von Cecilia Remon
(Lima, 27. Februar 2015, noticias aliadas).- Die Proteste in der im zentralen Urwald Perus gelegenen Ortschaft Pichanaki vom 10. Februar gegen die dort laufenden Operationen der argentinischen Ölfirma Pluspetrol, bei denen ein Mensch ums Leben kam und Dutzende Schussverletzungen erlitten, haben ein Nachspiel für die Regierung des Präsidenten Ollanta Humala. Dieser sah sich zum wiederholten Male genötigt, vier Minister*innen abzuberufen, von denen drei im direkten Zusammenhang mit dem Konflikt standen.
Die abgesetzten Minister*innen sind der Innenminister Daniel Urresti, verantwortlich für die gewalttätige Repression von Seiten der Polizei gegen die DemonstrantInnen; der Minister für Energie und Bergbau Eleodoro Mayorga, der bei den Schlichtungsgesprächen mit den Einwohner*innen von Pichanaki den Rückzug des Unternehmens aus dem Konfliktgebiet angekündigt hatte, woraufhin es harsche Kritik aus Unternehmerkreisen hagelte, welche einen enormen Einfluss auf die Regierung ausüben; sowie der Justizminister Daniel Figallo, der Mayorga bei den Verhandlungen begleitete. Die vierte abberufene Ministerin war die Frauenministerin Carmen Omonte.
Pluspetrol nimmt derzeit vor Ort lediglich Erkundungsbohrungen vor, ist aber einschlägig bekannt für unzulängliche Praktiken an den Orten, wo sie bereits operiert hat; insbesondere in der Amazonas-Region Loreto. Nach 15 Jahren Ölförderung in der Parzelle 1AB (heute Parzelle 192) zwischen den Flüssen Pastaza, Corrientes und Tigre im Grenzgebiet zu Ecuador, muss Pluspetrol das Gebiet zum 31. August diesen Jahres verlassen, ohne bisher die Dekontaminierung von 92 betroffenen Gebiete vorgenommen zu haben oder gewillt zu sein, die mehr als 13 Mio. US-Dollar Geldstrafen wegen Umweltverstößen und Gesundheitsschädigungen an der Bevölkerung zu bezahlen, die von der Behörde für Prüfung der Umweltverträglichkeit OEFA (Organismo de Evaluación y Fiscalización Ambiental) verhängt wurden.
40 Jahre Umweltverschmutzung
Die 1976 in Argentinien gegründete Ölfirma kam zehn Jahre später nach Peru. Sie kontrolliert derzeit die strategisch wichtigsten Ölförderungsparzellen im Land, die 40 Prozent des nationalen Ölbedarfs und 95 Prozent des Gasbedarfs produzieren. Außer der Parzelle 1AB hält sie die Konzession an der Parzelle 8 zwischen den Flüssen Corrientes und Marañón, deren Vertrag 2025 ausläuft, und operiert in fünf weiteren Parzellen: 115 (Loreto), 88 und 56 (das Gasprojekt Camisea, Cusco), 155 (Puno) und 108 (Cerro de Pasco und Junín), wo Puchanaki liegt.
Im Flussgebiet der Flüsse Pastaza, Corrientes, Tigre und Marañón wohnen indigene Gemeinschaften des Amazonas (Quechua, Achuar, Urarina, Kichwa und Kukama Kukamirira), die von vier Verbänden vertreten werden, die allesamt in der Indigenen Vereinigung zur Entwicklung im peruanischen Regenwald AIDESEP (Asociación Interétnica de Desarrollo de la Selva Peruana) organisiert sind, mit 57 Verbänden und 1.250 indigenen Gemeinschaften die bedeutendste Organisation der Volksgruppen des Amazonasgebietes.
Die Parzelle 1AB, die indigene Territorien umfasste, wurde 1971 der US-amerikanischen Ölfirma Occidental Petroleum (OXY) übergeben, die die Ölgewinnung dort bis zur Übertragung im Jahr 2000 an die argentinische Firma Pluspetrol betrieb. Die Parzelle 8 blieb in Besitz der staatlichen Ölfirma Petroperú und wurde 1996 Pluspetrol zugeteilt.
Öl tritt regelmäßig aus
„Die Ölgewinnung in diesem Teil des peruanischen Amazonas begann 1971. Eine Pipeline von über 16 Km durchläuft den Wald und indigene Territorien und befördert täglich tausende Barrel Öl. Dass es sich um eine mehr als 40 Jahre alte Materialzusammensetzung handelt, sieht man ihr deutlich an: die Rohrleitungen sind sehr abgenutzt und der Zustand der Rohrverbindungen bedenklich. Früher kam es zum Auslaufen von Öl in unmittelbarer Umgebung der Bohrbrunnen, heute allerdings tritt dies häufiger und dauerhaft entlang der Pipeline auf. Allein in den letzten fünf Jahren kam es zu mehr als 100 Vorfällen laut der Alianza Arkana, einer internationalen Organisation für die Rechte der Amazonasvölker“, erläuterte Paolo Moiola in einem im Oktober 2014 von Noticias Aliadas veröffentlichten Artikel.
Schon 2006 entschied der Verband der Gemeinschaften am Fluss Corrientes FECONACO (Federación de Comunidades Nativas del Río Corrientes), zwei Ölbohrbrunnen zu besetzen um anzuprangern, dass Pluspetrol rund 1,3 Mio. Barrel Produktionswasser (ein Barrel sind 159 Liter) in die Gewässer des Corrientes schüttet, die zusammen mit dem Öl gefördert werden, anstatt sie in den Bohrbrunnen zurückzubefördern, wie die internationalen Richtlinien es verlangen. Dieses Wasser tritt mit einer Mindesttemperatur von 90° an die Oberfläche, weist einen sehr hohen Salzgehalt auf und enthält Kohlenwasserstoffe, Chloride, Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Barium, Quecksilber, sowie Arsen u.a.
Neun Jahre später hat sich an der Situation für die indigenen Völker in diesem Teil des peruanischen Amazonas nichts geändert, und die Angst anderer Gemeinden, bei denen Pluspetrol operiert, vor demselben Schicksal hat sie zum Protest bewogen, wie z.B. in Pichanaki.
Pluspetrol weigert sich, zu zahlen
Die Strategie von Pluspetrol zur Vermeidung der Zahlungen war, Berufung gegen die Geldstrafen einzulegen und diese mit angestrengten Gerichtsverfahren zu blockieren. Das von der OEFA im Oktober vergangenen Jahres erstellte Gutachten „411-2014“ berichtet über die Verseuchung der Flussbecken der Flüsse Pastaza, Corrientes und Tigre. Die Firma hat umgehend eine sogenannte einstweilige Regelungsverfügung vor dem Obersten Gericht von Loreto beantragt, um die Rechtswirksamkeit des Gutachtens anzufechten. Der Richter Alexander Rioja Bermúdez hat dem Antrag stattgegeben.
Für die Erstellung des Gutachtens hat die OEFA unter Beteiligung von Umweltbeobachter*innen aus den indigenen Verbänden 92 Stellen des Flussgebietes überprüft. Sie warnte, dass der Vertrag von Pluspetrol im August 2015 endet und die Firma bis zum jetzigen Zeitpunkt „der zuständigen Behörde gegenüber keine Lizenz für eine umweltplanerische Maßnahme beantragt hat, mit der sie nach Gehemigung durch die Zertifizierungsstelle einen geordneten Rückzug aus der Parzelle sowie eine angemessene Dekontaminierung durchführen kann gemäß den Umweltschutzverpflichtungen der Konzession“.
