer wir uns alle jederzeit verschreiben müssen, unter allen Umständen und überall.“ Die Vereinigung kommentierte, „das staatliche Handeln hat in den letzten Monaten genau das Gegenteil gezeigt.“ „Man kann sich auf die Gewalt nicht auf so ambivalente Weise beziehen. Ein Staat, der seine Beteiligung an den Menschenrechtsverletzungen leugnet, die seit dem sogenannten gesellschaftlichen Knall (gemeint sind die anhaltenden Proteste seit dem 18. Oktober) laufend dokumentiert werden, kann das Recht auf ein Leben in Frieden nicht einfordern. So hat es Piñera vermittelt, ohne Lösungen für die eigentlichen Ursachen der gesellschaftlichen Unzufriedenheit voranzutreiben“, erklärte die Organisation. Sie fügten hinzu: „Wenn die Regierung ihren Erklärungen nachkommt, erwarten wir, dass sie mit dem Kreislauf der Straflosigkeit bricht, der für Verbrechen und die staatliche Gewalt gegen Frauen und andersdenkende Körper herrscht. Eine parlamentarische Anfrage an die Frauenministerin Isabel Plá wäre eine politische Instanz, um die staatliche Verantwortlichkeit und, im Besonderen, die nachlässige Rolle der Ministerin selbst anzuerkennen“.
Zuletzt äußerte sich noch einmal die Koordinationsgruppe für den 8. März: „Unser Wille ist deutlich: Auf Piñera kommt der feministische Generalstreik zu, bei dem wir in der ersten Reihe gegen den staatlichen Terror und gegen diese kriminelle und frauenfeindliche Regierung auf die Straße gehen werden.“
Feminist*innen über Piñera: „Wir machen ihm das Leben schwer“ von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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