Die tödlichsten Regierungen

(La Paz, 4. Februar 2023, bolpress).- Dem lateinamerikanischen Analyseinstitut Celag (Centro Estratégico Latinoamericano de Geopolítica) zufolge ist die peruanische Regierung unter Dina Boluarte diejenige mit den zweitmeisten Toten bei Protesten in Lateinamerika seit dem Jahr 2000. Der einzige Präsident, der eine höhere Zahl aufweist, ist der Kolumbianer Iván Duque. In seiner Amtszeit zwischen 2018 und 2022 wurden in Kolumbien 87 Demonstrierende ermordet.

Im Fall von Dina Boluarte waren es nur acht Wochen nach ihrem Amtsantritt Anfang Dezember 2022 bereits 47 Personen. Damit liegt sie schon deutlich vor der zweijährigen Herrschaft von Fernando de la Rúa in Argentinien (1999 bis 2001) mit 39 Toten. Darauf folgt mit 37 Personen ein gewaltsames Regierungsjahr 2020 der Bolivianerin Jeanine Áñez. Platz fünf der tragischen Liste belegt Sebastián Piñera mit 34 Toten. Er regierte in Chile ebenfalls von 2018 bis 2022. Roberto Micheletti regierte Honduras zwar nur fünf Monate als De-facto-Präsident nach einem Regierungssturz im Juli 2009 – dennoch kamen 20 Demonstrierende in seiner inoffiziellen Amtszeit um. Unter dem Expräsidenten Ecuadors Lenín Moreno starben acht Personen bei Demonstrationen zwischen 2017 und 2021.

47 erschossene Demonstrant*innen in acht Wochen

Die Zahlen aus Peru beinhalten jedoch noch keine indirekten Toten rund um die landesweiten Demonstrationen. Dazu gehören beispielsweise Personen, die dadurch umkamen, dass medizinische Hilfe nicht durch Straßenblockaden kam oder Opfer von Verkehrsunfällen bei Blockaden. Außerdem greift die Berechnung nur auf staatliche Angaben zurück; andere Quellen gehen zum Teil von über 100 Toten aus. Trotzdem lassen auch die offiziellen Daten das Ausmaß der Gewalt und der repressiven Politik Boluartes und ihres Premiers Alberto Otárola erkennen.

Vergleicht man die 47 Toten in Peru mit den 83 in Kolumbien, muss außerdem gesagt werden: Kolumbien hat rund 50 Prozent mehr Einwohner*innen als Peru. Rechnet man Boluartes Opfer also hoch, so gleichen sich die Zahlen. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass Duques Amtszeit vier Jahre andauerte, während Boluarte gerade zwei Monate im Amt ist.

Folgenschwere Schüsse auf Demonstrant*innen

Im Vergleich zu den anderen Präsident*innen auf der Liste hat Boluarte keinen Rückhalt in Partei und Fraktion. Sie ist zusätzlich diskreditiert, weil sie mit Hilfe derjenigen Präsidentin geworden ist, die bis dahin ihre politischen Gegner*innen waren. Eine solche Umkehr ihrer Prinzipien und ihres Regierungsprogramms hat noch nicht einmal Lenín Moreno vorgenommen.

Duque, Piñera und Moreno konnten ihre vierjährigen Amtszeiten zu Ende bringen. Sie wurden direkt von der Bevölkerung gewählt und hatten wichtige Fraktionen im Parlament. De la Rúa gewann in Argentinien bereits in der ersten Wahlrunde. Doch obwohl er zu Beginn 75 Prozent Zustimmung hatte, musste er am Ende dennoch aufgrund der Proteste gegen seine Wirtschaftspolitik zurücktreten.

Vom Präsidentenamt ins Gefängnis

Boluarte hingegen beginnt ihre Amtszeit mit über 75 Prozent Ablehnung. Diese ist in Perus Bevölkerung so groß, dass nicht sicher ist, dass sie fünf Monate wie Micheletti oder ein Jahr wie Áñez regieren wird. Wahrscheinlicher ist, dass sie genau wie die bolivianische Diktatorin im Gefängnis landen wird.

All diese repressiven Regierungen führten letzten Endes dazu, linksgerichteter Politik neuen Aufschwung zu geben. Duque, Piñera und Áñez wurden direkt von Regierungen ersetzt, die sich selbst als progressiv bezeichnen: der Ex-Guerillero Gustavo Petro in Kolumbien, der junge Linke Gabriel Boric in Chile und der Sozialist Luis Arce in Bolivien. Nach de la Rúa folgten in Argentinien drei Regierungen des nationalen Peronismus. In Honduras trat die Ehefrau und First Lady des Expräsidenten Zelaya ihr Amt mit mehr als 50 Prozent der Stimmen an. In Ecuador ist heute der linke Flügel der Nationalversammlung die stärkste Kraft und vermutlich derjenige, der den aktuellen rechten Präsidenten Guillermo Lasso ersetzen wird.

