Poonal Nr. 550

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 26. November 2002

Inhalt


ECUADOR

CHILE

ARGENTINIEN

PARAGUAY

MEXIKO

PERU

BRASILIEN

PUERTO RICO

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

LATEINAMERIKA


ECUADOR

Ex-Militär Gutiérrez zum Präsidenten gewählt

(Mexiko-Stadt, 25. November 2002, poonal).- Das Ergebnis fiel recht knapp aus: Mit 54,4 Prozent der Stimmen gewann der Ex-General Lucio Gutiérrez am vergangenen Sonntag (24.11.) die Präsidentschaftswahl gegen seinen Kontrahenten Alvaro Noboa, der 45,6 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte.

Bereits im ersten Wahlgang am 20. Oktober konnte sich Gutiérrez gegen den Bananenunternehmer Noboa durchsetzen, der als reichster Mann Ecuadors gilt. Seinen Erfolg verdankt der einstige Militär der Unterstützung sozialer und indigener Bewegungen im Land. Die sehr kampfstarke Indigena-Organisation Conaie, die in den letzten Jahren immer wieder mit Demonstrationen und Blockaden auf sich aufmerksam gemacht hat, stellte sich hinter Gutiérrez. Aber auch der Gewerkschaftsdachverband FUT und die kommunistische MPD unterstützten den Ex-General.

Der neue Präsident selbst gefällt sich in der Rolle des Patrioten, der die Interessen aller Ecuadorianer vertritt: „Ich fühle mich sehr wohl, unterstützt von all den Ausgeschlossenen, den Indigenas, den Bauern, Arbeitern, den Studenten, den ausgebildeten jungen Menschen, die keinen Arbeitsplatz haben, den ehrenwerten Unternehmern.“

Seinen ersten politischen Auftritt hatte Gutiérrez erst vor knapp drei Jahren: am 21. Januar 2000. Indigenas hatten damals gemeinsam mit rebellierenden Militärs einen Aufstand in Gang gesetzt, der zum Sturz des Präsidenten Jamil Mahuad führte. Gutiérrez unterstützte die Rebellion, die mit der kurzfristigen Machtübernahme durch ein Triumvirat endete, dem der Oberst angehörte. Doch nach wenigen Stunden setzten hohe Militärs der kleinen Volksregierung ein Ende. Gutiérrez trat aus der Armee aus und gründete seine Partei „Sociedad Pariotica 21 de enero“.

Diese „patriotische Gesellschaft 21. Januar“ soll nun den Staat aus der Krise retten. Vor allem den Kampf gegen die Korruption hat Gutiérrez auf seine Fahnen geschrieben. Doch um die marode Wirtschaft auf Vordermann zu bringen, wird er mehr aufbringen müssen. Der niedrige Weltmarktpreis des Hauptexportmittels Erdöl sorgte für Haushaltslöcher, und der Versuch, im Jahr 2000 die rasende Inflation mit der Ersetzung der heimischen Währung durch den Dollar zu stoppen, scheiterte: Unternehmer klagen seither über Exportprobleme, und die Armut ist von 65 auf 80 Prozent der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung gewachsen.

Wie sein Gegner Noboa führte Gutiérrez einen populistischen Wahlkampf. Während er sich vor dem ersten Wahlgang im November recht kritisch etwa gegenüber der geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA) äußerte und sich für ecuadorianische Interessen stark gemacht hatte, änderte er seine Positionen in den vergangenen Wochen zunehmend. So hatte er beispielsweise jüngst klargestellt, dass Ecuador auch weiterhin seine internationale Zahlungsverpflichtungen einhalten werde. Gutiérrez: „Ich denke, wir sollten weder ja noch nein sagen, solange wir nicht genau analysiert haben, was der ALCA ist, welche die Vorteile und welche die Nachteile sind, die dieser gemeinsame Markt für Ecuador bringt.“

Auch die Dollarisierung der heimischen Wirtschaft will er nicht antasten, und ebenso will der künftige Staatschef die umstrittene US-amerikanische Militärbasis in der Region Manta akzeptieren.

Die Hoffnungen der sozialen und indigenen Bewegungen auf eine grundlegende Änderung der wirtschaftsliberalen Politik des Andenstaates dürfte also aller Wahrscheinlichkeit nach enttäuscht werden. Sie fordern in ihrer Mehrheit einen Ausstieg aus den ALCA-Verhandlungen, die Rücknahme der Dollarisierung und sprechen sich gegen die US-Militärbasis aus.

CHILE

Neue Spannungen im Gebiet der Mapuche

(Santiago de Chile, 15. November 2002, anchi-poonal).- Am 12. November starb der junge Mapuche Edmundo Lemun Saavedra. Er wurde Opfer einer Metallkugel, die ihm laut den Ermittlungen des Falles von einem Beamten der Militärpolizei von Chile in den Kopf geschossen wurde. Diese Tat ereignete sich am 7.November, als eine Einheit der Militärpolizei bis zum Landgut „Santa Alicia“ in der Ortschaft von Ercilla im Süden der chilenischen Hauptstadt gelangte. Das Landgut wurde von Mapuche-Indigenas besetzt gehalten, die die Rückgabe ihrer Ländereien forderten. Es kam zu einer Auseinandersetzung, bei der die Militärpolizei begann zu schießen und Edmundo Lemun tödlich verletzte.

Wenige Tage zuvor wurde in Temuco während einer Aktion der Militärpolizei in Zivil mit unverhältnismäßiger Gewalt der Vorsitzende der Mapuche-Organisation Coordination Arauco-Malleco (CAM) Victor Ancalaf Llaupe verhaftet. Er wurde in ein Polizeirevier überführt und angeklagt, die Gesetze der Inneren Staatssicherheit verletzt zu haben, indem er an Demonstrationen und Aktionen von Widerstandsgruppen der Mapuche teilgenommen habe.

In diesen letzten Tagen werteten Presseberichte und Berichte von Mapuchegemeinschaften Schläge und Festnahmen indigener Menschen, die aufgrund des Todes von Edmundo Lemun an Protestdemonstrationen teilnahmen, als Ausdruck einer neuen Welle der Repression der Militärpolizei. Zehn Mapuche wurden während der Teilnahme an einer Protestkundgebung verhaftet, auf der sie vor dem Regierungspalast „La Moneda“ die chilenische Fahne verbrannten.

In einer Informationsschrift schreibt die Organisation für den Erhalt der Menschenrechte CODEPU, dass “ das Ereignis mit Edmundo Lemun das Schlimmste der letzten Jahre im Zusammenhang des Forderungsprozesses der Mapuche-Rechte war“.

Als Antwort auf die Rückgabe von Land und die entsprechenden Forderungen von Nutzungsrechten sind zahlreiche Gerichtsverfahren gegen Gemeindevertreter eingeleitet worden. Einige wurden bereits verurteilt. Viele Gemeinden sind Polizeiaktionen und nicht aufgeklärten Zivilübergriffen zum Opfer gefallen, in denen Gewalt gegen Personen und deren Eigentum ausgeübt wurde. Auch wurden Verfolgungs- und Einschüchterungsmaßnahmen durchgeführt, die sich gegen Gemeindevorsitzende oder Verwaltungsvertreter richteten. Die meisten dieser Übergriffe wurden weder ordnungsgemäß gemeldet noch von der Justiz verfolgt.

Mapucheführer und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen zeigen seit einiger Zeit repressive Aktionen der Carabineros unter Zuhilfenahme ihrer Spezialeinheiten GOPE bei der Polizei an. Zudem wurde sie über die Existenz einer paramilitärischen Gruppe mit dem Namen „Hernán Trizano“ (ein rassistischer Anführer der Carabineros) informiert, die sich wahrscheinlich aus Polizeibeamten und Forstunternehmensangestellten zusammensetzt.

Angesichts der letzten Vorkommnisse in Chile entsandte das Internationale Sekretariat der Weltorganisation gegen Folter einen Mittelsmann und forderte von der chilenischen Regierung, „einen umfassenden und unparteiischen Untersuchungsausschuss zu gründen, der die exzessiven Praktiken der Carabineros untersucht“. Vor allem soll er den Mord an Edmundo Lemun aufklären.

Der Ort des tragischen Geschehnisses ist ein Bauernhof, der zu dem forstwirtschaftlichen Unternehmen „Forestal Minico“ gehört. Dieses Unternehmen ist Teil des wohlhabenden Konsortiums der Familien Matte-Larrain, die sich das Land der Urbevölkerung angeeignet haben und die Wälder der Region unrechtmäßig abholzen.

In einem Informationsbüro äußert der politische Sprecher Elias Paillán vom Radioprogramm „Mapuche Wixage Anai“, dass das Verhältnis zwischen Mapuche-Indigenas und dem chilenischen Staat seit dem Mord an Lepun erneut in eine schwierige Phase getreten sei, in der Forderungen nach sozialen und kulturellen Rechten sowie Landforderungen der indianischen Bevölkerung weiterhin nicht erfüllt werden.

ARGENTINIEN

Argentinien zwischen korrupter Regierung und neuem Volksaufstand

Von Marcos Salgado

(Buenos Aires, 21. November 2002, npl).- In fünf Monaten soll in Argentinien eine neue Regierung gewählt werden. So der Plan der Übergangsregierung von Eduardo Duhalde, des provisorischen Präsidenten, der im Januar dieses Jahres vom Parlament ins Amt gesetzt wurde. Vorausgesetzt ist dabei, dass die explosive soziale Situation bis dahin nicht erneut in einen Aufstand mündet wie vor knapp einem Jahr, als zwei Präsidenten innerhalb einer Woche ihren Hut nehmen mussten.

Im Dezember 2001 hatten Millionen Argentinier gegen erneute Sparmaßnahmen und die Einfrierung ihrer Bankkonten protestiert und überraschend die sozialdemokratische Regierung, die zwei Jahre zuvor mit breiter Mehrheit gewählt worden war, gestürzt.

Wie damals fällt es politischen Beobachtern und Analysten auch heute schwer, das Geschehen in dem südamerikanischen Land zu interpretieren. Die soziale und wirtschaftliche Krise hat sich weiter verschärft, und die peronistische Regierung ist noch schwächer geworden, zumal sie nicht einmal demokratisch legitimiert wurde. Und dennoch herrscht ein Jahr nach dem Aufstand in dem einst reichsten Land des Subkontinents bei allem Elend eine erstaunlich Ruhe.

Eine Ruhe, die trügerisch sein könnte. Die ökonomischen Aussichten sind alles andere als ermutigend: Trotz leichter Erholung einiger Sektoren, vor allem im Exportbereich aufgrund der im Januar stark abgewerteten Landeswährung, gibt es kaum Anzeichen für einen Aufschwung einer Wirtschaft, die schon seit vielen Jahren dahin siecht. Auch wenn Wirtschaftsminister Roberto Lavagna sagt, dass die industrielle Produktion steige, sprechen die Zahlen eine andere Sprache: Lediglich der freie Fall der Industrieproduktion wurde gestoppt, was keinesfalls eine Erholung oder die Schaffung von Arbeitsplätzen bedeutet.

Andererseits berichteten Zeitungen vor wenigen Tagen, dass in einigen Provinzen Argentiniens erstmals Kinder an Unterernährung starben. Es waren keine Metaphern über neue Armut, sondern bitterer Ernst. Die ersten Fälle wurden aus dem nördlichen Tucumán berichtet, wo acht Kinder derart unterernährt waren, dass die Ärzte ihr Leben nicht mehr retten konnten.

Die dürren Beine und die riesigen Augen der Sechsjährigen, die nicht mehr als elf Kilo wogen, nahmen den Argentiniern – deren Land vor gerade mal 50 Jahren die Kornkammer der Welt war – das bisschen Stolz, dass ihnen noch geblieben war. Sofort startete Präsident Duhalde einen „Notfallplan“, um gegen die schlimmsten Fälle von Unterernährung vorzugehen. Dabei macht es den Eindruck, dass auch Duhalde von den verhungerten Kindern erst aus der Zeitung erfuhr. Chefin dieser neuen sozialen Initiative ist die Frau des Präsidenten, Hilda „Chiche“ Duhalde.

„Chiche“, derzeit Ministerin ohne Ministerium, wird zudem als zukünftige Vizepräsidentin gehandelt. Dass noch nicht einmal klar ist, welchem Präsidentschaftskandidaten sie sekundieren wird, ist im Klüngel der politischen Klasse Argentiniens nicht weiter erstaunlich. Sicher ist nur, dass es ein Peronist sein wird.

