(Fortaleza, 05. Oktober 2009, adital).- Soziale und zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Ixcán, einer im äußersten Norden des Landes an der Grenze zu Mexiko gelegenen Region im Department Quiché, äußerten sich besorgt über die Wiedereröffnung einer Militärbasis in ihrem Distrikt. In einer am 1. Oktober veröffentlichten Pressemitteilung lehnen sie die Remilitarisierung des Gebietes ab und fordern stattdessen die Regierung dazu auf, die Friedensverträge sowie bereits ratifizierte Menschenrechtsabkommen einzuhalten.
In der Erklärung der Organisationen heißt es, der Verteidigungsminister habe angekündigt, ab dem 29. Oktober auf dem Militärstützpunkt die sechste Brigade der Infanterie wieder anzusiedeln. Auf dem Gelände befinden sich seit dem Jahr 2004 Einrichtungen der Ministerien für Gesundheit und Bildung, wie das Gesundheitszentrum von Playa Grande, und eine Außenstelle der Wirtschaftsfakultät der Universität San Carlos.
Die Ablehnung dieser Maßnahme durch die Organisationen begründet sich zum einen auf die räumliche Zusammenlegung von zivilen und militärischen Institutionen, die nach internationalem Recht nicht zulässig ist. So heißt es in der Erklärung: „Solange sie nicht umgezogen sind, werden sich Gesundheitszentrum und Bildungseinrichtung innerhalb der Militärbasis befinden. Dies ist ein klarer Verstoß gegen internationale Rechtsgrundsätze, wonach es eine eindeutige Trennung von militärischen und zivilen Einrichtungen geben muss.“
Zum anderen befürchten die Organisationen durch die Militärbase auch eine Militarisierung der Gesellschaft, da die Präsenz derartiger Einrichtungen einem Klima von Autoritarismus, Machismus, Missachtung der Freiheitsrechte und Gewalt zuträglich sei. „Die Bevölkerung von Ixcán hat bereits während vieler Jahre unter der Militarisierung der Gesellschaft gelitten und will keinesfalls eine Rückkehr zu den Zuständen der Vergangenheit“, heißt es in der Erklärung.
Nach Auffassung der Organisationen leidet die Bevölkerung des Ixcán 13 Jahre nach dem 1996 unterzeichneten Friedensabkommen noch immer unter den Folgen der traumatischen Erfahrungen des Bürgerkrieges. Zwischen 1979 und 1988 hatte es im Bezirk Ixcán 102 Massaker gegeben, bei denen mehr als 2.500 Menschen umgebracht worden waren. Dies geht aus den Berichten der Wahrheitskommission CEH (Comisión de Esclarecimiento Histórico) und des Menschenrechtsbüros des Erzbischofs von Guatemala REMHI (Recuperación de la Memoria Histórica) hervor. 96 Prozent der Bevölkerung waren damals vertrieben worden. Die Bewohner*innen von Gemeinden, die vor Ort blieben, wurden militärischer Kontrolle unterstellt bzw. dazu gezwungen, an Militärpatroullien teilzunehmen.
Die Region war während des Bürgerkriegs vor allem von der Guerilla kontrolliert worden und ist bis heute schwer zugänglich. Die Schließung der Militärbasis im Jahr 2004 war Teil des Friedensvertrages von 1996.
Die Regierung begründe die Wiedereröffnung der Militärbasis mit dem Schutz der nationalen Grenzen, der Verbrechensbekämpfung, dem Kampf gegen organisierte Kriminalität und der Notwendigkeit, gegen die soziale Instabilität der Region vorzugehen, heißt es in der Erklärung des Organisationsbündnisses. Gleichwohl würden seitens der Regierung keine Maßnahmen für Bildung und Gesundheit und gegen die Straflosigkeit gefördert. Statt einer Militarisierung sollte die Zivilpolizei stärkt werden, da zurzeit 98 Prozent aller Straftaten nicht verfolgt würden. Gegenwärtig, so berichtet die guatemaltekische Zeitung prensa libre am 1. Oktober im Internet, würden für 100.000 Einwohner*innen lediglich 11 Beamte im Dreischichtsystem zur Verfügung stehen.
Die Organisationen fordern von der Regierung statt der Remilitarisierung einen gleichberechtigten Zugang der Bevölkerung zu Land, den Schutz der indigenen Territorien und eine lokale, nachhaltige Entwicklungspolitik, bei der die Wünsche der Gemeinden und die besondere Verbindung der indigenen Völker zu Land und Naturressourcen respektiert werden.
Nach Ansicht der Organisationen sei es kein Zufall, dass diese Region remilitarisiert werde. Sie sehen diesen Schritt der Regierung im Zusammenhang mit dem gigantischen Straßenbauprojekt FTN (Franja Transversal del Norte). Die 362 Kilometer lange Schnellstraße soll verschiedene Departments des Landes miteinander verbinden. Sie wird von Modesto Mendez im äußersten Osten des Landes quer durch das Land bis an die mexikanische Grenze führen.
Bei einem gleichfalls für den 28. und 29. Oktober geplanten Besuch des mexikanischen Präsidenten Calderón in Guatemala werden die beiden Staatspräsidenten mit dem ersten Spatenstich den Baubeginn der FTN eröffnen, berichtete die Zeitung El Financiero aus Santiago am 28. September in seiner Online-Ausgabe.
„Wir sind der Ansicht, dass es kein schlichter Zufall ist, sondern dass mit der militärischen Präsenz tatsächlich das Ziel verfolgt wird, die Bevölkerung gegenüber den Maßnahmen im Rahmen dieser Megaprojekte gefügig zu machen. Entlang der FTN sind weiträumig Großprojekte wie Wasserkraftwerke, die Suche nach Erdöl sowie dessen Förderung, Bergbauprojekte und Plantagen für Pflanzenkraftstoffe geplant. Die Anwesenheit des Militärs wird die Funktion haben, die wirtschaftlichen Investitionen zu schützen und abzusichern“, unterstreichen die Organisationen.
(Die Erklärung der Organisationen auf Spanisch kann hier nachgelesen werden: http://www.rebanadasderealidad.com.ar/caldh-09-02.htm
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