von Sara Lovera
(Lima, 20. August 2009, semlac).- Während der ersten Tage nach dem Regierungsputsch am 28. Juni in Honduras sind die Morde an Frauen um 60 Prozent angestiegen. Und es gibt Hinweise, dass in einigen Gebieten kollektive Morde begangen wurden.
Im Jahr 2008 wurden 1149 Frauen umgebracht, mit einem Durchschnitt von 10.000 gemeldeten Fällen von Gewaltanwendung pro Jahr. Diese Daten wurden von Frauen-Nichtregierungsorganisationen gesammelt, aufgearbeitet und in einer Presseerklärung veröffentlicht. Sie widerlegen die offiziellen Zahlen, wonach im Vorjahr täglich ein Frauenmord registriert wurde.
„Die Gewalt gegen die Bevölkerung im Widerstand bedeutet immer ein Risiko für die Sicherheit der Frauen und führt zu zahlreichen Verletzungen der Menschenrechte“, meint Soraya Long, Menschenrechtsexpertin und ehemalige Mitarbeiterin des Zentrums für Justiz und internationales Recht CEJIL (Centro por la Justicia y el Derecho Internacional) in einem Interview mit dem Nachrichtenportal der Frau in Lateinamerika und der Karibik SEMlac (Servicio de Noticias de la Mujer de Latinoamérica y el Caribe).
Sie erklärte, dass diese Situation sich in den Ländern zeigen würde, in denen die Alltagskriminalität ansteigt oder die staatlichen Institutionen entscheiden, das Militär auf die Straße zu schicken. Letzteres ist in Honduras passiert.
Eingehend diskutiert wurde ein Bericht über die Gewalt gegen Frauen am Donnerstag, dem 27. August, von der Vereinigung zur Beobachtung der Feministischen Transgression OTF (Observatorio de la Transgresión Feminista), einem permanenten Zusammenschluss von Feministinnen aus Kanada, den USA, Mexiko, Guatemala, El Salvador und Costa Rica zur Beobachtung frauenpolitisch relevanter Ereignisse. Vertreterinnen der OTF trafen sich vom 17. bis zum 21. August in Tegucigalpa zu Gesprächen mit Repräsentant*innen der Europäischen Union, der Vereinten Nationen und staatlicher Organe, sowie Frauenorganisationen, der BürgerInnenbewegung, Verteidiger*innen der Menschenrechte, Anwält*innen und Akademiker*innen. Abschließend erörterten sie die feministische Praxis, die zunehmende Institutionalisierung sowie die politischen Einflüsse, die auf die Situation der Frauen wirken.
Rocibel Gómez, Vertreterin des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen UNIFEM in Honduras, meinte im Gespräch mit den Beobachterinnen, dass die Situation in Honduras die Grenzen der Gesetzgebung aufgezeigt habe, die aus Institutionen wie Kanzleien und Ministerien für Frauenrechte und spezialisierten Staatsanwaltschaften bestehe – sowie Gesetzen, die nur auf dem Papier existierten.
Demgegenüber erklärte Irma Grisel Amaya, oberste Staatsanwältin für Vergehen und Straftaten gegen Frauen, den Beobachterinnen, dass die intrafamiliäre Gewalt sowie die des Partners in den vergangenen Wochen zurückgegangen sei. Diese scheinbare Abnahme von Gewalt erklärte sie damit, dass die Frauen aufgrund der Ausgangssperre nicht zu den Polizeistationen gingen, um Anzeige zu erstatten, oder sich im innerhäuslichen Bereich Veränderungen bemerkbar machten.
Dass allerdings im Juli 51 Frauen ermordet wurden, habe in ihrer Kanzlei zunehmend Besorgnis hervorgerufen, so Amaya. Es wird vermutet, dass es während der ersten Tage des Putsches und der Aktionen der Polizei sowie des Militärs in verschiedenen Departments und Städten von Honduras zu mindestens zwei kollektiven Morden an Frauen gekommen ist: einmal wurden die Körper von vier und an einem anderen Ort von sechs ermordeten Frauen gefunden. Bisher gebe es keine ausreichenden Informationen zu den Gewalttaten. Und auf Nachfrage der Interviewerinnen gab die Staatsanwältin zu, dass es nur wenige Anzeigen gibt, die tatsächlich dokumentiert sind – ein Hinweis auf das Chaos, in dem sich die Putsch-Regierung befindet.