Noch herrscht bei den Peronisten großes Gerangel um die Frage, wer bei den Wahlen, die Duhalde kürzlich um einen Monat auf den 27. April 2003 verschob, kandidieren wird. Die besten Aussichten auf einen Wahlsieg werden dem früheren Formel-Eins-Piloten Carlos Reutermann eingeräumt. Doch der Gouverneur des Bundesstaates Santa Fe sagte mehrfach, er stehe nicht zur Verfügung. Mit José Manuel De la Sota und Néstor Kirchner stehen zwei weitere, weniger bekannte Provinzgouverneure auf der Liste. Und dann zwei wohl bekannte Ex-Präsidenten: Der „Fünf-Tage-Präsident“ vom Dezember 2001, Adolfo Rodríguez Saá, und Carlos Menem, der Argentinien bereits zehn Jahre lang regierte und vielen als der eigentliche Verursacher der dramatischen Krise gilt. Konsequent verspricht er noch mehr von seiner damaligen Rezeptur: Durchsetzung kompromissloser Sparmaßnahmen und aller Forderungen der Weltwährungsfonds IWF sowie Einsatz des Militärs gegen die zunehmende Kriminalität auf den Strassen.

Die eigentlich völlig diskreditierten Peronisten profitieren davon, dass es der Opposition nicht gelingt, jenseits der Strasse politische Alternativen zu formulieren. Der Versuch, eine breite Allianz zu bilden, scheiterte, bevor er richtig begann: Elisa Carrió, ehemalige Spitzenpolitikerin der traditionellen Radikalen Partei (UCR) und der charismatische frühere Trotzkist Luis Zamora hatten gemeinsam mit dem Gewerkschaftsdachverband CTA vergebens versucht, den Slogan des Dezemberaufstands „Que se vayan todos“ – „alle (Politiker) sollen abhauen“ in eine linke Wahlplattform zu übersetzen.

Sollten die Peronisten, Inbegriff für Korruption und den Ausverkauf des Landes, an den Urnen erneut die Macht gewinnen, hätte sich Argentinien einmal im Kreis gedreht – von „alle sollen abhauen“ hin zum „alle sind geblieben“. Doch ist dies nur eines der möglichen Szenarien. Ein anderes kann von einer Sekunde zur anderen Wirklichkeit werden, und nicht wenige glauben, dass die anhaltende Unzufriedenheit im Land sich bald wieder in einer sozialen Explosion Luft machen wird.

Das Hungerproblem verschärft sich

(Buenos Aires, 15. November 2002, adital-poonal).- Der durch Unterernährung verursachte Tod von acht Kindern in Tucumán löst in Argentinien Erschütterung aus. Tucumán ist der Standort der einst mächtigen Zuckerindustrie Argentiniens. Von 1,3 Millionen Menschen sind 257 000 hilfsbedürftig und 763 000 arm. Die Arbeitslosenrate liegt bei über 23 Prozent und die Unterbeschäftigung erreicht 20 Prozent.

Der Tod der Kinder provozierte eine Reihe von Anschuldigungen: Während die führenden Autoritäten in Tucumán die hohe Arbeitslosigkeit im ganzen Land verantwortlich machen, beschuldigt die Regierung in Buenos Aires die Autoritäten der Provinzen der schlechten Verwaltung der Ressourcen. „Das Problem hier ist die Arbeitslosigkeit von 50 Prozent der Bevölkerung zusammen mit einem bankrotten und zusammengebrochenen Gesundheitssystem“, sagte Juan Masaguer, Präsident des Gesundheitssystems der Provinz Tucumán. „Wir produzieren Nahrung für 300 Millionen Menschen, wir sind aber 37 Millionen und die Leute sterben uns am Hunger.

„Alle Sektoren der Wirtschaft müssen einbezogen werden, staatliche und private“, fügte er hinzu. Masaguar erklärte, dass, bedingt durch eine Nahrungs- und Gesundheitskrise, 85 Prozent beziehungsweise 400 000 Kinder in Tucumán unter Parasiten leiden.

Illegaler Waffenhandel aufgedeckt

(Buenos Aires, 15. November 2002, comcosur-poonal) – Nach dem Aufdecken des Waffenverkaufs an Kroatien, Bosnien und Ecuador ist das argentinische Militär in einen neuen Fall verwickelt. Diesmal handelt es sich um die ständige Lieferung von Gewehren Typ FAL (Version FSL), Maschinengewehren (FMK-3, PAM-1 und PAM-2) und militärischen Angriffsgranaten nach Brasilien. Alles sind Fabrikate, die von den argentinischen Streitkräften benutzt werden. Ein weiterer Umstand macht die Geschichte besonders heikel: Die Waffen wurden in den Morros von Rio de Janeiro, der Niederlassung der Drogenbosse, entdeckt.

Der mit dem Fall betraute Anwalt Ricardo Monner Sans sagte gegenüber dem Radiosender FM La TRIBU, dies beweise, dass Waffen- und Drogenhandel direkt miteinander verbunden seien. Das Kapitel Kroatien-Bosnien-Ecuador, das mit der Festnahme des Ex-Präsidenten Carlos Saúl Menem endete, zeige diese Verbindung nicht so linear auf. Diesmal allerdings schiene es leicht zu beweisen, dass die Waffen auf der Basis eines Tauschgeschäfts an die Chefs der Drogenhändler in den Morros von Rio de Janeiro gelangt seien.

Nach den Aufzeichnungen des Anwalts „befinden sich seit 1987 Waffen in den Händen der brasilianischen Unterwelt, aber die meisten stammen von 1993“. Die beschlagnahmten Waffen sind argentinischen Fabrikats und gelangten nur zu den Streitkräften, zur Kriegsmarine, Luftwaffe, Gendarmerie, Flottendirektion und der argentinischen Bundespolizei.

Die Frage ist natürlich: wie gelangten diese Waffen nach Brasilien? Monner Sans behauptet, die Verwicklungen seien verheerend. Das argentinische Militär verneinte dagegen eiligst jegliche Verbindung zu dem Deal. Aber, so Monner Sans, „das Gleiche sagte die Armee auch 1995, als ich den Fall des Waffenverkaufs aufnahm. Und 75 Prozent der Waffen stammte von ihnen.“

Eine eingehende Analyse soll nun klären, ob die Waffen direkt aus den Militärfabriken ihren Weg Richtung Brasilien nahmen – und wenn, wie? -, oder ob es sich um Waffen handelt, die jene Institutionen der Armee erhielten und ins Nachbarland weiterverkauften. Ebenso soll ermittelt werden, ob der Bericht, den die Gouverneurin von Rio de Janeiro dem argentinischen Konsulat übergeben und der eine Auflistung der Waffen beinhaltet hatte, an die argentinische Regierung weitergeleitet wurde oder nicht.

