Schon 1997 wurde Kolumbus gestürzt

(Kellinghusen/Intibucá, 30. Juni 2020, npla).- Am 12. Oktober 1997 machen sich rund 150 Menschen aus der honduranischen Grenzregion zu El Salvador auf den Weg in die Hauptstadt Tegucigalpa. Die Reisenden kommen aus der im Bergland liegenden Provinz Intibucá. Sie sind fast durchweg alle Lencas, eine der indigenen Bevölkerungsgruppen des mittelamerikanischen Landes Honduras und sie sind organisiert in der Organisation COPINH, dem Rat indigener Völker von Honduras. Der 12. Oktober ist in fast allen lateinamerikanischen Ländern Feiertag, im Volksmund bekannt als Kolumbustag. Die offizielle Sprache spricht vom Tag der Rasse (Día de la Raza).

Für die einen wird an diesem Tag an das spanische Kulturerbe erinnert, für die anderen symbolisiert dieser Tag den Beginn einer brutalen, mörderischen Eroberung des Kontinents. Hunderttausende der verschiedenen indigenen Völker des Kontinents wurden im Zuge brutalster Raubzüge ermordet und die Reichtümer des Kontinents nach Europa verfrachtet.

Kolumbus symbolisiert Morde und Plünderungen

An diesem Feiertag, dem 12. Oktober 1997, also begeben sich die Lencas auf den Weg in die Hauptstadt. Sie nennen ihre Reise: Pilgerfahrt für den Frieden und den Fortschritt, für die Demokratisierung und Entmilitarisierung der Gesellschaft. Ihr Ziel in der Hauptstadt: das aus Marmor erschaffene Monument von Christoph Kolumbus vor dem Parlamentsgebäude. Dort holen sie die weiße Kolumbus-Statue vom Sockel und schütten rote Farbe als Zeichen des seither verflossenen Blutes darüber.

Die heute 52-Jährige Catalina Hernández war eine von Ihnen. Sie gehört der indigenen Gruppe der Lencas an und war Mitbegründerin der Organisation COPINH. Hernández wuchs in Colomoncagua im Departement Intibucá, direkt an der Grenze zu El Salvador auf. Ein Ort, an dessen Rand während des bis 1992 dauernden Bürgerkriegs in El Salvador ein Flüchtlingscamp des UNHCR für salvadorianische Flüchtlinge errichtet war. Die Grenzregion war militarisiert und Catalina Hernández erinnert sich, als Jugendliche vielfach Repression und Schikanen durch das honduranische Militär erlebt zu haben.

Aus dem Kampf gegen Holzschlag entstand COPINH

Wie alle indigenen Bevölkerungsgruppen des Landes gehörten auch die Lencas zu den Ärmsten der Armen, ohne politische Vertretung, vielfach ihrer Rechte beraubt. Nach Ende des salvadorianischen Bürgerkriegs fand in Intibucá eine extreme Abholzung statt und die Lencas befürchteten, dass irgendwann ihre Wälder verschwunden wären und damit auch ihr Wasser. Dagegen hätten sie sich damals organisiert, erinnert sich Hernández. Aus diesem Kampf gegen den illegalen Holzschlag entstand die Organisation COPINH, deren bekannteste Mitbegründerin Berta Cáceres im März 2016 von Auftragskillern umgebracht wurde.

1997, nach wenigen Jahren organisierter Arbeit mit COPINH, entschlossen sie sich, die Aktion gegen die Kolumbus-Statue durchzuführen. Es war eine besondere, eine wichtige Idee, so Catalina Hernández heute, denn „sie gab uns das Gefühl, als indigenes Volk wahrgenommen und gehört zu werden.“

„Sie blickten auf uns herab“

Hernandéz erinnert sich, wie erschrocken die Hauptstädter*innen waren, als sie mit COPINH erstmals ihre Pilgerreise in die Hauptstadt unternahmen. „Sie hatten ein Bild von uns Indios, so nannten sie uns, im Kopf, dass nicht unbedingt einem Menschen entsprach. Sie dachten an nackte Personen mit Lendenschurz und Pfeilen. Sie haben uns schlecht behandelt, wie dreckige Indianer, wie Schweine und blickten auf uns herab.“

Auch die Politiker hätten die Lencas nicht wahrgenommen, empört sich Hernández noch heute rückblickend, aber durchaus auch mit Blick in die Gegenwart. Damals habe sie diese Ignoranz veranlasst, eine spektakuläre Aktion zu planen, „damit sie uns zuhören und erkennen, dass wir hier als Lenca-Volk leben.“ Kolumbus zu stürzen hatte für sie eine klare Logik. „Wir sehen ihn ihm den Plünderer, den Dieb, der hier zu uns herkam, um gemeinsam mit den Spaniern unsere Reichtümer zu plündern. In unserer Logik hatte er dort kein Recht zu stehen.“

Tränengas, Prügel und Festnahmen

Damals mitzumachen, war nicht ohne. Sie wussten, dass es für alle Beteiligten Folgen haben würde, dass Polizei und Militär mit Tränengas und Knüppeln gegen sie vorgehen würde. Aber das war Catalina Hernández egal. Darauf hätten sie sich vorbereitet, erzählt sie mit ruhiger Stimme. Die Anführer*innen wurden festgenommen und der Rest auseinandergeprügelt. Das sei bis heute so. „Wir als COPINH sind daran gewöhnt, dass wir bei all unseren Aktionen Repression erleben. Aber wir wissen auch, dass wir hier in diesem Land nie mit Hilfe der Regierung etwas erreicht hätten. Nur durch unsere Kämpfe sind wir vorangekommen.“

Das heute, 23 Jahre später, an vielen Orten der Welt Denkmäler von Menschen gestürzt oder hinterfragt werden, die ihren Erfolg auf Rassismus, Ausbeutung und Unterdrückung aufgebaut haben, erfüllt sie mit Stolz.

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