Schikane und Verfolgung in den Institutionen
Die De-facto-Regierung hat das Staatliche Institut der Frau INAM (Instituto Nacional de la Mujer), eine bedeutende Errungenschaft der honduranischen Frauenbewegung, funktionsunfähig gemacht. Als die Frauenrechtlerinnen versuchten, ihre bestehenden Rechte zu verteidigen, erhielten sie am 14. Juli die polizeiliche Repression als Antwort.
Laut der OTF ist dies eine der härtesten Konsequenzen des Staatsputschs für die Frauen. Das neue Regime setzte María Martha Díaz, eine der führenden Personen der Putschbewegung, an die Spitze des INAM. Mit ihrer Amtsübernahme wurde eine Reihe von Aktionen verordnet, die darauf abzielen, diese Institution zu schwächen.
Zwischen dem 14. und 15. Juli wurde das Institut komplett vom Militär besetzt, um die Frauenorganisationen und die Mitarbeiter*innen des INAM, die ihren Widerstand gegen den Staatsstreich ausdrückten, einzuschüchtern. Diese gaben die Ereignisse so wieder: Innerhalb weniger Tage wurden 16 Angestellte entlassen. Dabei handelt es sich in ihrer Mehrheit um Personal, welches die Ausführung der institutionellen Strategiepläne überwachte, die in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und im Rahmen internationaler Abkommen erstellt wurden. Das INAM arbeitete mit Finanzmitteln, die zu 90 Prozent aus der internationalen Zusammenarbeit stammen. Diese Gelder sind im Moment eingefroren, so die UNIFEM-Repräsentantin Rocibel Gómez, was vornehmlich auf die veränderte Ausrichtung der Institution zurückzuführen ist.
Gómez betonte, dass es notwendig sei, Polizist*innen, Richter*innen, Militärangehörige und staatliche Funktionsträger*innen zu sensibilisieren, „denn mit der Etablierung eines autoritäres Regimes werden alle Investitionen zunichte gemacht, die Ansichten zur Verteidigung der Menschenrechte der Frauen abgeändert und unterschriebene internationale Abkommen, Verträge und Erklärungen vergessen“.
Kei Arias, technische Leiterin und damit zweit wichtigste Person des INAM, wurde nur aufgrund einer Einigung des Staates mit den Frauenorganisationen eingesetzt. Obwohl sie vorbeugende Schutzmaßnahmen von der Interamerikanischen Kommission der Menschenrechte CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) erhält, ist sie ständigen Schikanen ausgesetzt, die das Ziel verfolgen, sie zur Aufgabe und Kündigung zu bewegen.
Nach Angaben verschiedener Menschenrechtsorganisationen gibt es derzeit Fälle von Schikane und politischer Verfolgung in verschiedenen öffentlichen Institutionen. Diese Aktionen richten sich gegen die Angestellten, die es wagen, sich gegen die neue Regierung und ihre Vertreter*innen zu äußern, oder sich widersetzen, an den Aktivitäten zur Unterstützung der Putschisten teilzunehmen.
Nach Meinung der OTF ist das, was im INAM passiert, insbesondere deshalb besorgniserregend, weil es scheint, dass man sich nicht nur unwillkommenen Personals zu entledigen versucht, sondern der Institution einen unwiderruflichen Schaden zufügen will. Quellen aus dem Inneren des Instituts geben an, dass in dem neu besetzten Ministerium für Soziales ein Antrag eingebracht wurde, das Institut zu schließen und die „Geschlechterfrage“ dem Innenministerium zu übertragen.
Die politische Verfolgung, die militärische Besetzung des INAM und die Repression gegen die organisierten Frauen, die ihre Errungenschaften und ihr Institut verteidigen, sind politische Ereignisse gewesen, die große Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Trotzdem hat die Staatsanwaltschaft für Frauenangelegenheiten des Innenministeriums bisher keinen Anlass gesehen, Ermittlungen einzuleiten, wozu diese zur Verteidigung der Frauenrechte laut Gesetz verpflichtet wäre.
Die große Frage ist nun, wie das Büro der Vereinten Nationen in Honduras der Kampagne ihres Generalsekretärs Ban-Ki Moons gerecht werden will – eine Kampagne zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen.
Anstieg der Frauenmorde, politische Verfolgung in den Institutionen von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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