Strafrechtlich im Spiel sind bis jetzt der Missbrauch der Amtspflichten und die Veruntreuung öffentlicher Gelder, da derjenige Beamte bestraft wird, „der Gelder oder Ergebnisse unterschlägt, deren Administration, Wahrnehmung oder Aufsicht ihm aus Gründen seines Postens anvertraut wurden“.

PARAGUAY

Droht eine Wirtschaftskrise nach argentinischem Vorbild?

Von Adolfo Giménez

(Asunción, 19. November 2002, npl).- Die dramatische Wirtschaftskrise Argentiniens bedroht auch die Nachbarländer – nach Uruguay könnte auch das kleine Paraguay in Mitleidenschaft gezogen werden. Zumal Paraguay, neben Bolivien das einzige lateinamerikanische Land ohne Zugang zum Meer, zugleich eine politische Krise durchlebt, die seit Jahren wichtige Institutionen des Landes lähmt.

Seit über 50 Jahren regiert ein und dieselbe politische Clique das Land, die Colorado-Partei. Ihr Gründer Alfredo Strössner herrschte Jahrzehnte lang als Diktator nach Gutdünken. Paraguay blieb ein Agrarland, in dem der Industriesektor nur 14 Prozent der Wirtschaftskraft ausmacht, und die Mehrheit der Menschen lebt in sehr bescheidenen Verhältnissen. Mangels demokratischer Institutionen gelang es oppositionellen Kräften nicht, den Diktator zu stürzen – erst parteiinterne Intrigen veranlassten seine Flucht nach Brasilien Ende der Neunzigerjahre. Seitdem bekriegen sich zwei Fraktionen der Colorado-Partei mit allen Mitteln, was einigen Parteispitzen das Leben kostete, andere ins Exil zwang.

Die Lage im Land spitzt sich zu, seitdem die politische und wirtschaftliche Stagnation zu immer neuen Protesten der Bevölkerung gegen die Verarmung führt. Colorado-Präsident Luis Gonzáles Macchi hat kaum Handlungsspielraum, um den sozialen Forderungen vor allem im Bereich Erziehung und Gesundheit zu begegnen. Hinzu kommt, dass der Vizepräsident Julio Cesar Franco, der erstmals aus der oppositionellen Liberalen Partei stammt, kürzlich zurück trat, um bei den Wahlen kommendes Jahr kandidieren zu können, und so eine neue Regierungskrise auslöste.

Die Wirtschaftsbilanz ist ein Armutszeugnis für die Colorado-Partei: Erstmals seit langen hat Paraguay dieses Jahr ein Minuswachstum von drei Prozent zu verzeichnen, Entlassungen nehmen zu und statistisch gibt es jeden Monat mehr Menschen, die unter der Armutsgrenze leben müssen. Und es wird noch schlimmer kommen, da Brasilien und Argentinien im Oktober ihre Märkte für Fleisch aus Paraguay schlossen, da die Maul- und Klauenseuche erneut ausgebrochen sein soll. Damit steht der drittgrößte Wirtschaftszweig des Landes vor dem Kollaps.

Angesichts dieser Lage und aus Protest gegen neue Sparmaßnahmen, die die Regierung Macchi in Absprache mit dem Weltwährungsfonds IWF plant, nehmen die Proteste von Basisbewegungen zu. Seit einigen Jahren schon formiert sich diese Bewegung erfolgreich, nachdem die linken Kräfte Ende der Neunzigerjahre wegen Korruptionsskandalen innerhalb der Gewerkschaften weitgehend diskreditiert waren.

Mit der Plattform namens „Demokratischer Volkskongress“ (Congreso Democrático del Pueblo – CDP) trat die Bewegung im Sommer dieses Jahres erstmals geschlossen auf und verhinderte mit Demonstrationen und Streiks die Privatisierung der staatlichen Telefongesellschaft. Im September gelang es Gewerkschaften im Transportsektor, Preiserhöhungen bei Benzin und der Wasserversorgung rückgängig zu machen. Ein zweitägiger Generalstreik verhinderte wenig später Steuererhöhungen und die Verteuerung einiger staatlicher Dienstleistungen.

Die Regierung reagiert mittlerweile mit gezielten Aktionen gegen die organisierten Proteste. Immer wieder werden Aktivisten festgenommen. Doch inzwischen ist die Opposition stark genug, mit Streiks und Protestmärschen Paroli zu bieten. Zudem sind die Colorado-Politiker oft damit ausgelastet, ihre eigenen Intrigen zu spinnen. Allerdings ist bislang keine wirkliche Alternative zur Colorado-Regierung in Sicht, zumal auch die Liberale Partei Teil eines Staatsapparates sind, der in der Korruptionsskala der UNO einen der ersten Plätze einnimmt. Und sollte die Argentinienkrise in Paraguay Fuß fassen, wird es noch weiter bergab gehen.

MEXIKO

Acteal-Prozess beendet

(Montevideo, 15. November 2002, comcosur-poonal).- Nach einer Prozessdauer von fünf Jahren verurteilte ein mexikanischer Bundesrichter 19 Indigenas zu jeweils 36 Jahren Haft. Sie sollen in die in das Massaker an 45 Menschen in der in Chiapas liegenden Gemeinde Acteal verwickelt gewesen sein. Die Angeklagten wurden verurteilt wegen Mordes und schweren Menschenrechtsverletzungen sowie wegen des illegalen Besitzes von Schusswaffen, deren Gebrauch einzig dem Militär vorbehalten ist.

Das Massaker wurde am 22. Dezember 1997 verübt. 21 Frauen, 18 Kinder und sechs Männer kamen dabei ums Leben. Die Opfer gehörten der katholischen Gruppe „La Abejas“ (die Bienen) an. Sie wurden ermordet, während sie einen Friedensgottesdienst abhielten.

Insgesamt wurden 77 Personen in dem Fall für schuldig erklärt. Die anderen Schuldigen waren bereits zuvor verurteilt worden. Unter ihnen befindet sich der ehemalige Bürgermeister des chiapanekischen Landkreises Chenalho, Jacinto Arias. Ihm wurde vorgeworfen, die Waffen für das Massaker organisiert zu haben.