Viele der Schüsse gegen Demonstrierende gingen also nach hinten los.

Übersetzung: Patricia Haensel

Anmerkung der Redaktion: In dieser Auflistung fehlt leider die gewaltsame Unterdrückung der Proteste gegen die Regierung in Nicaragua, die seit 2018 über 350 Todesopfer gefordert hat. Damit landet das Ortega-Murillo-Regime mit Abstand auf dem makabren ersten Platz.

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6 Antworten zu “Die tödlichsten Regierungen”

  1. Dora Maria Tellez, Comandante Sandinista der ersten Stunde: „Daniel Ortega hat in den letzten vier Jahren mehr Studenten ermordet als die Somozas in ihren ersten dreissig Jahren Diktatur.“ Stimmt leider,.

    • Allein bei der Niederschlagung des Aufstands vom 9. September 1978 wurden 5000 Nicaraguaner ermordet. Das sind schon andere Dimensionen.
      Zudem gab es während der ersten 30 Jahre der Somoza-Diktatur wahrscheinlich nicht wirklich viele Studenten in Nicaragua. Und die, die studieren konnten, kamen höchstwahrscheinlich hauptsächlich aus den besseren Schichten. Die Behauptung von Dora Maria Tellez ist meiner Meinung nach also höchst demagogisch.

    • Por lo que se refiere a la valoración cuantitativa de las víctimas, mientras en los países de la Operación Cóndor -con una población total de 154.982.000 habitantes- se calculó que fueron asesinadas 50.000 personas, 30.000 desaparecidas y 400.000 encarceladas, en Nicaragua -con 2.797.000 de habitantes-, según denunció la Cruz Roja al triunfar la revolución en julio de 1979 los muertos durante la insurrección habían sido aproximadamente 20.000, sólo en Managua, y en toda Nicaragua, unos 50.000. Pero es necesario precisar que en Nicaragua no se pueden contabilizar únicamente las víctimas del año transcurrido desde la insurrección de septiembre de 1978 hasta el triunfo de la revolución en julio de 1979, en que se libró un auténtico combate entre el pueblo entero levantado y las fuerzas más sofisticadas y duras de la historia del régimen empeñadas en aniquilar a la oposición. Es imprescindible añadir las muertes que se produjeron en los 43 años de dictadura en manifestaciones reprimidas, como resultado de las torturas en las cárceles, en los campos de concentración en la montaña y en las „desapariciones“ de campesinos desde 1970. Sea el que fuere el recuento, el número de víctimas en Nicaragua ocupó un lugar muy destacado, en relación a su población, incluso comparada con las dictaduras centroamericanas de las décadas de 1970 y 1980, que arrojaron resultados más cruentos que los de América del Sur. Así, en El Salvador -con 4.233.000 de habitantes- se alcanzó la cifra de 75.000 muertos y desaparecidos, y en Guatemala -con 6.204.000 de habitantes- el genocidio maya elevó esa cantidad hasta 150.000.

      http://www.scielo.org.co/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0121-16172009000300010

  2. 1. Im Artikel geht es um die Zeit ab 2000.
    2. Juli 1979 ist nicht Februar 2023. Aber es gibt immer wieder Leute, die können nicht zwischen gestern und heute unterscheiden und leben in einer idyllisierten Vergangenheit.
    3. Nicaragua hat keine linke, antiimperialistische Regierung, sondern eine neoliberale Familiendiktatur. Das Ehepaar an der Spitze. Oberbulle des Landes ist der Schwiegervater eines Ortega-Murillo-Sprößlings (consuegro de los Ormu), dessen Tocher hat die Aufsicht über die Medien. Ein Sprößling des Ehepaars wiederum leitet den staatlichen Fernsehkanal, Laureanito singt nicht nur mittelmäßig sondern begleitet die Minister auf Auslandsreisen und ist wirtschaftlicher Berater seiner Eltern. Bueno, das Ganze könnte man noch weiterführen.
    4. Die Verbrechen, die andere Diktaturen begangen haben, relativieren nicht die Verbrechen der pseudo-sandinistischen Diktatur (es handelt sich dabei aber nicht um die Diktatur des Proletariats).
    5. Aufhorchen lassen sollte einen auch, wenn Ortega sein Regime mit dem der Klerikal-Faschisten aus dem Iran vergleicht und von „brüderlichen (geschwisterlichen) Revolutionen faselt). Bei dem esoterisch-evangelikalen Geschwätz der Co-Diktatorin überrascht das aber nicht wirklich.
    6. Die „campos de concentración“ rechtfertigen auch nicht den aktuellen Folterknast „El Chipote“.
    7. Felixito, seguí viviendo y soñando en tu burbuja del pasado. Sin embargo, es correcto lo que decís en tu post y hay que tener la historia en la mente, pero no justifica de ninguna manera lo que está pasando actualmente en Nicaragua.

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