von Natasha Pitts
(Fortaleza, 10. Juli 2014, adital).- Im Jahr 2004 begann Kolumbiens Regierung, die Privatinitiative im Ökotourismus zu fördern, um mit deren Unterstützung eine nachhaltige Entwicklung in verschiedenen Regionen des Landes in die Wege zu leiten. Heute, zehn Jahre später, ist von einem Nutzen nichts zu erkennen, vielmehr wurden Schäden verursacht. Die Organisation „Red Territorios Visibles“ prangert an, dass in mehreren Fällen die örtliche Bevölkerung Landrechte verloren hat. Kolumbiens Regierung müsse die Betroffenen entschädigen.
Landraub erhielt einen legalen Anstrich
Die Förderung der privaten finanziellen Beteiligung an ökotouristischen Dienstleistungen innerhalb des kolumbianischen Nationalparksystems sollte eigentlich gezielt die Gemeinden vor Ort und Basisorganisationen mit einbeziehen. So sollten der Tourismus gefördert und gleichzeitig Gelder eingenommen werden, mit denen die fragilen Ökosysteme geschützt und eine nachhaltige Entwicklung vorangebracht werden sollte. Doch eine Bilanz der Initiative fällt ernüchternd aus. Das “Red Territorios Visibles” bezweifelt, dass die Regierung seinerzeit redliche Absichten verfolgte. Der interne bewaffnete Konflikt befand sich auf einem Höhepunkt, Landraub und Zwangsvertreibungen waren an der Tagesordnung. Es entwickelte sich ein Modell des Ökotourismus, das die Lebensformen der lokalen Bevölkerung und zahlreiche Ökosysteme in hohem Maße gefährdet.
Investor*innen wissen nichts über lokale Gegebenheiten
Als einen der gravierendsten Fälle nennt das „Red Territorios Visibles“ den Tayrona-Nationalpark an Kolumbiens Karibikküste. Dieser zählt zu den meistbesuchten Nationalparks des Landes. Die Privatunternehmen, die hier in touristische Projekte investierten, wüssten jedoch wenig bis nichts über die örtlichen Zusammenhänge und die Landkonflikte.
Der maritime Nationalpark Corales del Rosario y de San Bernardo auf dem karibischen Archipel Islas del Rosario hat negative Auswirkungen auf den traditionellen Lebensraum afrokolumbianischer Gemeinschaften, deren Lebensraum ohnehin schon begrenzt ist. Die Mobilität der Menschen wird durch den Nationalpark weiter eingeschränkt. Wollen sie Ressourcen nutzen, droht ihnen eine Strafe wegen unerlaubten Eingriffs in die Natur.
Vorspiegelung, Naturparadiese seien menschenleer
Das Netzwerk kommt zu dem Urteil: „Das ist die andere Seite der Realität, von der viele Tourist*innen nichts mitbekommen. Die Orte, die die Besucher bestaunen, sind seit langer Zeit bewohnt. Hier hat es immer wieder Landkonflikte gegeben, die zu Einschränkungen führten und den Widerstand der lokalen Bevölkerung hervorriefen. Den Ökotourist*innen werden Landschaften als leere Räume verkauft, obwohl hier Hunderte von Familien leben. Damit werden die Präsenz und der Beitrag der Menschen zu diesen Landschaften unsichtbar gemacht. Es handelt sich um einen Angriff auf ihre territoriale Autonomie, die sie Jahrzehnte lang verteidigen konnten.“
Das Netzwerk fordert daher von der Regierung, dass es eine Entschädigung bei negativen Begleiterscheinungen durch den Ökotourismus gibt. Es müsse ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen den Rechten und der territorialen Autonomie einerseits und dem Tourismusbereich andererseits. Das Mindeste sei, dass die betroffene Bevölkerung bei Ökotourismus-Projekten hinzugezogen werde.
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