Der Fall hat zu Unstimmigkeiten geführt. Silvia Aguilera, Direktorin der „Mexikanischen Kommission zur Verteidigung der Menschenrechte“ kritisierte, dass der Prozess die strafrechtliche „Verantwortung von Mitgliedern der mexikanischen Streitkräfte außen vor gelassen hat, die zwar auf einer Militärbasis in der Nähe von Acteal stationiert waren, aber während des Massakers nicht einschritten. Vielmehr hat es unter den Militärs Zustimmung zu der Tat gegeben.“ Aguilera merkte ebenfalls an, dass die in das Massaker als Täter verwickelten Indigenas „wohl deshalb über Waffen aus dem Bestand der Streitkräfte verfügten, weil alles darauf hinzuweisen scheint, dass sie von Militärs ausgebildet wurden.“ Viele Nichtregierungsorganisationen haben Indizien zusammen getragen, die beweisen, dass die 19 jetzt verurteilten Indigenas paramilitärischen Verbänden oder sogar den berühmt-berüchtigen Todesschwadronen „Guardias Blancas“ (weiße Wächter) angehört hatten.

Maquilas ergreifen die Flucht

Von John Ross

(Mexiko-Stadt, 15. November 2002, na-poonal).- In Otay Mesa, Tijuana, wo japanische und koreanische Unternehmen wie Panasonic, Sony und Samsung Millionen von Fernsehern zusammenbauen ließen, sieht man überall in der Maquila-Zone Schilder mit der Aufschrift „zu vermieten“. Der Grund: Ganze Produktionslinien sind nach Asien zurückgekehrt. Im grenznahen Ciudad Juárez, dem zweiten Maquila-Zentrum des Landes, verloren in den ersten beiden Juliwochen 5.000 Arbeiter*innen ihre Stelle, während ein Duzend Montagefabriken Schichten strichen oder ihre Tore schlossen. Die US-Firma Scientific Atlanta entließ 1.300 Arbeiter und zog nach China um.

Nach den Worten den Nationalen Rates der Maquilaindustrie CNIME (Consejo Nacional de la Industria Maquiladora de Exportación) befindet sich diese inmitten der „schlimmsten Krise unserer Geschichte“. Zwischen Januar 2001 und vergangenem Juli verlor Mexiko fast 600 seiner 3.200 Montagefabriken und 250.000 Arbeitsplätze, und somit 15 Prozent der Arbeitskräfte in den Maquilas. Während der ersten vier Monate dieses Jahres gingen allein in Ciudad Juárez täglich 141 Arbeitsplätze verloren.

Die Mehrheit der Unternehmen verlagerten ihre Produktion nach China, wo sie Steueranreize, billige Materialien für die Produktion und kostenlosen Strom angeboten bekommen. Einige andere wandten sich nach Zentralamerika oder in die Karibik. Der mexikanische Wirtschaftsminister Luis Derbez drohte damit, China vor die Welthandelsorganisation (WTO) zu bringen, eine fast sicher zum Scheitern verurteilte Strategie, denn gerade die Aufnahme Chinas in die WTO hat die Flucht nach Asien ausgelöst. China bezahlt 0,40 US-Dollar pro Arbeitsstunde, in Tijuana betragen die Stundenlöhne etwa 1,20 US-Dollar. Mit dem miserablen Monatseinkommen von weniger als 200 US-Dollar ist Mexiko in einer gnadenlosen globalisierten Wirtschaft nicht konkurrenzfähig.

Die Löhne sind nicht der einzige Faktor für den Weggang der Maquilas. Mexiko wird schwer erschüttert von einer Welle der Kriminalität, und die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen sind enorm gestiegen. Ausländische Manager sind ein häufiges Ziel von Entführungen, und ständig werden Lastwagen geraubt. Die Firma Guess, die 20 Maquilas im Zentrum des Landes betreibt, drohte damit, in die Dominikanische Republik abzuwandern, nachdem ein Lastwagen mit 20.000 Hosen am helllichten Tag auf einer Landstraße im Bundesstaat Mexiko überfallen wurde.

Der Export von Handarbeit hat vor Jahren das Öl als Motor der mexikanischen Wirtschaft abgelöst. Fast die Hälfte der Produkte – allein im vergangenen Jahr wurden sie für 77 Milliarden US-Dollar an die Vereinigten Staaten exportiert – werden in Maquilas hergestellt. Präsident Fox will das Problem jetzt angehen, indem er den Fabriken Steuererleichterungen für die nächsten zehn Jahre verspricht. Zudem bietet er eine freie Einfuhr von Gütern und Materialien an, die zur Produktion gebraucht werden.

Im Zuge seines großartigen Entwicklungsprojekt Plan Puebla-Panama versucht Fox außerdem die Ansiedlung von Maquilas in Indígena-Regionen im Süden Mexikos voranzutreiben, wo Arbeitskraft billig ist. Die Perspektiven dafür sind allerdings nicht besonders gut. In der Fabrik TransTextil in Chiapas, gelegen an einer gefährlichen Bergstraße weit entfernt von den US-Märkten, verdienen 300 Frauen der indigenen Chamulas 60 Cent in der Stunde – 20 Cent mehr als chinesische Arbeitnehmerinnen.

Durch das Abwandern der Maquilas beginnen Wirtschaftswissenschaftler die zukünftige Rolle von Montagefabriken als Instrument der Entwicklung zu hinterfragen. Obwohl die Produktion der Montage in Mexiko in der absoluten Zahl der Exporte aufgeht, „sind dies keine mexikanischen Exporte an sich“, so Huberto Juarez von der Universität Puebla. Der Technologietransfer, den man immer für einen Vorteil bei der Vermehrung von Maquilas gehalten hatte, hat nie stattgefunden, und auch aus den möglichen positiven Folgen für die mexikanische Wirtschaft ist nicht viel geworden: 98 Prozent der Materialien für die Produktion werden außerhalb von Mexiko eingekauft. Und da die Industrie von der Nachfrage der US-amerikanischen Konsumenten abhängt, ist sie auch extrem empfänglich für wirtschaftliche Einbrüche auf der anderen Seite der Grenze.

Letztlich könnte das Abwandern der Maquilas noch einen Segen bedeuten, vor allem für die zerstörten 3000 Grenzkilometer mit den USA. Die unfruchtbare Wüste kann nicht länger 600 000 Arbeitsmigranten jedes Jahr aufnehmen, und der Industriemüll, der unkontrolliert in die Umwelt abgeht, stört das empfindliche biologische Gleichgewicht der Region. Eine Reduzierung der Maquilas würde es der Gegend zumindest ermöglichen, sich zu erholen.

