Blutiges Gold

(Bern, 22. November 2021, bolpress).- Jedes Jahr werden 3.300 Tonnen Gold abgebaut. 49 Prozent werden für die Herstellung von Uhren und Schmuck verwendet, 29 Prozent dienen als Anlage, 15 Prozent werden von den Zentralbanken erworben und 7 Prozent für technische Zwecke genutzt. Zurzeit explodieren die Preise. In der zweiten Novemberwoche wurde mit 1875 Dollar pro Unze (ca. 28,34 Gramm) der höchste Stand seit sechs Monaten erreicht.

Zwischen 50 und 70 Prozent des Goldes werden in der Schweiz veredelt. Obwohl Gold in mindestens 90 Ländern abgebaut wird, kommt die Hälfte der Importe aus Großbritannien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Hong Kong. Paradoxerweise verfügen diese Staaten ebenso wenig über Förderminen im eigenen Land wie die Schweiz selbst, wo vier der sieben größten Produzenten angesiedelt sind. Die Alpenrepublik ist  zweitgrößter Importeuer und der größte Exporteur weltweit. Das Gold kommt unraffiniert an, aus Ländern wie Burkina Faso, Ghana, Mali und Peru, deren Ökonomien zu einem großen Teil vom Export abhängen, und verlässt die Schweiz mit strahlender „Reinheit“; das Geschäftsvolumen beträgt  zwischen 70.000 und 90.000 Millionen Schweizer Franken jährlich (66.000 bis 86.000 Millionen €). 2017 machte der Goldverkehr ganze 24 Prozent der Schweizer Exporte und 31 Prozent der Importe aus. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum exportierte die Uhrenindustrie Waren im Wert von 20.000 Millionen SF, was 24 Millionen Uhren entspricht. Auch steuerliche Vorteile spielen bei der Einfuhr des Edelmetalls eine Rolle, da in der Schweiz weder auf Gold als Anlage noch auf importierte Goldmünzen oder verarbeitetes Gold eine Steuer erhoben wird. Auch Legierungen mit anderen Metallen können als Gold deklariert werden und sind somit von der Steuer ausgenommen. Das gilt zum Beispiel für Silber. Es enthält nur zwei Prozent des Edelmetalls und kann trotzdem zollfrei eingeführt werden.

Raubbau an der Umwelt

Zwar sind die Zahlen ohnehin öffentlich bekannt, der Bericht „The Impact of Gold“ der WWF Schweiz verleiht den Sachverhalten jedoch neue Bedeutung. Der Weg des Goldes von den Minen bis zu unseren Ländern sei „problematisch, undurchsichtig und nicht nachvollziehbar, da Zwischenhändler*innen das Mineral aus verschiedenen Quellen mischen“. So könne man „nicht davon ausgehen, dass das Metall unter guten sozialen und ökologischen Bedingungen gewonnen wurde“, so der Bericht. Diese seien häufig inakzeptabel, mit furchtbaren Folgen für die Umwelt und die lokale Bevölkerung. Neue Minen zu eröffnen und die erforderliche Infrastruktur zu schaffen erfordert riesige Flächen. Die Entdeckung von Goldvorkommen zieht die Rodung enormer Waldflächen nach sich, und das oft illegal. Allein in Brasilien werden jährlich Waldflächen so groß wie 14.000 Fußballfelder gerodet. Für die Goldgewinnung werden außerdem hochgiftige chemische Produkte wie Quecksilber und Zyanid eingesetzt. Die Stoffe verbreiten sich in der Luft, im Boden und im Wasser, gefährden die Trinkwasserversorgung und schaden der Biodiversität und der Gesundheit der lokalen Bevölkerung. Die Gifte können unter anderem zu Erblindungen, Hirnschäden, Tumoren und Erbgutschäden führen. Schließlich sind die schädlichen Auswirklungen auf das Klima durch den hohen Energieverbrauch offensichtlich, da die Produktion von einem Kilo Gold in etwa zwölf Tonnen CO2-Emissionen verursacht. Wie der WWF Schweiz betont, erfolgt der Goldabbau oft unter unwürdigen Arbeitsbedingungen; Sklaverei, Menschenhandel, Kinderarbeit und Zwangsprostitution sind an der Tagesordnung. Häufig werden die indigenen Völker oder die Kommunen von ihren Territorien verdrängt, damit diese in Minen umgewandelt werden können.

