Gemeindeaktivist*innen bekämpfen Rassismus und sexistische Gewalt

von Helen Hernández Hormilla

(Lima, 26. Mai 2014, semlac).- Afrokubanische Frauen aus den Vierteln von Havanna sind von mehrfacher Diskriminierung betroffen, aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder ihrer wirtschaftlichen Lage. Daher haben sie die nötige Erfahrung, um Initiativen zu ihrem “Empowerment”, zur Stärkung ihrer Situation zu starten. Wie zum Beispiel im Außenbezirk Balcón Arimao: Hier werden auf Gemeindearbeit spezialisierte Leute, Kulturbeauftragte und Bewohner*innen monatlich zu Konferenzen eingeladen, um die Binsenweisheiten auseinanderzunehmen, mit denen in Kuba der Rassismus gestützt wird.

“Geglättetes Haar steht dir besser”, hat einmal eine nahestehende Kollegin zu Marita López gesagt, ohne sich bewusst zu sein, damit das Selbstwertgefühl dieser Gemeindeaktivistin verletzt zu haben. Für López steht fest, dass das westliche Schönheitsideal ein Modell ist, das schwarzen und mestizischen Frauen Tag für Tag aufgezwungen wird. Ständig erleiden nichtweiße Kubanerinnen herabsetzende Urteile über ihr Haar, ihre Gesichtszüge und ihren Körper, aufgrund eines aus der Sklavenzeit stammenden und nach wie vor vorhandenden Rassismus – obwohl die kubanische Verfassung seit vier Jahrzehnten die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe verbietet.

Schulungen für Fachkräfte über Rassismus

“Schwarze Frauen werden mit abschätzigen Witzen, der Reproduktion von Stereotypen und von den Medien verächtlich behandelt, bis es zu einer verinnerlichten Praxis wird”, versichert die Obfrau des Nachbarschaftsnetzwerks der Afrostämmigen RBA (Red Barrial Afrodescendiente). Seit November 2012 führt sie Schulungen für örtliche Führungspersonen zum Thema Herkunft und Gegenwart des Rassismus durch.

Jeden Monat werden Fachkräfte, Hausfrauen, Künstler*innen, Pensionärinnen und Beamte des öffentlichen Dienstes in den Außenbezirken der Hauptstadt zu Konferenzen eingeladen, die darauf spezialisiert sind, die rassistische Diskriminierung bloßzustellen und auszugrenzen, und Verbindungen mit anderen Formen der Ungleichbehandlung aufzuzeigen. Dann werden die erworbenen Kenntnisse im familiären und sozialen Bereich weitergetragen mit der Idee, das Bewusstsein über Rassismus in ihren Gemeinden zu verstärken.

Schwarze verteidigen ihre Rechte

“Das Geschichtswissen der schwarzen Menschen auf Kuba berechtigt dazu, unsere Rechte zu verteidigen, weil es uns bewusst macht, wie schlecht wir behandelt werden”, erklärt die Kulturprojektleiterin des Bezirks La Lisa im Westen von Havanna, Irma Castañeda.

Sie nutzt das Wissen, das sie von ihrer Mutter gelernt hat, um mit natürlichen Substanzen krauses Haar zu behandeln und leicht zu flechten. So will sie mit neun weiteren Haarkünstlerinnen den Schönheitssalon “Rizos” (dt. Locken) gründen, mit Kosmetikprodukten für schwarze und mestizische Frauen aus der Nachbarschaft. “Wir wollen ihnen zeigen, dass ihr natürliches Haar ebenso schön ist, denn die Mehrheit der Friseurläden ist darauf ausgerichtet, sie wie weiße Frauen zu stylen, und in den Geschäften finden sie keine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Produkte”, erklärt die Aktivistin.

López ihrerseits denkt, dass diese in der Probephase befindliche Initiative dem Selbstwertgefühl der von der rassistischen Kultur betroffenen afrostämmigen Frauen helfen könnte.

Schwarze Frauen mit negativen Stereotypen belegt

“Das Bild der schwarzen Frau in der kubanischen Gesellschaft hat zu allen Zeiten auf der Grundlage von negativen Stereotypen bestanden. Ihnen wurden Gewalt, Skandale, Pöbeleien, Gesetzlosigkeit und Promiskuität zur Last gelegt”, schrieb die Essayistin Inés María Martiatu in einem 2010 von der Zeitschrift Movimiento veröffentlichten Artikel. Auch die Medien reproduzieren rassistische Ressentiments, indem sie fast immer nur weiße Frauen repräsentieren; in einem Land, in dem sich 35,9 Prozent von fast 11,2 Mio. Bewohner*innen als SchwarzeR oder MestizIn bezeichnet gemäß der Volks- und Wohnungszählung von 2012.