PERU

Gesetz über die kostenlose Behandlung von Aids

(Montevideo, 20.November 2002, pulsar-poonal).- In Peru wurde ein Gesetzesvorschlag präsentiert, der die kostenlose Versorgung von Menschen erlauben soll, die mit HIV infiziert sind. Die Gesetzesinitiative vervollständigt das bestehende Gesetz hinsichtlich seiner bisherig beschränkten Rechte für von HIV bzw. Aids betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

Das vorgestellte Gesetzesprojekt wird die ambulante, stationäre und häusliche Versorgung für Tausende infizierter Peruanerinnen und Peruaner ermöglichen. Vor allem erhalten sie Zugang zur Beschaffung von Medikamenten, die auf Grund der überhöhten Preise vom Großteil der Betroffenen nicht gekauft werden konnte. Die Gesetzesinitiative soll außerdem dazu beitragen, Anstrengungen des nationalen Gesundheitssystems zu einen, damit eine effizientere Behandlung von Kranken gewährleistet werden kann.

Gegenwärtig würden etwa 10 000 von HIV bzw. Aids betroffene Personen eine sofortige Behandlung benötigen, da sie sich schon in der letzten Phase der Infektion befinden. Bis jetzt verstarben mehr als 5000 Männer, Frauen und Jugendliche an den Folgen des HIV-Virus.

BRASILIEN

Der Unterschied liegt in der Hautfarbe

(Rio de Janeiro, 20. November 2002, oficina de informações-poonal).- Vergangenen Mittwoch (20.11.) wurde in ganz Brasilien des Tages des Bewusstseins Schwarzer gedacht und an den schwarzen Widerstandskämpfer Zumbi erinnert. Zumbi war von 1675 bis 1695 Anführer eines Sklavenrefugiums in Serra da Barriga im nordöstlichen Bundesstaat Alagoas. Dieser Widerstand, getragen von mehr als 30.000 Geflüchteten, Schwarzen, Indios und armen Landarbeitern, fand in einem Gebiet von 300 Quadratkilometern statt. Er zählt zu den härtesten und ausdauerndsten Initiativen, die es in Brasilien gegeben hat.

Der 20. November wird seit einigen Jahren als Tag der Schwarzen Bewegung gefeiert, im Gegenzug zum 13. Mai, dem offiziellen Tag der Befreiung der Schwarzen aus der Sklaverei. An diesem Tag unterschrieb die Prinzessin Isabel 1888 das „Goldene Gesetz“. Mit der Begründung, die Befreiung aus der Sklaverei sei kein Geschenk mit Kusshand gewesen, das die Schwarzen dem zweiten Imperium zu verdanken hätten, suchte sich die schwarze Bewegung einen Gedenktag aus, der auf einen eigenen Helden basiert an ihre eigenen kulturellen Wurzeln erinnert. Den 13. Mai ernannten sie indes zum nationalen Tag im Kampf gegen Rassismus.

Die schwarze Bewegung kann auf einige Erfolge zurückblicken. Als Beispiel sei die offizielle Einführung des Feiertages am 20.November in Rio de Janeiro genannt, als ein weiteres die Einführung einer Quote in den Universitäten. Dennoch muss sich die schwarze Bewegung noch einen langen Weg bahnen, um soziale und ökonomische Gleichheit in Brasilien zu erreichen.

Vergangenen Dienstag (19.11.) veröffentlichte das Institut für intergewerkschaftliche Statistiken und sozioökonomische Studien Dieese zusammen mit dem staatlichen Institut für Datenvermittlung Seade ihren jährlich erscheinenden Bericht über die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt aufgrund von Hautfarbe. Dieser Bericht stützt sich auf eine monatlich erhobene Statistik über Arbeitslosigkeit und Arbeit in den Ballungszentren São Paulo, Salvador, Recife, Brasília, Belo Horizonte und Porto Alegre. Berücksichtigt wurden bei der Datenerhebung die Aussagen Dunkelhäutiger und Schwarzer.

Die Daten dieses Jahres belegen wieder einmal, wie diskriminierend die Situation in der brasilianischen Gesellschaft für Schwarze im Allgemeinen und im besonderen für schwarze Frauen ist.

Gesamtgesellschaftlich gesehen liegt die Arbeitslosenrate von Schwarzen immer über der von Weißen, während ihre Löhne immer geringer sind. Es wird unsicherer und unter schlechteren Bedingungen gearbeitet, und das selbst in Regionen, in denen die schwarze Bevölkerung die Mehrheit ausmacht, wie etwa in Salvador.

Im ersten Halbjahr lag die Arbeitslosenrate der schwarzen Bevölkerung in der Stadt São Paulo bei 23,9 Prozent, gegenüber 16,7 Prozent Arbeitslosigkeit unter Weißen. In der Hauptstadt Brasília lag die Quote bei 23 Prozent der schwarzen und 17,2 Prozent der weißen Bevölkerung, während der Anteil schwarzer arbeitsloser Frauen gar bei 25,2 Prozent lag. Im Durchschnitt verdienen Weiße in Brasilien 3,8 Mindestlöhne, Schwarze dagegen nur zwei.

In Hinblick auf die Arbeitsbedingungen sind es in der Mehrheit Schwarze, die ohne vertragliche Absicherung arbeiten, bzw. selbstständig oder in häuslicher Arbeit tätig sind. In Zahlen gesprochen betrifft dies in Recife 44,5 Prozent und in São Paulo 41 Prozent der schwarzen Bevölkerung, gegenüber 35,3 bzw. 31,1 Prozent der weißen Bevölkerung.

Auffällig sind die Ergebnisse, die die stärkste Diskriminierung in Salvador belegen, gerade in der Stadt, in der relativ gesehen am meisten Schwarze leben. Innerhalb aller statistisch erfassten Gebiete ist die Situation der schwarzen Bevölkerung in der Hauptstadt am besten, was daran liegen mag, dass besonders in Brasília Stellen über öffentliche Wettbewerbe vergeben werden. Auch der prozentuale Anteil Schwarzer in leitenden Positionen liegt in Brasília mit 12,7 Prozent höher gegenüber 10,3 Prozent in Salvador.

Weiteren Ergebnissen zufolge arbeiten Schwarze durchschnittlich früher als Weiße, wodurch ihre Möglichkeit der Schulbildung eingeschränkt wird. In Brasília arbeiten im Schnitt 15,5 Prozent der schwarzen Kinder im Alter von zehn bis 17 Jahren, während der Anteil weißer Kinder bei 13,3 Prozent liegt. Auch im Alter arbeiten Schwarze durchschnittlich länger und mehr. 61,2 Prozent gegenüber 56,1 Prozent Nicht-Schwarzer der über Vierzigjährigen bleiben an ihrem Arbeitsplatz.

