Fairer Kaffeehandel – Mehr als nur eine Nische?

von Markus Plate, Mexiko-Stadt

(Berlin, 11. Juni 2009, npl).-

Mächtige Interessengruppen im Norden und im Süden verhindern einen faireren Welthandel

Kaffee war und ist eines der wichtigsten Exportgüter Guatemalas. Für Guatemalas Oberschicht, die fast den gesamten Landbesitz kontrolliert, war Kaffee im späten 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert eine wahre Goldgrube. Und zwar eine, die rücksichtslos ausgebeutet wurde. Zunächst wurden die Kleinbauern und –bäuerinnen im Kaffeegürtel vertrieben, dann gab es sogar Gesetze, die „zum Wohl der Nation“, Menschen zum Arbeitsdienst auf den Kaffeeplantagen verpflichtete. Ausgebeutet wird auf den Besitztümern der Kaffeebaron*innen immer noch. Über Niedrigstlöhne und das de facto Verbot gewerkschaftlicher Betätigung. Aber es gibt auch andere Kaffeebauern und –bäuerinnen und es gibt Möglichkeiten fairen Kaffee zu trinken.

Huehuetenango ist ein Departement an der Grenze zu Mexiko. Von der gleichnamigen Provinzhauptstadt gräbt sich die Panamericana durch immer tiefer werdende Schluchten Richtung La Mesilla, zur Grenze. Hier im Tal, und an den Berghängen, säumen Kaffeefelder den Weg. Keine Großplantagen, wie an den Küstenhängen, sondern kleine Fincas bestimmen das Bild. Kaffee–Fincas, die sich hier in Kooperativen zusammengeschlossen haben. Wir besuchen zwei davon, eine in La Democracia kurz vor der Grenze und eine in La Libertad, ein paar Kilometer vorher, oberhalb der Hauptstraße gelegen.

„Viele Familien sind ziemlich arm, sehr arm sogar – die Leute hier zerbrechen sich den Kopf darüber, wie sie ein paar Centavos mehr verdienen können“, sagt Douglas, Chef der Kooperative in La Libertad. Einige pflanzten Mais, andere Bohnen für den Eigenbedarf, einige Gemüse – aber das sei alles für den Eigenbedarf, mehr nicht. Ein Auto kaufen, Medizin kaufen oder eine private Schulbildung bezahlen, das geht davon nicht. Die 750, 1000 Quetzales im Monat reichten zum überleben und vielleicht für ein winziges bisschen mehr, aber mehr auch nicht.

Weniger als Hundert Euro verdient ein kleiner Kaffeebauer bzw. eine Kaffeebäuerin im Monatsschnitt am Kaffee. Das ist selbst in Guatemala verdammt wenig. Vor zehn Jahren war das mal mehr. Aber damals lagen die Produktionskosten für einen Zentner Kaffee noch bei 15 bis zwanzig Euro und der Kaffeepreis lag bei 90. Heute liegen die Produktionskosten dreimal so hoch, der Kaffeepreis ist aber gefallen. Weniger als Hundert Euro Verdienst, weniger als der miserable gesetzliche Mindestlohn für Landarbeiter*innen und davon soll man noch leben können?

Bauern und Bäuerinnen verdienen kaum mehr als 100 Euro im Monat

Der Kaffee ermögliche es dem kleinen Produzenten immerhin, sein eigenes kleines Geschäft zu besitzen, meint Luis von der Kooperative La Democracia. „Er geht aufs Feld und bestellt es, pflanzt Mais und Gemüse an, hat zum Beispiel Hühner. Er hat also nur geringe Ausgaben. Aber wenn man nur darauf schaut, was der Bauer an Geld im Monat zur Verfügung hat, dann ist das natürlich sehr wenig.“

Ein bisschen mehr können die Bauern und Bäuerinnen durch fair gehandelten Kaffee verdienen. FairTrade, Kaffees mit diesem Label, zum Beispiel von Gepa, gibt es ja mittlerweile in jedem europäischen Supermarkt. In Guatemala arbeitet Gepa mit FEDECOCAGUA (Federación de Cooperativas Agrícolas de Productores de Café de Guatemala) zusammen, dem Dachverband der kleinen Kaffeeproduzent*innen. Auch die Kooperativen in La Libertad und La Democracia mit ihren 50 bis Hundert Familien sind hier Mitglied. Ulrich Gurtner, der Vorsitzende von FEDECOCAGUA, ein Schweizer, erklärt den Vorteil von FairTrade.

