Gerichtliches Komplott gegen LGBT-Aktivist

von Eva Koeppl

(Berlin, 24. Februar 2009, npl).- Am 23. Januar 2009 fand eine brisante Anhörung statt: Jorge López Sologaistoa, Vorsitzender der Organisation OASIS, die sich für Rechte von Schwulen, Lesben, Transgender und Bisexuellen (LGBT) einsetzt sowie in der AIDS-Arbeit aktiv ist, war vor das neunte Strafgericht in Guatemala-Stadt geladen. Er wird des versuchten Mordes angeklagt. Gerade Jorge López soll, so die absurd anmutende These des Gerichts, am 4. Juli 2008 die Transgender-Sexarbeiterin Áxel Leonel Donis González alias Laila versucht haben umzubringen. Laila wurde mit einer Stoßwaffe attackiert, sie wurde von mehreren Schlägen getroffen und beinahe hätte man ihr die Hände abgetrennt.

Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie der ruhige und überlegte Mann mit dem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn jemanden körperlich angreift. Die Vorwürfe gegen Jorge López erstaunen umso mehr, wenn man bedenkt, dass er jahrelang in der Arbeit für und mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender aktiv ist.

In den letzten Jahren hatte es in Guatemala eine Serie von Morden und Übergriffen auf Transgender-Sexarbeiterinnen gegeben. Jorge López hatte diese Morde immer wieder öffentlich angeprangert.

Die Anklage beschuldigt López vor allem deshalb, weil er sich zum Tatzeitpunkt bei derjenigen Gruppe von Menschen befunden hatte, die die Attacke führte. Jorge hatte Laila und die anderen Sexarbeiterinnen kurz vor dem Attentat noch vor möglichen Angriffen sowie allgemein vor der zunehmenden Welle der Gewalt gewarnt. Diese Warnung interpretiert die Staatsanwaltschaft scheinbar als Drohung.

Noch vor dem Gerichtstermin äußerte López die Vermutung, er werde durch die Staatsanwaltschaft und durch die Nationale Polizei (PNV) bewusst unter Druck gesetzt. Es besteht Anlass zu der Annahme, dass dem Menschenrechtler die Tat untergeschoben werden sollte. Die Gründe hierfür könnten unter anderem in den folgenden Ereignissen liegen:

Am 9. September 2008 reichte López bei der Polizeistation 11-14 in Guatemala-Stadt wegen einer Gruppe von Sexarbeiterinnen, deren Rechte verletzt worden waren, Beschwerde ein. Die Transgender hatten sich mit der Bitte um Unterstützung an OASIS gewandt. Sie waren Opfer illegaler Verhaftungen und Bedrohungen, Einschüchterungen und erniedrigender Behandlungen geworden.

Jorge López wiederholte am 3. Oktober 2008 seine Beschwerde gegen Mitglieder der Zivilpolizei und des Innenministeriums wegen Verfolgung und Einschüchterung der Sexarbeiterinnen. Die selbe Abteilung, die er beschuldigt hatte, erhob kurz darauf ihrerseits Anklage wegen Mordes gegen ihn. Am 4. November 2008 wurde der Haftbefehl erlassen.

Auch die Europareise, die die Menschenrechtsorganisation pbi (Peace Brigades International) López und der Sexarbeiterin Zulma, einem weiteren Mitglied von OASIS, ermöglicht hatte, mag der Polizei und der Staatsanwaltschaft wohl ein Dorn im Auge gewesen sein. Menschenrechtler vermuten, Jorge soll systematisch daran gehindert werden, seine Arbeit für die Gleichstellung von Transgender, Schwulen, Lesben und Bisexuellen weiterzuführen. Im Verlauf der Anhörung, die am 23. Januar stattfand, wurde schnell deutlich, dass nach den Aussagen eines Zeugen sowie des Opfers Jorge López Sologaistoa wohl kaum die Haupttat begangen haben kann. Dies musste auch Richter Nery Oswaldo Medina Méndez bestätigen. Der Richter sah sich jedoch genötigt, Jorge López wegen des Verdachts auf Verschleierung und Mitwisserschaft noch nicht aus dem Prozess zu entlassen. Ein Argument dafür lautete, der Angeklagte habe auch andere über den Angriff informiert. Außerdem schließt der Richter nicht aus, dass Jorge López die Identität der Urheber des Angriffs verschleiert. Deshalb verhängte er für sechs Monate einen unbewachten Hausarrest gegen López. Der Aktivist muss sich nun alle 30 Tage in den Räumen des neunten Gerichts melden. Nach dieser Frist wird endgültig entschieden, ob der Fall weitergeführt wird.

Menschenrechtsbeobachter*innen lehnen die “juristische Züchtigung” von Jorge López ab. Sie befürchten, dass dadurch die Arbeit von OASIS behindert werden soll. Die Präsenz der Behörde des nationalen Ombudsmannes (PDH) bei der Anhörung, die Anwesenheit von internationalen Beobachter*innen sowie die Tatsache, dass über die Menschenrechtsorganisationen mehr als tausend Briefe an den Generalstaatsanwalt José Amilcar Velasquez Zarate eingegangen waren, wirkte sich scheinbar positiv auf den Verlauf der Anhörung aus, so dass Jorge López nicht wegen versuchten Mordes verurteilt wurde.

Bei der Gerichtsverhandlung waren neben Vertreter*innen von Menschenrechtsinstitutionen auch Abgesandte der schwedischen, holländischen und deutschen Botschaft, von letzterer der Konsul höchstpersönlich, anwesend. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights First, L`Observatoire pour la Protection des Défenseurs des Droits de l’Homme, die Organización Mundial Contra la Tortura (OMCT) sowie die Federación Internacional de Derechos Humanos (FIDH) hatten auf internationaler Ebene dazu aufgerufen, in der Sache Jorge López Briefe an den Obersten Staatsanwalt zu schicken.

López kann seiner Arbeit jetzt weiter nachgehen, allerdings besteht nach wie vor besondere Besorgnis bezüglich seiner Sicherheit und seine ständige Begleitung durch die Menschenrechtsorganisation pbi wird fortgesetzt. Jorge López ist sich bewusst, dass er wegen seiner politischen Arbeit weder bei der Generalstaatsanwaltschaft noch bei der Nationalen Polizei beliebt ist und für ihn weiterhin akute Gefahr besteht.

Auf der Seite von Human Rights First kann ein aktualisierter Aufruf zur Unterstützung von Jorge López unterschrieben und weiterverbreitet werden.

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