Alle diese Zahlen belegen, warum der weltweite Wert für menschliche Entwicklung (IDH) der schwarzen Bevölkerung in Brasilien mit 0,680 viel niedriger liegt als der für Weiße mit 0,796 Prozent. Auf dieser Skala, erstellt durch das Programm für Entwicklung der Vereinten Nationen (PNUD), befindet sich die schwarze brasilianische Bevölkerung weltweit auf Platz 108, gegenüber Platz 48, den die weißen Brasilianer einnehmen.

Die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung in Brasilien bleibt subtil und offensichtlich tägliche Praxis. Die Regierung hat keinen Grund, sich einer gleichberechtigten Demokratie zu rühmen.

PUERTO RICO

Ein Projekt zur Armutsbekämpfung wird zum Modellfall

Von John McPhaul

(San Juan, 24. November 2002, npl).- Ein kleines Pilotprojekt zur Armutsbekämpfung in Puerto Rico macht Schule. Vor genau zehn Jahren organisierten engagierte Bewohner des Slums Cantera in der Hauptstadt San Juan eine Initiative, um gemeinsam Wohnungen, ein Gesundheitszentrum mit Bibliothek und ein Gemeindetreffpunkt für Schulungen und Veranstaltungen zu bauen.

Die harte Arbeit ohne große finanzielle Hilfen war ein voller Erfolg: Jetzt wird dieses Modell zu einem landesweiten Programm namens „Besondere Gemeinden“ mit einem Etat von einer Milliarde US-Dollar – in insgesamt 667 ausgewählten Armenvierteln sollen die Lebensbedingungen nach dem Vorbild von Cantera verbessert werden, verfügte Sila Calderón, Gouverneurin des Karibikstaates.

Ziel des ambitionierten Programms, das von einer staatlichen Bank und der Regierung Puerto Ricos finanziert wird, ist nicht nur der Aufbau von Infrastruktur. Schon in Cantera zeigte sich, dass Bildung der Schlüssel zum Erfolg ist. „Von Anfang an wurden Leute aus dem Stadtviertel ausgebildet. Sie sollten selbst die notwendigen Techniken lernen, und dann Planung und Durchführung des Projekts in die Hand nehmen,“ erläutert José Santiago, früher Lehrer an der Albert-Einstein-Mittelschule, die bei der Entwicklung des Projektes Pate stand. „Das Projekt ist viel mehr als Helfen und Häuserbauen. Erst wenn die betroffenen Menschen auch ausgebildet werden, können sie ihre Gemeinde voranbringen,“ so Santiago.

Das Slum Cartera entstand 1940, als die Industrialisierung auf der Antilleninsel Puerto Rico Tausende Landbewohner in die Städte lockte. Viele siedelten sich an den sumpfigen Ufern der Wasserstraße Martín Peña an und errichteten ihre ärmlichen Behausungen teilweise so eng beieinander, dass keine Straßen hindurch führen können. Mangels Müllabfuhr landeten immer mehr Abfälle im Wasser, so dass jetzt nur noch ein winziges Flüsschen mit ekelhaft stinkenden Abwässern durch das Stadtviertel fließt. „Wir haben das Problem verursacht, jetzt werden wir es auch selbst lösen,“ hofft Projektleiter José Santiago stellvertretend für die 20.000 Bewohner Canteras.

450 der 600 neuerbauten Wohnungen gingen an Familien, die unter unwürdigen Bedingungen am Fäkalkanal lebten. Die restlichen bekamen Familien, die aus dem Stadtteilzentrum wegzogen, um Platz für bessere Infrastruktur zu machen. Bald soll das Flüsschen erweitert werden, damit sich das Abwasser nicht mehr staut. Mit Ekel erinnert sich Luis Felipe, wie früher die Fäkalien vor seinem Haus entlang flossen und bei starkem Regen sogar ins Wohnzimmer fluteten. „Es ist viel besser geworden,“ sagt der 58-jährige Textilarbeiter, der als einer der ersten in eine etwas höher gelegene Wohnung ziehen konnte. „Wir mussten immer die Hosenbeine hochkrempeln, wenn wir das Haus verlassen wollten.“

Neben der Armut stellt der Drogenhandel das größte Problem in Cantera dar. Zwar kommen zumeist nur die Söhne der Wohlhabenden zu den bekannten Verkaufspunkten in dem Armenviertel, aber wenn es zu Bandenkriegen oder Razzien der Polizei kommt, geraten die Anwohner zwischen die Fronten.

Immer wieder kommen Jugendliche aus Cantera dabei ums Leben, als Unbeteiligte oder beim Versuch, ihr Auskommen als kleine Drogenkuriere etwas aufzubessern.

Auch hier zeigt sich, wie wichtig eine funktionierende Gemeinde ist: Einige der Drogenkuriere kennt José Santiago noch von der Albert-Einstein-Schule. „Wir kamen überein, dass sie uns in Ruhe lassen und wir sie in Ruhe lassen,“ erinnert sich der frühere Geschichtslehrer. „Und wir verlangten, dass sie die Kinder aus dem Spiel lassen.“ Wie effektiv diese sanfte Bekämpfung des Drogenproblems sein kann zeigte sich, als Mitglieder von Drogenbanden sechs Computer aus der Gemeindebibliothek stahlen. Santiago suchte sie auf und erklärte ihnen den Wert dieser Geräte für die Jugendlichen von Cantera. „Am nächsten Tag standen die Computer vor der Tür des Gemeindehauses.“

Die Erwartungen an die neue Initiative zur Armutsbekämpfung sind hoch. Das weiß auch Linda Colón, Direktorin des Programms „Besondere Gemeinden“: Wohnungen, Arbeit, Ausbildung, ein besseres Leben überhaupt. Sie mahnt, dass nichts überstürzt werden dürfe, zumal das Wichtigste, die Ausbildung, manchmal Jahre braucht. Derzeit habe die Schulung von Gemeindeführern und Entscheidungsträgern Vorrang, erklärt Linda Colón. „Aber wir stellen nur die Mittel und die Lehrer; die Teilnehmer selbst müssen die Prioritäten setzen und von Anfang an Entscheidungen fällen.“

Die Projektleiterin weiß auch, dass solche Programme nicht überall auf Gegenliebe stoßen. „Eigentlich schwimmen wir gegen den Strom, denn heutzutage ist es üblich, eher den Staat als Hilfsinstanz abzuschaffen und auf die Privatisierung der sozialen Belange zu setzen,“ sagt Colón. Doch bei einer offiziellen Arbeitslosigkeit von 13 Prozent und einem Schulwesen, an dem über 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht teilhaben, sei es richtig, dass der Staat Verantwortung übernehme, so Colón.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Jahrestag der Ermordung der Mirabal-Schwestern

(Santo Domingo, 24. November 2002 – textosdom) Am 25. November demonstrieren jedes Jahr Menschen in aller Welt, um auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Der Aktionstag wurde 1981 in Bogotá auf dem ersten feministischen Kongress lateinamerikanischer Frauen beschlossen. Seit ein paar Jahren finden auch in Europa an diesem Tag Aktivitäten statt.