FairTrade garantiert Mindestpreis

In den letzten Jahren sei ja reichlich Geld vorhanden gewesen, um über Spekulationen die Börsen zu manipulieren, dadurch seien im normalen Handel sogar bessere Preise erzielt worden. Und das habe den Fairen Handel in Gefahr gebracht. „Aber dieses Jahr sehen wir es ganz klar: Seit die Börse so richtig runter knallte, sind FairTrade Produkte viel besser bezahlt.“ Jetzt zahle sich aus, dass der FairTrade einen Mindestpreis bezahle, was bei der normalen Marktschwingung nicht möglich ist. FairTrade, so Gurtner, ermögliche den Bauern und Bäuerinnen nachhaltig über fünf, zehn Jahre regelmäßig Kaffee zu produzieren. Und wenn man dann nach zehn Jahren bilanziere, dann sei der Durchschnittspreis weit über dem durchschnittlichen Weltmarktpreis.

Der FairTrade Mindestpreis liegt derzeit bei 1 Dollar und 26 Cents pro Pfund Kaffee. Steigt der Weltmarktpreis über dieses Niveau, zahlt FairTrade aber mindestens den Weltmarktpreis. FEDECOCAGUA verkauft rund ein Drittel des von den Kooperativen produzierten Kaffees an FairTrade. Nur ein Drittel. Aber das gibt den Bauern zumindest ein bisschen Preis–Sicherheit, auch wenn auf Grund der gestiegenen Produktionskosten 1 Dollar 26 immer noch verdammt wenig sei, sagt Luis: „Wir würden uns freuen, wenn FairTrade ein größeres Volumen hätte. Aber das beeinflussen ja nicht wir kleine Produzenten, das hängt nun mal vom Gewissen der Verbraucher*innen im Norden ab. Wenn du in Deutschland uns kleine Produzenten in Guatemala unterstützen willst, dann kaufst du ein Pfund fair gehandelten Kaffee. Aber wenn dich das nicht interessiert, dann kaufst du eben konventionellen Kaffee. Natürlich wäre es auch gut, wenn FairTrade höhere Preise garantieren könnte. Aber die Verbraucher im Norden sind nicht bereit, dies zu bezahlen.“

„Verbraucher sind nicht bereit, mehr zu bezahlen“

Das ist das Problem: Höhere Preise sind in Europa kaum durchzusetzen, erhöht FairTrade die Preise, sinkt sein Marktanteil. Auch mit FairTrade sind die Bauern und Bäuerinnen diejenigen, die in der Kaffeekette am wenigsten verdienen. Etwa 80 Eurocent bekommen sie für ein Pfund Kaffee. Der deutsche Finanzminister freut sich dagegen, ohne etwas dafür zu tun, über einen Euro zehn pro Pfund, die Kaffeesteuer machts möglich. Oben drauf kommt noch die Mehrwertsteuer. Und dann verdienen natürlich die europäischen Röster und die Handelskonzerne. Also bleibt das meiste im Norden. Fair scheint das nicht, FairTrade hin oder her. Was gibts für Alternativen? Fedecocagua könnte selbst gerösteten Kaffee exportieren. Geht nicht, denn der deutsche VerbraucherInnengeschmack will eine Kaffeemischung aus Sorten aus aller Welt, sagt man beim FairTrade–Kaffeeanbieter Gepa. Dann gibt es noch organischen Kaffee aus Chiapas oder Nicaragua, vertrieben über Soligruppen in Deutschland, noch mal eine Ecke teurer als FairTrade aus dem Supermarkt. Das geht in Guatemala aber auch nicht, denn: „das Hauptproblem ist, dass unsere Böden hier relativ schlecht sind und dass es daher schwer ist, das organische Material für den nötigen Bio–Dünger zu gewinnen“, weiß Douglas aus La Libertad. „Selbst wenn ein Bauer organischen Kaffee produzieren wollte, direkt nebenan sind weitere kleine Produzenten, die Chemie einsetzen und den organischen Kaffee damit verunreinigen.“

Und so sind Versuchungen groß, den Kaffee an ganz andere Händler zu verkaufen. Das organisierte Verbrechen, vor allem der Drogenhandel floriert in Huehuetenango. Auf dem Weg von La Democracia nach La Libertad passieren wir ein völlig zerschossenes Auto mit zwei durchsiebten Insassen drin. Opfer von Bandenkriegen – vielleicht – wer weiß?! Das Drogengeschäft wirft enorm viel ab und das Geld muss ja irgendwie gewaschen werden. Douglas berichtet:

