von Milagros Salazar
(Lima, 01. Januar 2011, noticias aliadas).- Im Bereich der Umwelt gibt es ein fast selbstmörderisches Verhalten. Der Automobil-Park im Land wird durch benzinbetriebene Gefährte, die schädliche Abgase verursachen immer größer, die Wälder werden geplündert und Wasserquellen werden an Bergbau- und Ölprojekte vergeben.
“Die Welt hält keinen Missbrauch mehr aus, denn das wird uns immer teurer zu stehen kommen,” so Pedro Gamio, ehemaliger peruanischer Vizeminister für Energie. Er ist überzeugt davon, dass Peru sein Potenzial bei erneuerbaren Energien ausnutzen sollte um sich der Umweltkrise zu stellen, die die Menschheit heute durchlebt.
Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist unvermeidbar
“Der Klimawandel stellt uns vor einen Modellwandel: Man muss vom Öl unabhängig werden, um auf angemessene Weise die Sonne, den Wind und das Wasser für die Energieerzeugung zu nutzen, ohne Umweltschäden und ohne soziale Schäden zu verursachen”, betont Gamio, der jetzt Regionaldirektor von Global Village Energy Partnership GVEP für Lateinamerika und die Karibik ist.
Obwohl es fatalistisch klingt, ist der Ökonom Oscar Ugarteche der Meinung, dass die Finanzkrise der USA nicht nur eine Wirtschaftskrise in der Welt ausgelöst hat, sondern eine “epochale Krise”, eine historische Krise, welche die Zerstörung der Umwelt und die Notwendigkeit eines technologischen Wandels in der Energiegewinnung ins Zentrum der Debatte rückt.
“Solange die energetische Grundlage an fossilen Brennstoffen nicht massiv durch saubere Energien ersetzt wird, wird man nicht mit Sicherheit von einer globalen Wiederankurbelung der Wirtschaft sprechen können”, schreibt Ugarteche im Artikel “Die Epidemie begann in den USA” (enthalten im Jährlichen Bericht von Oxfam über Armut, Ungleichheit und Entwicklung). Und da irrt er sich nicht.
Die kritische Obergrenze für die konventionelle Energie, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt wird, rückt immer näher. Gamio ist sich sicher, dass die Ölreserven in 45 Jahren erschöpft sein werden, weshalb der Preis für diese Ressource in den letzten Jahren in die Höhe geschossen ist. Zumindest im offiziellen Diskurs ist es für die Experten und Behörden nicht mehr länger aufzuschieben, endlich unabhängig vom Öl zu werden. Denn die Ölreserven neigen sich dem Ende zu und verschmutzen die Umwelt.
Der peruanische Präsident Alan García, der eine aggressive Öffnung des Amazonasgebietes für die Erkundung und die Förderung von Gas und Öl durchgesetzt hat, versprach im September 2010 vor der UN-Vollversammlung in New York, dass im Jahr 2021 die erneuerbaren, nicht konventionellen Energien vierzig Prozent der Gesamtenergie des Landes ausmachen werden. Ist ein solches Versprechen möglich?
Erneuerbare Energien im Schneckentempo
Die Gesamtenergie Perus – einschließlich der Erzeugung von Elektrizität, dem Verbrauch für Transport, industrielle Aktivität u.a. – besteht zu fast 73 Prozent aus fossilen Brennstoffen: 44 Prozent sind Erdöl und 29 Prozent sind Erdgas. Gemäß der Logik der Regierung erreichen wir fast 23 Prozent an “erneuerbaren” Energien, wenn man darin die Energie einschließt, die durch die großen Wasserkraftwerke erzeugt wird (obwohl diese Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Gesellschaft haben), sowie durch den traditionellen Brennholzverbrauch.
Das Land rechnet mit einem jährlichen Elektrizitätsbedarf von 4.400 Megawatt pro Jahr, von denen fünf Prozent durch erneuerbare, nicht-konventionelle Energien gedeckt werden müssen, wie Windkraft, Solarenergie und Energiegewinnung aus Biomasse (Nutzung organischer und nicht-organischer Abfälle). Diese Ziel muss seit dem Jahr 2008 gemäß der Vereinbarungen im Gesetz 1002 zu erneuerbaren Energien eingehalten werden.
Jaime Gianella, Leiter des Technologie-Unternehmens Monder, das auf agroindustrielle Projekte und Energie aus Biomasse spezialisiert ist, ist der Ansicht, dass die Biomasse aus landwirtschaftlichen Abfällen ein großes energetisches Potenzial darstellt. Zwischen 2000 und 2007 machte die Primärenergie, die in den Abfällen von vier Anpflanzungen an der Küste steckt, darunter Rohrzucker und Baumwolle, im Durchschnitt 70.000 TeraJoules im Jahr aus. Jedes TeraJoule entspricht 278 Megawattstunden an Primärenergie. Eine solche Menge an Energie würde es laut Gianella erlauben, einen Vorgang, der 859 Megawatt braucht, während 7.000 Stunden im Jahr zu versorgen. Dies ist eine ähnlich hohe Energieleistung wie die des zentralen Wasserkraftwerks am Fluss Mantaro im Zentralgebirge. Das Kraftwerk ist Hauptenergiequelle von Perus Hauptstadt Lima mit ihren neun Millionen Einwohnern.
“Es geht darum, das zu nutzen, was auf dem Land weggeworfen wird, nicht darum, zu roden um die Energie zu verwerten. Das wäre falsch”, fügt Gianella hinzu.
Gewinne durch saubere Energien?
