Chubut bleibt widerständig – Bergbaugesetz zurückgenommen

(Chubut, 21. Dezember 2021, Cosecha Roja/poonal).- Mitte Dezember verabschiedete das Parlament der südargentinischen Provinz Chubut ein Gesetz, das die Aufhebung von Einschränkungen für den Bergbau in den Departments Gastre und Telsen vorsieht. Der Gouverneur der Region, Mariano Arcioni, hatte das Gesetzesprojekt eingebracht. Es betrifft eine dünn besiedelte Hochebene im zentralen Norden der Provinz.

Die Annahme des Gesetzes war eine überraschende Entscheidung, hatten sich die Menschen in der Provinz doch schon mehrmals gegen Bergbauprojekte ausgesprochen: Bei einem Referendum im Jahr 2003 stimmten 81 Prozent der Einwohner*innen von Chubut gegen Bergbau in der Region – ein historisches Ereignis für die argentinische Umweltbewegung. In der gesamten Provinz gilt außerdem ein Gesetz, das Bergbau unter freiem Himmel verbietet (Ley 5001). Das kürzlich vorgestellte Gesetzesprojekt sieht stattdessen die Aufteilung des betroffenen Gebietes in verschiedene Zonen vor, um einige Bereiche aus dem Geltungsbereich des Ley 5001 auszuschließen. Dort wäre demnach Bergbau erlaubt.

Proteste gegen das Gesetz ließen nicht auf sich warten

Doch wenn eines über Chubut bekannt ist, dann folgendes: Dass die Menschen sich dort solchen Entscheidungen entgegenstellen und nicht zulassen, dass die Regierung den Bergbau vorantreibt. Und so kam es auch: Das Gesetz war kaum angenommen, schon mobilisierten verschiedene Organisationen, Versammlungen und Nachbar*innen auf die Straßen, um gegen den Bergbau zu demonstrieren. Nicht nur in der ganzen Provinz gab es Demonstrationen, sondern auch in Städten in ganz Argentinien.

Niemand war überrascht, dass die Polizei den Demonstrationen mit Gewalt begegnete. Dutzende Demonstrierende wurden von Gummigeschossen verletzt, sieben Menschen wurden festgenommen. Doch die Demonstrationen hielten das gesamte Wochenende des 18. und 19. Dezembers an.

Provinzregierung rudert zurück

Gouverneur Arcioni blieb schließlich nichts anderes übrig, als zurückzurudern. Am Dienstag nach der Abstimmung kam das Parlament bereits zu einer Onlinesitzung zusammen und nahm das Gesetz einstimmig zurück. Heißt: Dieselben 14 Abgeordneten, die vorher für das Gesetz gestimmt hatten, sprachen sich jetzt für dessen Aufhebung aus. In den kommenden 180 Tagen wird außerdem zu einem Referendum aufgerufen, um über den Vorschlag einer Aufteilung des Gebietes in Zonen abzustimmen.

Das umstrittene Gesetzesprojekt gilt als mögliche Lösung der Regierung für die Finanzkrise, die in der Provinz seit 2016 herrscht. Als Reaktion darauf hatten die Mitglieder der Organisation No a la Mina just am Tag der Abstimmung eine Bevölkerungsinitiative vorgestellt, die bereits mehr als 30.000 Unterschriften in unter 100 Tagen sammeln konnte. Die Initiative sieht vor, die Schlupflöcher im Ley 5001 abzudichten, um das Bergbauverbot in der Region zu stärken.

Ob Umweltschützer*innen oder Unternehmen – Bergbau ist das Thema in der Region

Die unterschiedlichen Organisationen und Umweltbewegungen, die in der Provinz gegen den Bergbau mobilisieren, haben es geschafft, ihre Kräfte zu vereinen. So stellten sie sich nicht nur entschlossen gegen das Gesetzesprojekt, sondern machten auch öffentlich klar, dass es sich dabei um eine vereinte Initiative von Bergbau- und Bauunternehmen handelt, nicht aber um ein mit Nachbar*innen abgestimmtes Vorhaben.

Dabei können die Umweltschützer*innen von No a la Mina auch auf die Unterstützung aus dem akademischen Bereich zählen. In einem offenen Brief an den Parlamentspräsidenten machten Vertreter*innen verschiedenster Universitäten der Region klar, dass „die Bedingungen für eine Verabschiedung dieses Gesetzes nicht gegeben sind“.

Vom Gegenteil sind die Unternehmen überzeugt, die die Gesetzesinitiative der Regierung unterstützen. Darunter auch das kanadische Unternehmen Pan American Silver, das in der Region von Gastre und Telsen mit dem sogenannten Proyecto Navidad („Weihnachtsprojekt“) in den Startlöchern stünde, um Silber, Blei und Kupfer abzubauen.

Korruption: Der Preis einer Abgeordnetenstimme schwankt zwischen 100.000 und 10 Millionen Pesos

Ende vergangenen Jahres waren mehrere Fälle von Korruption aufgeflogen, in die Unternehmer und Abgeordnete verwickelt waren. Zu den eindrücklichsten Fällen zählt jener des Abgeordneten Sebastián López von der konservativ-liberalen PRO-Partei. Wie damals mit einer versteckten Kamera dokumentiert werden konnte, forderte López „hundert Riesen“ (100.000 argentinische Pesos, ca. 850 Euro) dafür, dass er für die Bergbaulobby stimmen würde. In einem Audio versicherte die Abgeordnete Leila Lloyd hingegen, es seien „10 Millionen Pesos“ nötig, um die Abgeordneten des Parlaments Chubut zu bestechen.

Im Februar 2021 – damals versuchte Gouverneur Arcioni bereits, das Gesetz in das Parlament einzubringen – führte Cosecha Roja ein Interview mit Zulma Usqueda vom Patagonischen Umwelt- und Sozialforum. „Auf Provinzebene fehlt der Regierung, die ja angeblich demokratisch ist, völlig der Respekt gegenüber dem Willen der Bevölkerung“, so Usqueda. „Vor 18 Jahren haben wir dafür gekämpft, dass die Bergbauunternehmen nicht in die Provinz kommen“, erzählt sie. Damals habe es legale Protestaktionen auf den Straßen gegeben, außerdem habe man Nachrichten an argentinische Minister*innen und Politiker*innen der Provinz geschrieben. „Wenn wir davon ausgehen, dass das Gesetz angenommen wird, würde das dazu führen, dass die Menschen ihre Empörung ausdrücken. Was dann passiert, liegt in der Verantwortung des Präsidenten Alberto Fernández. Er unterstützt Gouverneur Arcioni, […] ebenso wie die Minister des Landes und die der Provinz für Umwelt, Kohlenwasserstoff und Landwirtschaft“, merkte sie schon vor Monaten an.

Usqueda zufolge herrsche in der Provinz eine „ethische und ökonomische Krise“. Deshalb zahlten die staatlichen Stellen bereits seit drei Monaten keine Löhne. „Sie haben uns in diese geplante Krise geleitet, damit wir den Bergbauprojekten in der Region zustimmen“, ist sie sich sicher.

In der Hälfte der argentinischen Provinzen ist Bergbau erlaubt

Seit den 90er Jahren wird in Argentinien Bergbau in großem Maße betrieben: In sieben Provinzen ist das erlaubt, in den anderen sieben (darunter Chubut) wurde der Bergbau verboten. Adrián Monteleone, Sozialwissenschaftler von der Universidad Nacional de Quilmes, erklärt es in einem online veröffentlichten Text so: „Der Megabergbau ist eine Art von Aktivität, die Tausende Tonnen explosiver Materialien nutzt, um die Sprengungen in den Hügeln durchzuführen.“ […] Dazu kämen die Nutzung diverser chemischer Substanzen, die die Wasserressourcen unter und über dem Boden bereits in geringer Dosis schaden könnten. „Außerdem verbraucht der Bergbau eine große Menge an Wasser“, so der Wissenschaftler. Laut der Firma Barrick Gold, die in der Mine El Veladero in der Provinz San Juan tätig ist, „sind für die Gewinnung von einem Kilo Gold 380.000 Liter Wasser, 849 Kilo Natriumcyanid und 1.104 Kilo Sprengstoff nötig“.

Übersetzung: Susanne Brust

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