(Oaxaca-Stadt, 22. November 2022, taz).- Wer auf den Tischen der vielen Bücherverkäufer*innen in Mexiko-Stadt oder den Ständen von mexikanischen Buchmessen wühlt, stößt fast unweigerlich auf Adolf Hitlers „Mein Kampf“. Ob auffällig präsentiert oder versteckt zwischen esoterischen Wälzern, mit Davidsternen verziertem Verschwörungsquatsch und Bestsellern des letzten Jahrtausends, irgendwo findet sich immer eine Ausgabe der Nazi-Kampfschrift. Das ist unangenehm, hatte aber bisher etwas Kurioses, aus der Zeit Gefallenes. Zumindest spiegelte sich die Propaganda nicht im gesellschaftlichen Leben wider.
Umso erschreckender war die Nachricht, mit der jüngst die Tageszeitung El País Aufsehen erregte. 300 Neonazis kamen Ende Oktober zu einem Konzert im zentral gelegenen Viertel Santa María la Libera in Mexiko-Stadt. Im Salón Pentatlón tanzten sie unter dem Motto „Das Imperium schlägt zurück“ zu drei mexikanischen und zwei spanischen Bands. Die meisten der vielen Besucher und wenigen Besucherinnen waren Skinheads, ihre Tätowierungen zeigten Hitler und Hakenkreuze.
Skinheads bei „Rock gegen Kommunismus“
Auch die Texte der Sun City Skins oder der Ejecución 1980, die sich unter dem Label „Rock gegen Kommunismus“ zusammengetan haben, ließen keine Zweifel. „Hängt und verbrennt die Drecksschwulen, die meine Stadt versauen“, grölten sie von der Bühne, während die Fans „Heil Hitler“ brüllten und den rechten Arm hoben.
Das Konzert wurde klandestin organisiert. Die Karten vertrieb das mexikanische „Editorial Heidelberg“, ein Verlag, der Bücher wie „Interview mit Hitler“ und Werke über den Bund deutscher Mädel anbietet. Auch querfronttaugliche Titel wie das „Manifest der nationalanarchistischen Bewegung“ sind dort zu finden.
Die Behörden von Mexiko-Stadt reagierten schnell. Wenige Tage nach dem Konzert machten sie den Salón Pentatlón aus formalen Gründen – dem Fehlen einer Konzession – dicht. Der Faschismus repräsentiere Rassismus und Klassismus in seiner höchsten Ausprägung, sagte Bürgermeisterin Claudia Sheinbaum und betonte: „Das ist eine fortschrittliche Stadt.“
Rechtsextreme aus aller Welt reisen an
Ebenso beunruhigend wie die Nazi-Party war ein Kongress, der am Wochenende in Mexiko-Stadt stattfand. Im Nobelviertel Santa Fe traf sich die aus den USA stammende „Konferenz konservativer politischer Aktion“ (CPAC). Rechtsextreme Politiker*innen aus aller Welt reisten an, um über ihren Kampf gegen die Abtreibung, die Verteidigung der Familie und die Gründung einer Partei in Mexiko zu diskutieren. Zu den eingeladenen Sprechern zählten der mögliche argentinische Präsidentschaftskandidat Javier Milei und der Trump-Berater Steve Bannon.
An der CPAC beteiligt sind auch militante katholische Abtreibungsgegner und Rechtsradikale wie Juan Iván Peña Neder, der Präsident der Bewegung México Republicano. Der Tageszeitung Reforma zufolge soll er eine faschistische und antisemitische Geheimorganisation gegründet haben und Hitler verehren. Indigene hält er für minderwertige Wesen. México Republicano könnte jene Partei werden, über die die CPAC diskutiert. Bis zu 50 von 500 Parlamentssitzen verspricht sich ein Sprecher der Organisation.
Das dürfte zunächst übertrieben sein. Es ist aber nicht auszuschließen, dass in Mexiko am rechten Rand ähnlich der AfD eine gefährliche Kraft entsteht. Die Opposition gegen den Präsidenten Andrés Manuel López Obrador ist bisher unfähig, dem beliebten Linkspolitiker die Stirn zu bieten. Im Zuge einer auch vom Staatschef selbst vorangetriebenen Polarisierung könnte eine rassistische und homophobe Kraft Stimmen aus dem bürgerlich-rechten Lager fischen. Neonazis sind, wie man aus Deutschland weiß, für diese Entwicklung recht förderlich.
Demnächst erscheint hier die Übersetzung eines ausführlichen Berichts über den rechtskonservativen Kongress in Mexiko-Stadt.
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