Die größten Ausgaben bei erneuerbaren Energien fallen bei der Installation in der Anfangsphase an. Jenseits von ethischen und Überlebensentscheidungen ist die Rentabilität einer der Aspekte, der am meisten Besorgnis hervorruft, wenn man über die Machbarkeit nicht konventioneller Energien spricht. Die Frage ist unumgänglich: Wie hört man auf, die Umwelt zu plündern und erzielt gleichzeitig gute Gewinne mit sauberen Energiequellen?
Der Experte Javier Coello ist sich sicher, dass die Instandhaltungskosten von erneuerbaren Energiequellen im Großen und Ganzen “niedriger sind als die der Technologien, die auf fossilen Brennstoffen basieren, weil die Sonne, der Wind, die Erdwärme oder die Wasserfälle keine Ausgaben beim Gebrauch nach sich ziehen.”
Die Energiekosten können ebenfalls billiger sein, wie zum Beispiel bei der Biomasse: Hier ist die Energie laut Gianella bis zu sieben Mal günstiger als bei Erdgas.
Polemische Alternativen
Die Biobrennstoffe werden auch von der peruanischen Regierung als Alternative zur umweltschädlichen Erdöl-Industrie gesehen. Nichtsdestotrotz gibt es Meinungen, demnach monokulturelle Anpflanzungen, wie die Ölpalme zur Ethanolproduktion, die Biodiversität im Amazonasgebiet verändere und die Abholzung der Urwälder im Namen von sauberer Energie zur Folge habe. Ein symbolischer Fall ist der des Distrikts Barranquito in der Region San Martín, wo die mächtige Unternehmensgruppe Romero 3.000 Hektar Urwald abholzen ließ, um Palmöl-Kulturen anzupflanzen.
Seit 2007 hat die Regierung die obligatorische Nutzung von Biobrennstoffen in kleinen Mengen eingeführt: Zwei Prozent Biodiesel gemischt mit Diesel für 2008 und fünf Prozent bis 2011, sowie 7.8 Prozent Ethanol gemischt mit Benzin bis 2010. Das heißt, diese Energien “stehen nicht im Wettbewerb zu fossilen Brennstoffen, sondern sind eher eine Art Zusatz”, so Coello.
Angesichts der Komplexität des Themas schlägt der Direktor der gemeinnützigen Peruanischen Gesellschaft für Umweltrecht (Sociedad Peruana de Derecho Ambiental), Manuel Pulgar-Vidal vor, eine strategische Umwelt-Evaluation für die Förderung von Bio-Brennstoffen einzuführen. Diese soll die beteiligten Institutionen dazu bringen, ökonomische, energetische, soziale und die Umwelt betreffende Auswirkungen zu bestimmen. Das kommerzielle Kriterium könne nicht das einzige sein.
Dieser Ansicht folgend, wird auch der Bau von Staudämmen im Amazonas-Gebiet nicht mehr als Quelle sauberer Energie angesehen. Dies liegt daran, dass Stauseen in Waldgebieten große Mengen an Methan produzieren. Dieses Gas, das den Treibhauseffekt verstärkt, ist zwanzig Mal so schädlich wie Kohlendioxid.
Der Ingenieur Alfredo Novoa, Direktor der Nichtregierungsorganisation ProNaturaleza, ist der Meinung, dass Peru keine Energieprojekte im Amazonasgebiet braucht, um die Nachfrage zu decken. Die Auswirkungen auf die Umwelt und die sozialen Konsequenzen seien zu hoch. Für ihn reicht ein Potenzial von 22.000 Megawatt in den Anden und weitere an der Küste durch Windenergie aus.
Vorteil durch kurze Energiewege
Ob die fossilen Brennstoffe ersetzt werden können, hängt auch davon ab, wie weit sich die neuen Energiequellen von der Bevölkerung befinden, der sie zugute kommen sollen. Die Nichtregierungsorganisation Soluciones Prácticas-ITDG widmet sich der Erforschung, Anwendung und Verbreitung von Technologien, die für ärmere Bevölkerungsschichten geeignet sind. Die Erfahrungen dieser Organisation in einigen Gemeinden zeigen, dass der Gebrauch von sauberer Energie in kleinem Umfang die Lebensqualität in ländlichen Gebieten verbessern kann, ohne der Umgebung Schaden zuzufügen.
Fernando Acosta, Koordinator für Bioenergie bei Soluciones Prácticas-ITDG versichert, dass im nördlichen Department Cajamarca an einigen Orten die Wasserfälle genutzt wurden, um 52 Mini-Wasserkraftwerke zu schaffen. Diese produzieren zwischen 10 und 30 Kilowattstunden, die Dörfern mit 50 bis 100 Familien zugute kommen. “Mit der Elektrizität haben sich diese Dörfer belebt und es eröffnen sich neue Möglichkeiten”, erklärt er.
Es gibt seiner Meinung nach nicht den einen Weg, um saubere Energie zu fördern. “Man muss den Strom aus verschiedenen Quellen gewinnen. Der beste Brennstoff ist der, den man nicht braucht”, betont Coello.
Für Gianella gibt es zudem “eine schwache technische Handhabung und wenig Kenntnisse über das Thema” seitens der Einrichtungen, die für die Förderung erneuerbarer Energien zuständig sind.
Und Pedro Gamio betont, dass man ein Umweltbewusstsein bei den Bürgern und bei den Behörden schaffen müsse: “Peru muss eine kohärente Politik betreiben, um sich anzupassen und den Klimawandel zu stoppen. Das, was Präsident García in der Welt anbietet, muss mit dem übereinstimmen, was seine Beamten innerhalb des Landes tun”.
(Foto: Flickr/Patricia Ramírez)
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