Das Datum wurde von der dominikanischen Kongressteilnehmerin, der Schriftstellerin Angela Hernández, vorgeschlagen: An diesem Tag wurden im Jahre 1960 – vor zweiundvierzig Jahren – die Schwestern Patria, Minerva und María Teresa Mirabal auf Veranlassung des dominikanischen Diktators Raphael Leónides Trujillo umgebracht.

Die Tat wurde als Autounfall getarnt – eine damals auf der Insel übliche Praxis, um politische Gegner zu liquidieren. Die Mirabal-Schwestern waren Mitglieder der Oppositionsbewegung „14. Juni“. Ihr Tarnname: „Die Schmetterlinge“. Sie waren Anfang 1960 gemeinsam mit ihren Ehemännern verhaftet, aber dann im Gegensatz zu diesen freigelassen worden. Als sie vom Besuch ihrer Lebensgefährten nach Hause zurückkehrten, lauerte das Mordkommando.

„Minerva, Patria und María Teresa“, sagt Angela Hernández heute, „waren für uns ein Beispiel für das Spektrum von häuslicher, sexueller, politischer und kultureller Gewalt, unter denen wir Frauen zu leiden haben. Sie sind nicht nur umgebracht worden, weil sie im Widerstand gegen Trujillo waren, sondern auch, weil sie Frauen waren und sich immer wieder seinen Avancen verweigert hatten. Denn ein Teil der Tyrannei charakterisierte sich auch durch die sexuelle Ausbeutung von Frauen durch Trujillo.“

Die sterblichen Überreste von Minerva, María Teresa und Patria Mirabal sind heute im Garten des Elternhauses beigesetzt. Im dem weitläufigen Gebäude in der Umgebung der dominikanischen Kleinstadt Salcedo wurde am 25. November 2000 ein Museum zur Erinnerung an die ermordeten „Hermanas Mirabal“ eingeweiht. Der Geschichte der „Schmetterlinge“ hat die in den USA lebende dominikanische Schriftstellerin Julia Alvarez einen im Piper Verlag erschienenen Roman mit dem Titel „Die Zeit der Schmetterlinge“ gewidmet.

LATEINAMERIKA

Armut auf dem Vormarsch

(Santiago de Chile, 12. November 2002, adital-poonal).- Gegen Ende des Jahres weist alles darauf hin, dass es mit der Wirtschaft Lateinamerikas bergab geht: das Wachstum liegt nur noch bei 0.8 Prozent, die Armutsrate bei 44 Prozent und 20 Prozent der Bevölkerung leben in extremer Armut. Wie bereits im vergangenen Jahr führt Argentinien diese traurige Statistik an, aber auch Venezuela, Paraguay und Uruguay weisen Negativtendenzen auf. Allein in Peru und der Dominikanischen Republik wird es dieses Jahr etwas weniger Arme geben.

Bereits 1997 zeichnete sich das Ende einer Phase der positiven Wirtschaftsentwicklung in Lateinamerika ab, in der es den meisten Ländern möglich war, wichtige Erfolge im Bereich der Armutsbekämpfung zu erzielen. Aber von da ab bis zum Jahr 2000 (als die Zahl aller in Armut lebenden Menschen der Region 206,7 Millionen betrug) ging es kontinuierlich bergab. Einige Länder wiesen sehr geringe Wachstumsraten oder gar Negativbilanzen des Pro-Kopfeinkommens auf. Arbeitslosigkeit und stagnierende bzw. sinkende Einkommen sind die Effekte einer schwächelnden Konjunktur und einer schwindenden Dynamik des Marktes. Dazu kommt die wachsende Ungleichheit in der Einkommensverteilung, die dazu beigetragen hat, dass die Armut in der Region wieder auf dem Vormarsch ist.

Die Zahlen von Armut und extremer Armut entwickelten sich proportional zu denen des Wirtschaftswachstums: hatte sich die Zahl notleidender Menschen bis zum Jahr 2000 verringert, stieg sie in den folgenden zwei Jahren wieder beträchtlich an. Angesichts der verheerenden Situation hinterfragen jetzt einige lateinamerikanischen Regierungen das in der Jahrtausenderklärung der UNO gesetzte Ziel, die extreme Armut weltweit im Zeitraum von 1990 bis 2015 zu halbieren.

Andere lateinamerikanische Länder wie Chile und Panamá konnten die extreme Armutsrate programmgerecht reduzieren und auch Brasilien, die Dominikanische Republik und Uruguay haben wichtige Fortschritte erzielen können. Selbst Costa Rica, El Salvador, Guatemala und Mexiko erreichten zumindest 40 Prozent der anvisierten Steigerung des Einkommens der Ärmsten der Armen.

Die Wirtschaftskommission für Lateinamerika der UNO (CEPAL) errechnete, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 15 Jahre lang um etwa 2,7 Prozent jährlich steigen müsse, um das Ziel der Halbierung der Armutsrate zu erreichen. In den ärmeren Länder müsste diese Zahl 5,7 Prozent betragen, in den besser gestellten Regionen 2,5 Prozent. Einige der ärmsten Länder hätten praktisch keine Chance dieses Ziel zu erreichen.

Die CEPAL weist weiter darauf hin, dass die Wirtschafts- und Sozialpolitik der lateinamerikanischen Länder darauf ausgerichtet sein müsse, die Produktion zu fördern. Dabei müsse aber eine gleichmäßigere Einkommensverteilung angestrebt werden, damit ein wirtschaftlicher Aufschwung auch eine Verbesserung der Lebensqualität der ärmeren Schichten mit sich bringen würde.

 

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