(São Paulo, 4. Mai 2020, Brasil de Fato).- Obwohl Justizminister Sergio Moro die brasilianische Regierung verlassen hat und trotz der massiven Kritik am Präsidenten Jair Bolsonaro, bleiben die Beziehungen zwischen den Militärs und dem Präsidenten stabil. So die Analyse des Politikwissenschaftlers João Roberto Martins Filho im exklusiven Interview mit Brasil de Fato.
Grund für die Passivität der hochrangigen Militärs in der Regierung gegenüber der Positionen des ehemaligen Hauptmanns der Reserve seien persönliche Interessen, meint der Wissenschaftler, der sich seit Jahrzehnten mit der Thematik befasst. „Theoretisch gesehen denken sie, wenn sie diese Gelegenheit verlieren, werden sie nie wieder an der Macht teilhaben – als wenn das die Aufgabe der Militärs wäre. Materiell gesehen gefällt es ihnen, Teil der Macht zu sein. Ihnen geht es nicht um das Wohl des Landes. Und diese Teilhabe an der Macht sorgt dafür, dass sie sich nicht von der Regierung trennen. Ich sehe keine Anzeichen für einen Bruch“, so Martins Filho. Diese Ansicht gelte auch für Militärs niederen Ranges, die in der Regierung arbeiten.
Der Plan der Militärs, Bolsonaro zu bändigen, ist gescheitert
In den anderthalb Jahren der Regierung Bolsonaro hätten es die Militärs nicht geschafft, so zu handeln wie beabsichtigt, urteilt der Dozent an der Bundesuniversität von São Carlos (UFSCAR). So seien sie den Schwankungen des Präsidenten unterworfen. „Ihr wichtigstes Ziel war, die Regierung Bolsonaro etwas zu kontrollieren, zu bevormunden, zu mäßigen. Bolsonaro dabei zu helfen, ein anderer Mensch zu sein, als er ist. Aber das haben sie nicht geschafft. Der General, der Bolsonaro am Nächsten stand, der Hoffnungen schürte, ihn kontrollieren zu können, war General Santos Cruz (im Amt des Regierungssekretärs, Anm.d. Ü.). Was ist mit ihm passiert? Er wurde hochkant rausgeworfen“, so Martins Filho. „Der Präsident selbst ist ein Hort der Instabilität. Es ist logisch, dass die Militärs es nicht schaffen, ihn zu bessern. Er ist weiterhin so, wie er immer war.“ So gesehen sei das Vorgehen der Militärs gescheitert, meint der Experte.
Allerdings stoßen die Flirts des Präsidenten mit einem autoritären und antidemokratischen System nicht auf Zustimmung bei den Militärs, glaubt Martins Filho. Sie bevorzugten es, hinter den Kulissen zu bleiben: „Ich denke, sie hätten es lieber, wenn Bolsonaro rationaler wäre und sie als graue Eminenz der Regierung fungieren könnten. Ich glaube nicht, dass sie momentan einen Putsch und eine Militärdiktatur für eine gute Alternative halten, in einem so komplexen Land wie Brasilien.“
Obwohl die Maßnahmen des Präsidenten das Image Brasiliens international beschädigen, erhöhen die Militärs mit jeder Krise ihre Präsenz in der Regierung und „zeigen keine Reue“, so der Experte. Seiner Meinung nach habe die militärische Unterstützung für Bolsonaro ihre Grenzen – doch der Hunger nach Macht sorge dafür, dass diese Grenzen minimal seien. „So wie es aussieht, wird das noch lange andauern. Es sei denn, die Wahlen 2022 brächten einen Präsidenten mit unumstrittener Legitimität ins Amt, der den General als Verteidigungsminister absetzt und der stark genug ist, um die 3.000 in der Regierung beschäftigten Militärs zu entlassen.“
Das ganze Interview findet ihr auf Portugiesisch und auf Spanisch.
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