Prozess gegen Expräsident Uribe kann beginnen

Prozess Álvaro Uribe
Der rechte kolumbianische Expräsident Álvaro Uribe am 19. März 2024 in Madrid. Foto: PP Comunidad de Madrid/Wikimedia Commons

(Bogotá, 17. Mai 2024, colombia informa).- Der Prozess gegen den rechten kolumbianischen Expräsidenten Álvaro Uribe Vélez kann beginnen. Ihm werden Verfahrensbetrug und die Bestechung von Zeug*innen zur Last gelegt. Obwohl sich die kolumbianische Gesellschaft von dem Prozess Gerechtigkeit erhofft, ließ das Agieren der Staatsanwaltschaft ernsthafte Zweifel aufkommen und könnte dazu führen, dass Uribe für unschuldig erklärt wird oder dass die Anschuldigungen vor einem Urteilsspruch verjährt sind.

Bereits dreimal hat die kolumbianische Staatsanwaltschaft versucht, das Verfahren gegen den Expräsidenten einzustellen, allerdings erfolglos. Mindestens drei Richter*innen erinnerten die Staatsanwaltschaft daran, dass genügend Beweismittel gegen den Expräsidenten existierten, weshalb er vor Gericht gestellt werden sollte.

Am 9. April reichte Staatsanwalt Gilberto Iván Villarreal Pava schließlich die Anklageschrift gegen Álvaro Uribe Vélez wegen Bestechung in Strafverfahren und Verfahrensbetrug ein. Doch der von der Staatsanwaltschaft verursachte Zeitverlust und die von vielen als nachlässig empfundene Arbeit des zuständigen Staatsanwalts könnten dazu führen, dass Anklagepunkte verjährt sind oder Uribe trotz aller Beweise gegen ihn für unschuldig erklärt wird.

Colombia Informa hat mit der Anwältin Gloria Silva vom Anwaltsteam Pueblos gesprochen. Sie erklärt die Auswirkungen des Prozesses gegen Uribe und die Möglichkeiten einer Verjährung der Straftaten.

Colombia Informa: Was bedeutet der Prozess gegen Uribe in der Praxis?

Gloria Silva: Der Prozess gegen Uribe hat eine große Bedeutung. Wie bekannt sein dürfte, hat der Prozess ursprünglich damit begonnen, dass Uribe den Senator Iván Cepeda „bestrafen“ wollte dafür, dass dieser veröffentlichte, dass Uribe und seine Familie Verbindungen zu paramilitärischen Strukturen haben.

Kurz gesagt, Uribe hat aus rachsüchtigen Gründen ein abgekartetes Spiel gegen Cepeda angezettelt, vor allem aber, um seine eigenen Verbindungen zu den Paramilitärs zu verdecken. Über Mittelsmänner versuchte er zu erreichen, dass inhaftierte Paramilitärs Falschaussagen gegen den Senator machen oder ihre Aussagen gegen Uribe und seinen Bruder zurückziehen.

Deshalb wird er nun formell angeklagt. Auch in Bezug auf das Recht auf Wahrheitsfindung ist dies eine wichtige Entscheidung, denn es enthüllt die Reichweite Uribes und seiner Elite, um sich ihrer Verantwortung für die schweren Verbrechen zu entziehen, die die kolumbianische Gesellschaft schwer getroffen haben.

CI: Können diese Anklagepunkte verjähren?

GS: Ja, es existiert das Risiko der Verjährung der angeklagten Vergehen. Sowohl Bestechung als auch Betrug haben eine Höchststrafe von zwölf Jahren, und das ist die Verjährungsfrist im Strafrecht. Diese wurde aber meiner Ansicht nach mit der Vernehmung Uribes am 8. Oktober 2019 unterbrochen, denn das war der Moment, in dem er formell Teil der Ermittlungen wurde.

Seit jenem Moment beträgt die Verjährungsfrist nur noch die Hälfte der möglichen Höchststrafe, also sechs Jahre. Nach meinen Berechnungen wäre die Verjährung also im Oktober 2025 erreicht.

Leider läuft die Zeit gegen die kolumbianische Gesellschaft – diese hat letztlich ein Interesse daran zu erfahren, welche Art von Regierungschefs sie hatte und wie weit die wirtschaftlichen und politischen Eliten dieses Landes gegangen sind, um ihre Verbrechen zu vertuschen.

Mit den Tricks und Verzögerungen der Verteidigung sind fünf Jahre verstrichen, um die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zu vermeiden (als Uribe als Senator zurücktreten musste) und ihn in die Zuständigkeit einer ihm nahe stehenden Staatsanwaltschaft zu retten.

CI: Welche Rolle spielte dabei Ex-Staatsanwalt Francisco Barbosa?

GS: Barbosa und sein Team haben eine sehr wichtige Rolle in dem – bislang gescheiterten – Versuch gespielt, den Vorsitzenden der Rechtspartei Centro Democrático zu schützen. Sie versuchten nicht nur, die Ermittlungen vorzeitig zu stoppen, sondern sie verzögerten, sie gewannen Zeit. Die vier Jahre, die Barbosa Staatsanwalt war, waren vier Jahre, die Uribe für die Verjährung gewonnen hat.

CI: Was kann getan werden, um die Verjährung für Uribe zu verhindern?

GS: Es liegt jetzt an Staatsanwaltschaft und Gericht, weitere verzögernde Machenschaften um jeden Preis zu verhindern. Die Behörden könnten und sollten auch kompetente Funktionär*innen von anderen Aufgaben abziehen, damit sie sich einzig diesem Fall widmen können, damit der Ablauf des Prozesses nicht von den Aktenbergen der anderen Gerichte abhängt. Das heißt, es können Maßnahmen ergriffen werden, damit der Prozess zügig voran kommt und innerhalb des noch bis zur Verjährung bestehenden Zeitraums abgeschlossen werden kann.

Außerdem ist es notwendig, für die Sicherheit der Opfer und Zeug*innen sowie für die Richter*innen und das Personal der Staatsanwaltschaft zu garantieren – und zu hoffen, dass sie ihr Gewissen und ihre juristischen Grundsätze nicht „verkaufen“.

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