Lateinamerikagipfel soll intraregionalen Handel intensivieren

(Botucatu, 29. Mai 2023, Brasil de Fato).- Zwölf lateinamerikanische Länder werden am 30. Mai in Brasilia bei einem von der brasilianischen Diplomatie geförderten Treffen vertreten sein. Damit nimmt Präsident Lula da Silva seine Bemühungen wieder auf, Räume und mögliche Strategien zur Stärkung der Integration in der Region zu schaffen, die in der jüngsten Vergangenheit durch ideologische Polarisierung und den Abbruch diplomatischer Beziehungen geschädigt wurde.

Lula wird die Präsidenten Alberto Fernández (Argentinien), Luís Arce (Bolivien), Gabriel Boric (Chile), Gustavo Petro (Kolumbien), Guillermo Lasso (Ecuador), Irfaan Ali (Guyana), Mário Abdo Benítez (Paraguay), Chan Santokhi (Surinam), Luís Lacalle Pou (Uruguay) und Nicolás Maduro (Venezuela) zu einem Treffen im Itamaraty-Palast in Brasilia empfangen. Die einzige abwesende Präsidentin ist Dina Boluarte (Peru), gegen die im eigenen Land ermittelt wird und die durch den Präsidenten des Ministerrats, Alberto Otárola, vertreten wird.

Regionale Integration zur Wiederankurbelung zurückgehender Handelsbeziehungen

Die brasilianische Regierung ist sich der Tatsache bewusst, dass die regionale Integration ein Thema ist, das eine beträchtliche ideologische Last trägt. Sie will sich daher auf die Handelsströme konzentrieren, um zu zeigen, dass die regionale Integration vor allem eine Möglichkeit ist, die Volkswirtschaften der südamerikanischen Länder anzukurbeln, das Wirtschaftswachstum zu fördern, Arbeitsplätze zu schaffen und andere Vorteile zu erzielen.

Nach Angaben der Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPALl – Comissão Econômica para a América Latina) erreichte der intraregionale Warenhandel zwischen den Ländern Lateinamerikas und der Karibik im Jahr 2011 mit über 200 Milliarden US-Dollar seinen Höhepunkt. Seitdem ist der Wert so stark zurückgegangen, dass er 2020 (letzte verfügbare Daten) nur noch bei rund 136 Mrd. US-Dollar lag, was dem Niveau von 2006 entspricht.

Um nur die bilateralen Beziehungen zwischen Brasilien und Venezuela zu erwähnen, erreichte die Handelsbilanz während der ersten Lula Regierungen (2003 bis 2010) Rekordwerte, wie etwa 2008, als die brasilianischen Exporte 5 Milliarden US-Dollar überstiegen. Im Gegensatz dazu erreichte die Handelsbilanz zwischen 2017 und 2022 den niedrigsten Stand der letzten 20 Jahre.

Lateinamerika als Handelsblock auf dem globalen Weltmarkt

Lula und die mit der Vorbereitung des Gipfels in Brasilia beauftragten Berater* innen werden versuchen zu zeigen, dass der Rückgang des intraregionalen Handels in der jüngsten Vergangenheit nachteilig war, da die zwischen den lateinamerikanischen Ländern abgewickelten Transaktionen diversifizierter sind und einen größeren Mehrwert aufweisen als mit Partnern in anderen Teilen der Welt. Die Qualität des Austauschs sei damit höher.

Ausgangspunkt der brasilianischen Regierung ist die Einschätzung, dass der Versuch, in den allgemeinen Auseinandersetzungen um die globale Hegemonie ein bipolares Narrativ zu konstruieren, negativ für die Entwicklungsländer ist, die ihrerseits vom Multilateralismus der regionalen Blöcke profitieren können. Die Idee ist, dass die Blöcke eine wichtige Rolle spielen, weil sie einheitliche Verhandlungen mit den Hegemonialmächten ermöglichen – und damit bessere Bedingungen garantieren können.

Und diejenigen, die versuchen, individuell zu verhandeln, geraten in Schwierigkeiten. Laut einer Quelle im Palácio do Planalto ist ein Beispiel dafür die Situation Uruguays, das versucht hatte, ein Freihandelsabkommen mit China auszuhandeln, das dann aber von den Chinesen ausgebremst wurde, als Lula mit einer Rede, dass Lateinamerika als Block verhandeln sollte, in die Präsidentschaft zurückkehrte.

