Banden drohen mit Bürgerkrieg

Jimmy Cherizier
Jimmy Cherizier, Bandenchef und Herausforderer von Premier Ariel Henry. Screenshot VOA Kreyól/Wikimedia (public domain)

(Montevideo, 10. März 2024, la diaria/poonal).- Am 29. Februar haben die haitianischen Banden eine Offensive gestartet, um die Regierung zu stürzen. Sie haben Polizeiwachen, Krankenhäuser und weitere strategisch wichtige Orte angegriffen und geplündert, darunter den Hafen und den Flughafen. Die Polizei hat damit weitgehend die Kontrolle verloren.

Die Banden stellten zudem ihre Macht beeindruckend unter Beweis, indem sie Anfang März die zwei größten Gefängnisse des Landes attackierten und damit die Flucht von über 4.000 Gefangenen ermöglichten.

200 Banden in Haiti aktiv

Schätzungen zufolge agieren über 200 Banden in der Hauptstadt Port-au-Prince und anderen wichtigen Städten Haitis. Diese Banden sind allerdings in ihrer Zusammensetzung höchst unterschiedlich: Sie reichen von einigen Dutzend Mitgliedern, die sich der Kleinkriminalität widmen, bis hin zu gut organisierten Milizen mit automatischen Waffen und festen Gehältern.

Obwohl diese Gruppen eigentlich unabhängig voneinander agieren, ist es in jüngster Zeit zu Zusammenschlüssen gekommen. Die einflussreichste Bande wird vom ehemaligen Polizisten Jimmy Cherizier alias „Barbecue“ geführt, der Anfang März direkt mit einem Bürgerkrieg gedroht hat, sollte Premierminister Ariel Henry in das Land zurückkehren.

Henry war Anfang März nach Kenia gereist, um mit der dortigen Regierung ein Sicherheitsabkommen über die Entsendung kenianischer Polizeikräfte nach Haiti zu schließen. Doch durch die Unruhen konnte Henry nicht nach Haiti zurückkehren, er befindet sich nun im karibischen US-Außengebiet Puerto Rico.

US-Funktionär warnt vor Sturz der Regierung

Laut der britischen Zeitung Guardian warnte kürzlich ein US-Funktionär, die Regierung von Ariel Henry, die höchst unpopulär ist und kaum politische Unterstützung hat, könne „in jedem Moment“ gestürzt werden.

Der Bandenaufstand hat sich am Abend des 8. März noch intensiviert, als sich bewaffnete Männer in dem Teil des Zentrums von Port-au-Prince versammelten, in dem sich Ministerien, Botschaften, Banken, Hotels und der Oberste Gerichtshof Haitis befinden. Die Banden versuchten, die Polizeiwache sowie den Nationalpalast einzunehmen und steckten unter anderem das Innenministerium in Brand, berichtete die Lokalzeitung Gazette Haití.

Laut der US-Zeitung Miami Herald habe US-Außenminister Antony Blinken ein Streitgespräch mit Ariel Henry geführt, in dem Henry sich geweigert habe, zurückzutreten. Am 11. März traf sich auch die Karibische Staatengemeinschaft CARICOM  in Kingston, Jamaica, um über die Situation in Haiti zu beraten. Am Tag darauf kündigte Henry dann doch seinen Rücktritt an. Für die Zeit bis zu Neuwahlen soll ein siebenköpfiger Präsidialrat gegründet werden.

Unterdessen hat die US-Botschaft einen Teil ihres Personals evakuiert. „Der Anstieg der Bandengewalt im Umfeld der US-Botschaft und des Flughafens“ habe das US-Außenministerium veranlasst, einen Teil des Personals abzuziehen. Die Botschaft bleibe aber geöffnet. Am 10. März haben auch der deutsche Botschafter und Diplomat*innen der EU Haiti verlassen.

Inmitten der Unruhen gratuliert Henry zum Internationalen Frauentag

Inmitten des Machtvakuums postete Ariel Henry am 9. März auf X von Puerto Rico aus eine Nachricht, in der er den Haitianerinnen zum Internationalen Frauentag gratulierte. Der noch-Amtsinhaber lobte „den Mut, die Entschlossenheit und den unermesslichen Beitrag der haitianischen Frauen zur Gesellschaft.“

Seine Nachricht führte umgehend zu harscher Kritik in den sozialen Netzwerken. Velina Charlier von der feministischen Organisation Nou Pap dòmi („wir werden nicht schlafen“ auf Kreol) bezeichnete Henry daraufhin als „Sadisten“ und „Kranken“. „Haiti brennt. Bewaffnete Banden verhinder seine Rückkehr. Und was macht er? Er twittert! Diesem Typen sind wir und unsere Leben nichts wert.“ Und die bekannte Schauspielerin und Regisseurin Gessica Geneus sagte mit Hinweis auf den eigentlichen Beruf von Premierminister Henry: „Der Neurologe braucht einen Psychiater.“

CC BY-SA 4.0 Banden drohen mit Bürgerkrieg von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert