Manuel Zelaya: „In Honduras gibt keiner auf“

von Juan Manuel Karg

(Fortaleza, 28. Mai 2014, adital).- Vor Beginn des Interviews äußert sich Ex-Präsident Zelaya zu dem Augenblick, als er durch den Putsch von 2009 gestürzt wurde, und zieht eine Parallele zur Gegenwart, die Honduras durchlebt. „Ich war im Pyjama an jenem Morgen des 28. Juni: unter Maschinengewehrsalven warfen sie mich aus meinem eigenen Haus und aus dem Präsidentenamt. Mit Gewalt wurde ich außer Landes gebracht. Und heute haben mich dieselben Militärs auf Befehl derselben Putschisten mit Tränengas und Knüppelschlägen aus dem Kongress vertrieben.“

Die obige Bemerkung Zelayas zielt auf den gewalttätigen Rauswurf von Kongressabgeordneten seiner Partei Freiheit und Neugründung Libre (Libertad y Refundación) ab, als diese am 13. Mai forderten, an der Wahl für die Besetzung der Obersten Wahlbehörde beteiligt zu werden. Diesen Vorfall wird Zelaya im Verlauf des Interviews erneut als ein Beispiel aufgreifen das zeigt, wie Juan Orlando Hernández, der Anfang dieses Jahres gewählte Präsident von Honduras, mit der Opposition umspringt.

Exklusiv spricht der Ex-Präsident von Honduras, der die Hauptfigur der Opposition zur derzeitigen Regierung neben seiner Frau Xiomara Castro ist, über alles: die Beziehungen zu den USA; die Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung und zum Schaden der öffentlichen Hand; die Umsetzung einer „sozialen Säuberung“ gegen Jugendliche und Kinder im Land.

Was sind ihre Eindrücke hinsichtlich der ersten Regierungsmaßnahmen von Juan Orlando Hernández, Monate nach einer umstrittenen Wahl, von der Sie öffentlich gesagt haben, dass ihre Frau Xiomara um den Wahlsieg betrogen wurde?

Juan Orlando Hernández ist kein unabhängiger Präsident: er ist von der extremen Rechten der Vereinigten Staaten abhängig. Diese gibt ihm konkrete Anweisungen, um Mittelamerika und die Karibik zu kontrollieren. Seine Regierung ist außerdem aus einem skandalösen Wahlbetrug hervorgegangen, mit dem er landesweit lediglich 34 Prozent der Wählerstimmen auf sich ziehen konnte. Deshalb sah er sich gezwungen, sich zu rechtfertigen und hat von Tag zu Tag die schon jetzt übertriebenen Ausgaben an Propaganda und Werbung weiter erhöht.

Seine Regierung ist dabei, unser Land schnell und in aggressiver Weise zu militarisieren. Vor ein paar Tagen kündigte er den Kauf von Kampfjets mit der Begründung an, dass unser Nachbar El Salvador Flugzeuge angeschafft habe. Auf diese Weise redet er der Bevölkerung ein, dass sich möglicherweise ein Konflikt mit unserem Brudervolk abzeichnet. Das wäre fatal für den Frieden, in dem wir leben wollen.

Wie steht die honduranische Bevölkerung zu der von ihnen erwähnten Sicherheitspolitik der Regierung Hernández?

Seine Maßnahmen zur Militarisierung der Gesellschaft erzeugen ein allgemeines Misstrauen und Angst in der Bevölkerung. Er hat die Sicherheitspolitik in repressive Maßnahmen gegen jeden verwandelt, der sich seinen Plänen in den Weg stellt, einschließlich der politischen Opposition. Das alles wird umso deutlicher, wenn die Regierung zu den Aktivitäten von paramilitärischen Gruppen und Todesschwadronen auf unserem Territorium schweigt und gestattet, dass sie weiter voranbringen, was sie eine „soziale Säuberung“ nennen. Worin besteht diese „Säuberung“? In der Ermordung von Tausenden von Jugendlichen und Kindern, so wie es die internationale Menschenrechtsorganisation Casa Alianza bezeugt hat.

Was sagt die internationale Gemeinschaft zu diesen Tatsachen, die sie vorbringen?

Honduras wird heute von der UNO als das weltweit gewalttätigste Land eingestuft, insbesondere wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen. Das wurde von internationalen Organisationen versichert, von denen nur das US-amerikanische Außenministerium sich in Schweigen hüllt.

Wie beurteilen sie die wirtschaftliche Lage von Honduras und die diesbezüglichen Maßnahmen der derzeitigen Regierung?

Der Plan von Hernández besteht darin, die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen voranzutreiben: Landstraßen, Häfen, Flughäfen, Telekommunikation, Energie und Sozialversicherungen, und jede staatliche Wirtschaftstätigkeit eines Staates, die eh schon fast nicht mehr existent ist. Ohne Zweifel versucht er, die Wirtschaft des Landes und seine wichtigsten Quellen des Reichtums an das transnationale Kapital und an die privilegiertesten Teile der Privatwirtschaft zu veräußern. Darüber verarmt das honduranische Volk Tag für Tag mehr: die Armutsquote beträgt 70 Prozent.

Zudem ist der angekündigte Kampf gegen die Drogen einseitig und halbherzig und folgt den Richtlinien der US-amerikanischen Behörde zur Drogenbekämpfung DEA (Drug Enforcement Administration). Vom Putsch an bis heute haben ist Honduras für die Kartelle das bevorzugte Transitland für ihre Lieferungen in die USA.

Um auf ihre Anmerkungen vor dem Interview zu sprechen zu kommen: Was genau ist im Kongress vorgefallen, als sie die Beteiligung an den Wahlen für die Wahlbehörde forderten?

Auf Befehl von Hernández hat ein Bataillon von Militärs, das vor kurzem als Eliteeinheit gegründet wurde – die so genannte Militärpolizei -, unbewaffnete Bürger und Abgeordnete angegriffen, die sich mit uns in der Mitte des Saales des Nationalkongresses aufhielten. Sie haben uns mit Schlägen und Tränengas aus dem Gebäude vertrieben. Wir haben uns gewehrt, ohne dabei unseren friedlichen Protest aufzugeben.

Libre ist der Regierung ein Dorn im Auge, weil sie keine Opposition gebrauchen können bei der Vollstreckung ihrer Pläne zur Unterwerfung der honduranischen Bevölkerung und der Aneignung unseres Territoriums.

Wie wollen Sie und ihre Partei dem begegnen? Glauben Sie, dass das honduranische Volk an Ihrer Seite stehen wird?

Libre fühlt sich moralisch und zahlenmäßig stark. Die Mehrheit des Volkes, einschließlich anderer Oppositionsparteien – weiß, dass seit den letzten Wahlen ein skandalöser Betrug zugunsten der herrschenden Elite und gegen Xiomara Bestand hat. Diese Frau hat bewiesen, dass sie die mutigste und beliebteste in Honduras ist. Wir machen weiter, trotz der allgegenwärtigen Belagerung, der wir durch die öffentlichen Attacken von Herrn Hernández ausgesetzt sind. Hier sind wir, nach wie vor. Sie haben uns nicht aufhalten können, denn hier gibt keiner auf.

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