Ungelöste Umweltlasten
Laut Renato Pita, Pressebeauftragter von FECONACO, „hat keinerlei Dekontaminierung stattgefunden. Nur eine Identifizierung der Lasten ist durch das Umweltministerium durchgeführt worden. Deren Arbeit besteht in der Identifizierung, nicht in der Dekontaminierung. Pluspetrol verläss das Gebiet im August und es ist nicht klar, wer die Dekontaminierung übernehmen wird.“
Der Präsident von FECONACO, Carlos Sandi von den Achuar, hat vor internationaler Presse verkündet, dass „die Rechte der indigenen Völker auf Gesundheit, Bildung und Land seit mehr als 40 Jahren Ölgewinnung verletzt wurden. Wir fordern, dass die Firma Pluspetrol ihre Verantwortung übernimmt. In ihrer Praxis haben die indigenen Völker nicht die gleichen Rechte wie sie. Die Gemeinden fordern: Wenn die Firma ihre Verantwortung nicht übernimmt, soll der Staat dafür einstehen, da er die Ölförderungslizenzen vergeben hat“.
Indigene Bevölkerung wird vergiftet
„Die Bevölkerung konsumiert weiterhin das durch die Ölgewinnung verseuchte Wasser und die verseuchten Lebensmittel“, fügt Sandi hinzu. „Es handelt sich um Menschenleben. Dieses Verbrechen kann man nicht zulassen. Der Staat investiert nicht in die Entwicklung der indigenen Völker. Die Bevölkerung nimmt es hin, früh zu sterben, weil es keine Alternative gibt, keine Medizin, die uns von der Verseuchung durch Schwermetalle heilen kann“.
Alfonso López, Kukama-Anführer aus dem Flussbecken des Marañón, hebt hervor, dass die indigenen Gemeinden „nicht gegen eine Tätigkeit sind, die dem Staat Einnahmen bescheren. Aber sehr wohl gegen eine, die uns umbringt. Man hat Interesse an der Ölgewinnung, weil sie der Entwicklung der Großstädte dient“.
„Es gibt Pflichten, die die Ölfirmen übernehmen müssen. Sie müssen die indigenen Institutionen respektieren. Sie müssen für die Nutzung des Bodens bezahlen“, fordert López. „Pluspetrol weigert sich anzuerkennen, dass die Firma sich auf unseren Territorien aufhält. Die Firma und der Staat schulden uns Millionen an Entschädigung, aber auch das wird unsere Leben nicht retten“.
Lagune trockengelegt
Einer der dramatischsten Fälle war das Verschwinden der Lagune Shanshococha, ein Gebiet von fast 3.000 m² innerhalb der Parzelle 1AB, im Flussbecken des Pastaza. Nachdem die indigenen Gemeinden vor Ort den Vorfall angezeigt hatten, hat die OEFA im November 2013 Pluspetrol eine Geldstrafe von über 6,6 Mio. US-Dollar verhängt, „wegen des irreparablen Verlusts“ der Lagune, welcher das Ökosystem des Gebiets nachhaltig beeinträchtigt hat. Die Firma hat nicht nur die Behörden über den Vorfall nicht in Kenntnis gesetzt, sondern die Trockenlegung und Bodenabtragung durchgeführt, ohne eine dafür erforderliche offizielle Lizenz für die Umweltplanung zu besitzen.
Das Resolution der OEFA besagte, dass Pluspetrol dazu verpflichtet war, umweltschonende Maßnahmen umzusetzen, die darin bestanden, „eine neue Lagune schaffen oder ggf. ein Gewässer im Einflussgebiet der betroffenen Stelle zu stärken oder zu schützen“. Die Ölfirma legte Berufung gegen die Geldstrafe ein, und trotz der Beweislast hat sie weder jemals zugegeben, die Lagune zerstört zu haben, noch die Dekontaminierung durchgeführt. In einer Mitteilung machte sie vorangegangene Operationen in dem Gebiet dafür verantwortlich, und dass die Dekontaminierungsarbeiten von den indigenen Gemeinden und Umweltbeobachter*innen der Zone überwacht worden wären. Zudem drohte die Firma damit, „die entsprechenden rechtlichen Schritte“ einzuleiten.
Sechs Monate vor ihrem Rückzug aus der Parzelle 1AB hat Pluspetrol absolut kein Interesse, die ökologische Katastrophe zu beheben, die ihre Präsenz in der Region Loreto hinterlassen hat. Mehr noch: sie geht davon aus, dass die Böden sich „auf natürliche Weise“ erholen werden.
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