Der peruanische Amazonas

Bis Mitte 2019 exportierte Peru etwa 60 Tonnen illegal produziertes Gold – ein großer Teil davon ging an Schweizer Raffinerien. Die Region Madre de Dios im peruanischen Amazonas im Südosten des Landes ist historisch gesehen eines der Zentren des Goldabbaus im Land. „Schon aus der Luft wirkt die Landschaft trostlos“, heißt es in einer kürzlich erschienenen Reportage der spanischen Agentur EFE. „Wo vorher Regenwald war, sind nun Schlammkrater, Baumstümpfe und karger Sand, der mit Quecksilber und Geröll bedeckt ist. Ein Ödland, das vom „Goldfieber“ gepackt wurde und sich in eine gesetzlose Hölle im peruanischen Dschungel verwandelt hat. Die Pampa, ein Territorium innerhalb des Schutzgebiets des Tambopata-Nationalreservats, ist seit Jahren das Epizentrum des illegalen Bergbaus in der Region. Das Geschäft mit dem Gold ist lukrativer als der Kokainhandel und hat in den letzten Jahrzehnten 25.000 Hektar einen der artenreichsten Regenwälder der Welt erobert. […] Obwohl Millionen in die Vertreibung der illegalen Minenarbeiter*innen aus dem Gebiet investiert werden, geht der Raubbau an der Umwelt weiter, und es bleiben die Begleiterscheinungen der Tragödie: Menschenhandel, Auftragsmorde, Sklavenarbeit und sexuelle Ausbeutung. Etwa 40.000 Menschen leben in einer namenlosen Stadt, die keine soziale Infrastruktur aufweist, dafür aber etliche Hotels, Restaurants, Bars und vor allem Prostitution im Stil der Saloons aus den Cowboyfilmen“, so die vor Ort gedrehte Reportage.

Bekämpfung illegaler Minentätigkeiten bleibt erfolglos

In Madre de Dios werden 70 Prozent des Goldes in Peru abgebaut. Das Land ist der größte Goldlieferant Lateinamerikas und der fünfgrößte weltweit. Der Goldabbau macht 70 Prozent der Gesamtökonomie aus – und nur 10 Prozent davon sind legal. Anfang 2019 startete die peruanische Regierung in der Region der Pampa die „Operación Mercurio“ zur Bekämpfung illegaler Aktivitäten. Nach Angaben der peruanischen Nachrichtenseite Actualidad Ambiental ist der illegale Bergbau dort zwar um 98 Prozent zurückgegangen, jedoch gebe es Anzeichen dafür, dass er in die umliegenden Gebiete abgewandert ist. Trotz mehr als 700 Polizeieinsätzen in weniger als zwei Jahren sowie der Ausweisung von 25.000 illegalen Minenarbeiter*innen wurden seit dem Start von „Mercurio“ weitere 1.100 Hektar abgeholzt, wie ein Bericht der Initiative „Monitoreo de Deforestación en la Amazonía“ zeigt. Außerdem wurden sechs neue unerlaubte Abbaustellen entdeckt: in Pariamanu, La Pampa, Camanti, Chaspa, und Apaylon. Vermutlich kann eine Politik zur Bekämpfung illegaler Minentätigkeiten nur funktionieren, wenn sie auch Ideen für berufliche Alternativen mitliefert.