Geldwäsche per Kaffee

„Letztes Jahr sind zwei Leute gekommen und haben einigen Kleinbauern hohe Summen geboten, 50 bis 80 Quetzales über dem Marktpreis und auch höher, als FairTrade bezahlt. Die Narcos interessiert es ja nicht, dass sie bei diesem Handel ein bisschen Geld verlieren, denen geht es darum, das Geld zu waschen. Mit dem gekauften Kaffee gehen sie zu einem Kontor und sagen: ‚Schau, ich hab hier tausend Zentner Kaffee, wie viel gibst du mir dafür?‘ Das Geld können sie dann ganz einfach zur Bank bringen, es ist ja aus dem Kaffee–, nicht aus dem Drogenhandel. Und der Kleinbauer, der seine 50 Zentner im Jahr produziert, der kann es sich nicht leisten, seine Ernte dahin zu bringen, wo höhere Preise bezahlt werden. Also versucht er den Kaffee vor Ort zu verkaufen. Und da sind 50 Quetzales über Marktpreis natürlich ein verlockendes Angebot! Na, und wir als Kooperative können uns nicht den Luxus erlauben, offen gegen die Narcos anzureden. Du hast ja gerade die Toten unten auf der Hauptstraße gesehen. Aber wir erklären unseren Leuten natürlich, was ein realer, gesunder und nachhaltiger Preis ist.“

Fazit: FairTrade kann den Bauern und Bäuerinnen stabile Preise garantieren. Außerdem gibt es noch einen Sozialbonus, der von den Kooperativen für Schulungen. Umwelt– oder Infrastrukturmaßnahmen verwendet werden kann. Aber das Volumen von FairTrade ist viel zu gering, als dass alle Kleinbauern und –bäuerinnen in den Genuss kommen könnten. Außerdem garantiert FairTrade zwar einen festen Abnahmepreis, auf die gestiegenen Produktionskosten von Dünger bis Benzin habe aber auch FairTrade kaum reagiert, so die Bauern. Und zuletzt: FairTrade hat überhaupt nur bei Kaffee und Tee einen einigermaßen nennenswerten Marktanteil. Der Löwenanteil der guatemaltekischen Agrarproduktion wird nach wie vor konventionell gen Norden exportiert: Und konventionell heißt: Ziemlich unfair!

Kleine Kaffeeproduzent*innen und ein großer Skandal

Ein pikanter, aktueller Nachtrag: Mitte Mai 2009 sorgte in Guatemala das mittlerweile weltweit bekannte Rosenberg–Video für Aufregung, in dem ein Anwalt posthum den Präsidenten Guatemalas für seinen Tod verantwortlich macht. Was hat das mit dem Kaffee zu tun? Im Video wird auch der Verkaufsleiter von FEDECOCAGUA, der Kooperativen Vereinigung, beschuldigt. Kurze Zeit später reitet die Staatsanwaltschaft bei Fedecocagua ein und beschlagnahmt großzügig Unterlagen. Der Chef der Vereinigung der guatemaltekischen Kaffeeproduzent*innen ANACAFE (Asociación Nacional del Café), traditionell der Kaffeeverband der Großgrundbesitzer*innen, ist ein gewisser Christian Rasch, Deutscher in zweiter Generation, enger Freund von Rosenberg und Gegner von Präsident Colom. Denn Colom gilt als Förderer der kleinen Kaffeekooperativen, ANACAFÉ hingegen beobachtet die Förderung der Kooperativen mit erheblichem Argwohn. Ulrich Gurtner, der Vorsitzende von FEDECOCAGUA, schreibt uns zu dem Thema folgendes: Es dürfe eben nicht sein, dass die Kleinbauern – und bäuerinnen ihren Kaffee direkt vermarkten können und dabei noch eine öffentliche Finanzierung erhalten. Das müsse nun mit der haarsträubenden, erlogenen und perversen Rosenberg Geschichte korrigiert werden, damit die Kräfteverhältnisse wieder zugunsten der traditionellen Oberschicht zu Recht gerückt wird. Vom unfairen Welthandel, das zeigt die Geschichte einmal mehr, profitiert nicht nur der Norden, sondern auch die Oligarchien in vielen Ländern des Südens, die ihren Arbeiter*innen Hungerlöhne zahlen und die (fast) alles dafür tun, damit der Welthandel NICHT fair wird.

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