Es muss schnell gehandelt werden

Brasilien will den Integrationsprozess schnell wieder aufnehmen, um das günstige Klima einer beträchtlichen Anzahl fortschrittlicher Staatspräsidenten*innen in der Region zu nutzen, wie Lula (Brasilien), Alberto Fernández (Argentinien), Luís Arce (Bolivien) und Gabriel Boric (Chile). Nach Einschätzung des Planalto waren es die Rechten, die den Integrationsprozess unterbrachen und das Thema ideologisierten, indem sie die Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) auflösten und das Forum für den Fortschritt Südamerikas (Prosur) 2019, während der Regierungszeit von Jair Bolsonaro, gründeten.

Zu dieser Zeit gab es in der Region mehr rechtsgerichtete Regierungen, was dazu führte, dass ein radikalisierter Diskurs an Stärke gewann, der gegen die Programme kämpfte, die von linken Regierungen umgesetzt wurden. Nach Einschätzung der brasilianischen Regierung blicken heute die Ländern, die in letzter Zeit von der Rechten regiert wurden, kritisch auf diese Zeit zurück und sind sich dessen bewusst, dass die Integration dauerhaft sein muss, um über politische Zyklen hinaus zu bestehen. Der Grund dafür ist, dass sich die sozioökonomischen Bedingungen verschlechtert haben, was aufzeigt, wie schädlich es ist, keinen kohärenten Integrationsmechanismus zu haben. Daher sollten jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden, um den Prozess der Integration zu institutionalisieren, der auf die Herausbildung einer lateinamerikanischen Identität abzielt.

Brasiliens Wiedereintritt in die Unasur

Gegründet 2008, zu einer Zeit, als die Linke in der Region auf dem Vormarsch war, hatte Unasur zwölf Mitgliedstaaten. Das Bündnis erodierte, als die rechte Ideologie ein Jahrzehnt später an Stärke gewann. Zwischen 2018 und 2019 traten Kolumbien, Argentinien, Brasilien, Chile und Paraguay aus. Letzten Monat unterzeichnete Lula jedoch ein Dekret, das die Rückkehr Brasiliens in die Organisation offiziell machte.

Brasilien ist in die Unasur zurückgekehrt, weil es sie für das umfassendste Integrationsforum hält, in dem die Interessen übereinstimmen und das auf der Grundlage umfangreicher technischer und programmatischer Arbeiten ausgearbeitet wurde. Der von Lula einberufene Gipfel wird jedoch dazu dienen, die Meinung der fünf Länder des Subkontinents zu hören, die nicht Teil der Unasur sind: Uruguay, Paraguay, Chile, Kolumbien und Ecuador.

„Es geht darum, den Dialog und die Zusammenarbeit mit den südamerikanischen Ländern wieder aufzunehmen, gemeinsame Nenner zu finden. Die Region verfügt über Kapazitätten, die für die Zukunft der Menschheit von entscheidender Bedeutung sein werden, wie natürliche Ressourcen, Wasser, Mineralien, Flächen für die Nahrungsmittelproduktion. Eine konkrete Kooperationsagenda kann sofort in Angriff genommen werden“, sagte Botschafterin Gisela Figueiredo Padovan, Sekretärin für Lateinamerika und die Karibik im Außenministerium, während einer Besprechung des Treffens in Itamaraty.

Überall Krisen

Das Gipfeltreffen findet in einer Zeit starker regionaler Instabilität statt. Gegen die peruanische Regierungschefin Dina Boluarte läuft ein Amtsenthebungsverfahren. In Ecuador wurde gegen Guillermo Lasso ebenfalls ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, worauf er mit der Auflösung des Parlaments und vorgezogenen Wahlen reagierte. Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro erklärte vor einigen Wochen, dass ein Putsch gegen ihn geplant sei. In Chile gibt es heftige Auseinandersetzungen über die Ausarbeitung der neuen Verfassung, ein Prozess, der von den Volksbewegungen eingeleitet und schließlich von der extremen Rechten „gekidnappt“ wurde. In Argentinien nimmt die Wirtschaftskrise dramatische Ausmaße an und es fehlt an internationaler Währung. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen sind von der Ungewissheit geprägt, wer die* Kandidaten/-innen sein werden. Diese Zustände könnten den brasilianischen Standpunkt bestärken, dass Integration der beste Weg ist, um die Länder der Region zu stärken. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich dieser Standpunkt während des Gipfels auswirken wird.

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