Europäische Pestizide befördern Bienensterben

(Río Claro, 10. Juli 2023, Repórter Brasil).- Brasilien ist Hauptimporteur der Pestizide, die in Europa hergestellt werden, jedoch nicht in europäischen Ländern eingesetzt werden dürfen, weil sie für Bienen tödlich sind. Das Brasilianische Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen (Ibama) hat die Zulassung einiger dieser Stoffe seit 2014 neu bewertet. Nach Angaben der Schweizer NGO Public Eye und der Agentur Unearthed sind Produkte auf Basis von Neonicotinoiden seit 2018 in der Europäischen Union verboten. Allein im Jahr 2021 wurden jedoch rund 6.300 Tonnen nachweislich bienenvernichtende Pestizide von Europa nach Brasilien exportiert. Bienen sind für die Fortpflanzung mehrerer Pflanzenarten unerlässlich. Laut dem Bericht der Europäischen Chemikalienagentur (Echa) sind Thiamethoxam, Clothianidin und Imidacloprid für diese Insekten tödlich. Im Jahr 2021 exportierten europäische Hersteller 13.200 Tonnen der gefährlichen Stoffe in 78 Länder. Hauptabnehmer war Brasilien mit 6.272 Tonnen, das entspricht 47 Prozent der Gesamtmenge. Fast alle brasilianischen Käufe betrafen Thiamethoxam-Verbindungen, die von dem in der Schweiz ansässigen multinationalen Unternehmen Syngenta hergestellt wurden (6.269 Tonnen). Der Rest der Pestizide stammte von der deutschen Marke Bayer.

Wie Pestizide Bienen töten

Einige Pestizide beeinträchtigen das zentrale Nervensystem der Bienen, so dass sie die Orientierung verlieren. Sie schädigen auch ihre Lernfähigkeit sowie ihr Verdauungs- und Immunsystem, was in vielen Fällen zum Tod führt. „Neonicotinoide [wie Thiamethoxam] und Fipronil sind die in der brasilianischen Landwirtschaft am häufigsten verwendeten Insektizide und sehr schädlich für Bienen, egal in welcher Dosis“, erklärt Genna Sousa, Forscherin und Spezialistin für stachellose Bienen. Das Gift werde von überlebenden Tieren an andere Bienenvölker weitergegeben, was zum Tod des gesamten Schwarms führe, so Souza weiter. Eine aktuelle Studie der Landesuniversität Paulista in Stadt Rio Claro, der Bundesuniversität von São Carlos und der Landesuniversität von Campinas zeigt, dass drei in Brasilien beheimatete Bienenarten, darunter die Jataí, sogar noch empfindlicher auf Thiamethoxam reagieren als die in Europa weitverbreitete und häufig für internationale Tests herangezogene stechende Art. Seit 2014 hat die Ibama die Zulassung der Verwendung von Thiamethoxam und Clothianidin in Brasilien neu bewertet. Im August letzten Jahres setzte das 9. Bundesgericht von Porto Alegre eine Frist von sechs Monaten für den Abschluss des Verfahrens. Ibama hat diese Frist jedoch nicht eingehalten, und es gibt noch immer keinen Termin für den Abschluss des Prozesses. Für das dritte in Europa verbotene und nach Brasilien verkaufte Pestizid Imidacloprid wurde die Neubewertung im März 2021 abgeschlossen. Ibama entschied sich gegen ein Verbot. Damals gab die Bundesumweltbehörde eine Erklärung mit Maßnahmen zur Verringerung der Risiken für bestäubende Insekten ab. Osmar Malaspina, Professor am Biowissenschaftlichen Institut der Universität in Rio Claro, ist mit der Entscheidung der Ibama nicht einverstanden. „Die vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse sprechen dafür, dass das Pestizid vom Markt genommen werden sollte. Da es sich jedoch um ein effizientes Produkt zur Bekämpfung von Schädlingen handelt, das keine Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat, ist es schwieriger, ein Verbot durchzusetzen, obwohl es giftig ist“, argumentiert der Professor.

Die goldene Gans

Das erste Neonicotinoid, das 1996 von Bayer auf den Weltmarkt gebracht wurde, war Imidacloprid. Kurz darauf folgte Thiamethoxam von Syngenta. Obwohl es auch andere Hersteller von Neonicotinoiden gibt, sind die Marktführer seit Jahren die schweizerischen und deutschen multinationalen Unternehmen. „Wenn es sich gut verkauft, hat das Unternehmen kein Interesse daran, das Produkt vom Markt zu nehmen. Vielleicht gibt es sogar ein Ersatzprodukt, das etwas weniger giftig ist, aber wenn der Absatz sehr hoch ist, wird man die goldene Eier legende Gans nicht töten“, vermutet Osmar Malaspina. Laut den von Public Eye und Unearthed gesammelten Daten hat Syngenta unter den 17 meistexportierenden europäischen Unternehmen die meisten Schiffe nach Brasilien verladen. Von den Häfen in Belgien, Spanien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Griechenland und Ungarn wurden rund 10.400 Tonnen (79 Prozent der Gesamtmenge) der Pestizide des Unternehmens verschifft. Die Untersuchung zeigt, dass der Marktanteil des Unternehmens noch höher sein könnte, da der zweitgrößte Exporteur im Jahr 2021 ein Gefahrgutlagerbetreiber in einem niederländischen Hafen war, der Syngenta-Fracht lagerte.

Das meistverkaufte Produkt von Syngenta, Engeo Pleno S, wird häufig auf Sojabohnenkulturen eingesetzt. Das Produkt besteht aus einer Mischung des Neonicotinoids Thiamethoxam und des Insektizids Lambda-Cyhalothrin, beide hochgiftig für Bienen. Laut Echa-Angaben ist Thiamethoxam außerdem gesundheitsgefährdend für Menschen: Es kann das menschliche Fortpflanzungssystem beeinträchtigen und vorgeburtliche Schäden verursachen. Im Februar dieses Jahres verabschiedete das Europäische Parlament ein Gesetz, das ab März 2026 die Einfuhr von Lebens- und Futtermitteln, die Thiamethoxam und Clothianidin enthalten, praktisch verbietet – was brasilianische Erzeuger direkt betreffen könnte. „Der Erhalt der Bestäuberpopulationen in der EU allein würde nicht ausreichen, um den weltweiten Rückgang der Populationen und seine Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherheit innerhalb der Union umzukehren“, heißt es in dem von der Kommission genehmigten Text. Syngenta hingegen erklärte, ihre Produkte gehörten zu den am besten regulierten der Welt, seien sicher, wenn sie gemäß den in den Packungsbeilagen und agronomischen Vorschriften beschriebenen Spezifikationen verwendet würden, und spielten eine wesentliche Rolle bei der Erzeugung hochwertiger, sicherer und nachhaltiger Lebensmittel. Die Bayer AG erklärte ebenfalls, ihre Produkte seien sicher. Zu Clothianidin wolle man sich nicht äußern, da es „außerhalb unseres Portfolios in Brasilien“ liege.

 

 

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