(Montevideo, 6. November 2019, la diaria),- Luiz Inácio Lula da Silva, brasilianischer Ex-Präsident und Gründungsmitglied der brasilianischen Arbeiterpartei (PT), ist nicht gerade optimistisch, was die Debatte des Obersten Gerichtshofs über Tausende verurteilte Häftlinge betrifft. „Spekulationen über ungelegte Eier führen zu nichts“, habe der ehemalige PT-Vorsitzende zu allen gesagt, die ihn in den letzten Tagen im Gefängnis besucht hatten, berichtete die brasilianische Tageszeitung Folha de Sao Paulo. Sollte eine Haftaussetzung aller in zweiter Instanz verurteilten Inhaftierten beschlossen werden, würde auch Lula automatisch aus der Haft entlassen.
„Lula wird im Gefängnis vergammeln.“
Der Oberste Gerichtshof wird am Nachmittag des 7. November die Debatte wiederaufnehmen. Eine Freilassung Lulas, der seit April vergangenen Jahres im Gefängnis sitzt, kann erhebliche politische Folgen haben. Verschiedene brasilianische Medien erinnerten in den letzten Tagen an den Ausspruch Bolsonaros während des Wahlkampfs, aus dem der ultrarechte Kandidat anschließend als Sieger hervorgehen sollte: „Lula wird im Gefängnis vergammeln.“
Zur Diskussion steht die Entlassung von etwa 5.000 Inhaftierten
Das Oberste Gericht wird nun prüfen, ob die aktuelle gängige Rechtspraxis, nach der eine Haftstrafe nach Bestätigung eines Urteils in der zweiten Instanz unmittelbar in Kraft treten darf, überhaupt rechtens ist, oder ob erst alle gebotenen Rechtsmittel ausgeschöpft sein müssen. Sollte die Entscheidung des Gerichts zugunsten einer Änderung der Rechtspraxis ausfallen, würde das die Entlassung von über 5.000 Personen bedeuten, die derzeit im Gefängnis sitzen, darunter einige Dutzend Personen, die im Zusammenhang mit dem milliardenschweren Korruptionsskandal Lava Jato („Hochdruckreiniger“) inhaftiert wurden. Zu diesem Personenkreis zählt auch Ex-Präsident Lula.
Vor anderthalb Jahren wurde Lula der Korruption und Geldwäsche beschuldigt und zu einer Haftstrafe von acht Jahren und elf Monaten verurteilt. Seither sitzt er in Curitiba im Süden des Landes in Haft. Laut Urteilsspruch soll ihm die Baufirma OAS eine Wohnung in Guarujá, São Paulo, überlassen haben, um sich für einige lukrative Bauaufträge für den staatlichen Ölkonzern Petrobras erkenntlich zu zeigen. Nach einer Unterbrechung der Beratungen im Gericht zur Frage, ob die derzeitige Praxis rechtswidrig ist, gaben im vergangenen Monat sieben Richter*innen ihre Stimme ab: Vier von ihnen stimmten für die Beibehaltung der derzeitigen Praxis.
Knappes Abstimmungsergebnis erwartet
Viele brasilianische Politik- und Rechtswissenschaftler glauben, dass die Stimmabgabe der restlichen Minister*innen eine Patt-Situation von 5:5 herbeiführen wird; damit würde dem Obersten Gerichtsvorsitzenden José Antonio Dias Toffoli die Rolle des Züngleins an der Waage zufallen. Seit einigen Wochen geht das Gerücht, Dias Toffoli könnte möglicherweise einen Mittelweg vorschlagen, nämlich ein endgültiges Urteil nach der dritten Instanz. In diesem Fall würde Lula weiterhin in Curitiba inhaftiert bleiben, da seine Verurteilung bereits von der zweithöchsten gerichtlichen Instanz Superior Tribunal de Justiça bestätigt wurde. Danach käme nur noch der Oberste Bundesgerichtshof, die vierte und letzte Instanz, an die er sich wenden kann.
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