“Mit den schwarzen Frauen gibt es einen aggressiven Umgang, der ungehobelter ist schmerzhafter ist, sogar bei Komplimenten”, warnt Alfredo Sánchez Saavedra vom Kreativ-Projekt Trance, welches im Netzwerk RBA integriert ist. “Wenn du wegen der Hautfarbe von der Kultur verleugnet wirst, erfahren deine Arbeit und deine Fähigkeiten keine Anerkennung. Es ist eine Form der Gewaltausübung”, denkt der plastische Künstler.

Die schwarzen Frauen stellt man sich gleichzeitig als unterwürfiger vor, denn historisch waren sie Sklavinnen und hatten weniger Zugangsmöglichkeiten zur Bildung. “Auch wenn viele über ihren Schatten gesprungen sind, so legt die Gesellschaft ihnen nahe, klein bei zu geben und dem Ehemann alles durchgehen zu lassen, um die Familie zu erhalten”, meint die pensionierte Professorin Hildelisa Leal.

Das RBA-Netzwerk sucht neue Sinnbilder

Beatriz Hernández Morán, eine von fast 200 beim Projekt mitwirkenden Personen, hat sich bereit erklärt, mit anderen Großmüttern Schürzen anzufertigen – ein von schwarzen Frauen traditionell getragenes Kleidungsstück – um so Anerkennung für die Hausarbeit ihrer Vorfahren zu fordern. Die Gestaltergruppe “La Muñeca Negra”, die unter der Leitung der Malerin Margarita Montalvo dem kubanischen Fonds für Kulturgüter angeschlossen ist, rettet afrokubanische weibliche Gottheiten vor dem Vergessen mit der Technik des Pappmaschee.

Kunsthandwerkerinnen der Nachbarschaft Pogolotti in Marianao bekleiden die typische schwarze Puppe, die fast immer als Sklavin oder Heilige ausstaffiert ist, als Stewardess, Ärztin, Krankenschwester oder Soldatin. Das Netzwerk ist so zu einem Raum für die Schaffung von Allianzen zur Bekämpfung der Diskriminierung geworden.

Diskriminierung der Afrokubaner*innen besteht weiter

Untersuchungen stimmen darin überein, dass die afrostämmige Bevölkerung in Machtpositionen und in neu entstehenden Wirtschaftszweigen Kubas unterrepräsentiert ist. Gleichzeitig erhalten ihre Familien weniger Geldsendungen aus dem Ausland und stellen die Mehrheit der in Armut lebenden Bevölkerung.

In dem 2012 veröffentlichten Buch “Aktuelle kubanische afrostämmige Bevölkerung” (“Población afrodescendiente cubana actual”) versichert die Forscherin Gisela Arandia, dass diese Bevölkerungsgruppen “in den Häusern mit dem schlechtesten Zustand leben, in den am schlechtesten bezahlten Jobs arbeiten und nicht die gleiche öffentliche Anerkennung erfahren”. In der Hauptstadt Havanna, in der mehr als zwei Millionen Schwarze und Mestiz*innen leben, konzentrieren sich deren Wohngebiete laut der Volkszählung von 2012 auf die entlegenen oder überfüllten Bezirke.

Rassismus als Tabuthema in Kuba

Obwohl der Rassismus jahrzehntelang ein Tabuthema war, weil er mit der Revolution von 1959 als überwunden galt, sind in den letzten Jahren Untersuchungen zum Thema in Kuba veröffentlicht und von Aktionen zivilgesellschaftlicher Gruppen, fast immer aus der Intellektuellenschicht begleitet worden. Das RBA-Netzwerk hat die Forderungen nach Gleichstellung aus dem universitären Gehege geholt und weitere Aspekte mit eingebunden, wie die Ungleichbehandlung der Geschlechter und das Gewaltproblem, welches in den Vierteln besonders deutlich hervortritt.

Die Afro-Feministin Daisy Rubiera, Beraterin des Projektes, glaubt, dass das Empowerment der Gemeinden auf Diskriminierung im Alltag treffen wird. “Wenn wir sagen, dass es das Bewusstsein ist, was sich am schwersten ändert, dann sollten sich unsere Aktionen darauf konzentrieren, damit jede ihren persönlichen Weg findet zur Überwindung des Rassismus und des Machismo, von dem er oder sie betroffen ist”, erklärt sie im Interview mit SEMIac.

Für Hildelisa Leal sind die in den Projekten eingebundenen Frauen bereits fähig, sich dem Macho-Rassismus zu stellen. “Wir alle, Männer wie Frauen, haben unsere Identität wiederentdeckt und lernen, die Vielfalt und die Unterschiede zu akzeptieren”, denkt die Aktivistin, die eine der Leiterinnen des Projektes ist. “Es ist eine Forderung, die uns als Kubanerinnen und Kubaner von heute angeht, denn jede Form von Diskriminierung ist ein gesellschaftlicher Ballast”, fügt Maritza López hinzu. “Wir senden keine Botschaft des Hasses, sondern der Liebe”, verficht die Spezialistin des Gemeindehauses Paulo Freire. Es liegt in dem Viertel Balcón Arimao de La Lisa; dort, wo das Netzwerk entstanden ist.

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