Von Andrés Alsina
(Montevideo, 29. Juli 2017, la diaria).- In Peru wird erneut über eine mögliche präsidentielle Begnadigung des 78-jährigen Alberto Fujimori diskutiert. Laut einem Artikel der New York Times haben sich seine Chancen dafür verbessert; sie stehen gerade so gut wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren.
Humala und Fujimori wurden sich nicht einig
Die Begnadigung war bereits Thema am Ende der Präsidentschaft von Alan García im Jahr 2011: Der scheidende Regierungschef schlug diesen Schritt seinem Nachfolger Ollanta Humala vor, der sich allerdings, als er selbst Hauptmann der Armee war, mit Waffen gegen Fujimoris Regime aufgelehnt hatte; die beiden wurden sich nicht einig. Später, im Jahr 2012, ließ Humala gegenüber der Presse verlauten, es bestehe die Möglichkeit, dass die Familie um die Begnadigung von „El Chino“ Fujimori bitten würde, wie damals die Tageszeitung El Comercio schrieb. Die vier Kinder Fujimoris formulierten ihr Begnadigungsersuchen am 10. Oktober jenen Jahres. Die Antwort blieb bis zum 7. Juni 2013 aus – und bestand schließlich in einem schlichten „Nein“.
Gegenwärtig sitzen Humala und Fujimori gemeinsam im Gefängnis Barbadillo ein; Humala wegen des Falls Odebrecht. Fujimori sitzt dort seit seiner Auslieferung durch Chile im September 2007 und verbüßt sieben Haftstrafen von insgesamt 25 Jahren, drei davon wegen schwerster Verbrechen: die Ermordung von 15 Personen, einschließlich eines 8-jährigen Jungen, im Jahr 1991 in Barros Altos, der Mord an neun Studenten und einem Professor der Universität La Catuna (Universidad Nacional de Educación Enrique Guzmán Valle) im Jahr 1992 sowie die Entführung von zwei Personen im selben Jahr, des Unternehmers Samuel Dyer und des Journalisten Gustavo Gorriti. Laut Urteilsverkündung des Obersten Gerichts konnte sowohl bei Fujimori als auch bei Humala nachgewiesen werden, dass sie über Planung und Ausführung der ihnen zur Last gelegten Straftaten informiert waren.
Keine Umwandlung der Haft in Hausarrest
Am 10. Mai dieses Jahres wurde auch der letzte von vielen Anläufen, initiiert dieses Mal vom Kongress-Abgeordneten Roberto Viera, zu den Akten gelegt, mit denen Fujimoris Haftstrafe in einen Hausarrest umgewandelt werden sollte, weil er älter als 75 Jahre ist. Dies könnte dazu geführt haben, dass die Gerüchte um eine Begnadigung so virulent sind wie nie zuvor, so die New York Times. Ihrer Analyse zufolge ist das Klima deshalb derart günstig für eine Begnadigung oder eine Umwandlung der Haftstrafe in einen Hausarrest, weil Fujimori als Wegbereiter der Reform der Wirtschaft des Landes gilt, die heute in den Händen von Unternehmer*innen und Technokrat*innen liegen, die ein Land regieren, ohne eine politische Partei im Rücken zu haben und wo die Legitimität einer Wahl nicht über das Gewicht verfügt, die diese in einer Republik haben sollte.
Und der öffentliche Druck wird auch nicht dadurch gemindert, dass Keiko Fujimori zwei Wahlen gegen derart unpopuläre Kandidaten verloren hat, wie es Ollanta Humala, ein Militär, und Pedro Pablo Kuczynski waren, ein Banker, der sogar Schwierigkeiten mit der spanischen Aussprache hat.
Schwierige Konstellationen
Und genau an diesem Punkt setzt das politische Kalkül ein. Die Anhänger*innen der Idee eine Begnadigung spekulieren darauf, dass damit der mächtige Oppositionsblock des Fujimorismus im Parlament außer Kraft gesetzt würde, der bislang über 71 von 130 Sitzen verfügt. Die Regierung von Kuczynski ist geschwächt und hat in den letzten 11 Monaten vier Minister*innen verloren; drei durch eigene Fehler und eine*n aufgrund des Drucks des Fujimori-Blocks.
Keiko selbst hätte eine Strafrechtsreform verabschieden lassen können, für die bereits ein Entwurf im Parlament eingebracht worden war – und damit ihrem Vater die Freiheit schenken können. Doch, so wird spekuliert, dies hätte diese politische Kraft möglicherweise gespalten. Denn der Ex-Präsident Fujimori, zu 25 Jahren Haft verurteilt und mittlerweile 78 Jahre alt, fühlt sich in der Lage zu bestimmen, dass der 37-jährige Bruder von Keiko, Kenji Fujimori, sein Erbe antreten solle. Daher befindet sich Keiko in der seltsamen Situation, dass sie, würde sie ihren Vater frei bekommen, ohne die politische Kraft dastehen würde, die sie heute innehat.
Begnadigung aus politischem Kalkül?
Vor diesem Hintergrund, mit drei angeklagten Ex-Präsidenten (zweien davon, Alan García und Ollanta Humala wird wegen Korruption der Prozess gemacht), für eine „nationale Versöhnung“ zu plädieren und damit die Begnadigung zu begründen, scheint daher kein gewichtiges Argument zu sein. Sollte Kuczynski auf diese Strategie zurückgreifen, dann geschieht dies zwangsläufig aufgrund höchst zweifelhafter Motive und als Folge einer besonderen Gemengelage, einem Zusammenspiel von zufälligen Faktoren, nicht jedoch aufgrund eines politischen Konzepts. Wird die Begnadigung aber einmal ausgesprochen, wird es – jenseits jeglicher Fragen nach der Logik einer solchen Entscheidung – kein Zurück mehr geben.
Fujimoris Aussichten auf Begnadigung von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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