Schweizer Selbstkritik

Der Schweizer Bundesrat „ist sich des Risikos möglicher Menschenrechtsverletzungen durch illegal gewonnenes und eingeführtes Gold bewusst“. Dies bestätigten die Schweizer Behörden im Bericht „Handel mit Gold, das unter Verletzung der Menschenrechte gewonnen wurde“, der dem Parlament Ende 2019 vier Jahre nach der Anfrage des nationalen Umweltsenators Luc Recordon vorgelegt wurde. (Siehe  54475.pdf (admin.ch)) Die Schweizer Regierung hatte dazu eine unabhängige Gruppe mit einer Analyse über den Goldsektor in der Schweiz, seine Hauptakteur*innen und mögliche Risiken und Herausforderungen beauftragt. Als Teil des Prozesses kontaktierte die Gruppe Repräsentant*innen des privaten Sektors sowie Nicht-Regierungsorganisationen, die im Menschenrecht, der Umwelt und der Entwicklungshilfe tätig sind. Der Bericht räumt ein, dass die Aktivitäten der Firmen im Goldbergbau wahrscheinlich negative Auswirkungen auf eine Vielzahl von Menschenrechten haben. Dazu gehören: Misshandlung von Arbeitnehmer*innen und Verstöße gegen das Arbeitsrecht, vor allem im Hinblick auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen und eine angemessene Entlohnung. Zudem werden auch mögliche Verstöße gegen die traditionellen Lebensweisen, die Selbstbestimmung und das Land der indigenen Völker anerkannt. Hinzu kommen Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung wie (Zwangs-)Umsiedlungen, Verletzung der Eigentumsrechte, des Versammlungsrechts und des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Zudem ist im Bericht die Rede von möglichen Schäden für die Umwelt sowie Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit durch Goldunternehmen. Der Bericht empfiehlt größere Transparenz in allen Aktivitäten, die mit der Goldeinfuhr in die Schweiz verbunden sind. Außerdem wird geraten, einschlägige Industrie- und Handelsverbände wie die Schweizerische Vereinigung Edelmetallfabrikanten und -händler und die Swiss Better Gold Association dazu zu drängen, ihre Arbeitsweise zu verbessern und in Kontakt mit NGOs zu treten. Neben den Empfehlungen fordert der WWF Gesetze, die die Firmen mit Sitz in der Schweiz dazu verpflichten, nur solches Gold zu erwerben und zu verarbeiten, das die sozialen und ökologischen Mindeststandards erfüllt, und ihre Arbeitsweise transparent zu machen. Schließlich appellieren sie an das Kaufverhalten der Verbraucher*innen. Gütesiegel wie FairTraide und FairMined tragen dazu bei, eine verantwortungsvollere und transparentere Gewinnung zu fördern und künftige Umweltzerstörung zu minimieren.

500 Jahre nach der Eroberung Lateinamerikas sind es statt der mit Edelmetallen beladenen Karavellen Schiffe oder Frachtflugzeuge, die das Gold nach Europa bringen. Weitere Ladungen kommen aus Afrika und Asien. Ein großer Teil des in die Alte Welt importierten Goldes landet in hoch entwickelten Raffinerien in der Schweiz – der wichtigsten Drehscheibe des Welthandels. Nicht immer fair und daher auch nicht immer ethisch vertretbar und dennoch legal – fast immer.

Übersetzung: Sezer Yasar

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2 Antworten zu “Blutiges Gold”

  1. Hallo H., vielen Dank für das Lob, und super, dass du so aufmerksam mitliest.
    Zu deiner Frage: Eine Unze entspricht tatsächlich 28,34 g, wie es im Text steht. Im Zusammenhang mit Gold wird jedoch häufiger von der sog. Feinunze gesprochen, die, wie du schreibst, 31,1 g entspricht. Da haben wir ein wenig geschludert. Danke für den Hinweis.
    Herzliche Grüße,
    die poonal-Redaktion

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