Alles schon einmal dagewesen

(Montevideo, 27. Juni 2017, la diaria).- “Nichts wird uns zerstören. Weder mich noch unsere Minister”, so Michel Temer am 26. Juni 2017. Der Präsident Brasiliens gab diese Erklärung ab, nur einen Tag vor Ablauf der durch den Obersten Gerichtshof STF (Supremo Tribunal Federal) gesetzten Frist, in der Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot eine formelle Anklage gegen Temer wegen Korruption im Falle des Unternehmens JBS erheben konnte. Einige Stunden später reichte Janot Klage ein.

Einer der Besitzer des fleischproduzierenden Unternehmens JBS, Joesley Batista, hatte Gespräche aufgezeichnet, in der der Präsident scheinbar die Zahlung von Schmiergeldern an den Ex-Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Eduardo Cunha, befürwortete. Zwar argumentierte die Verteidigung Temers, dass die Aufzeichnung bearbeitet worden sei, diese Möglichkeit wurde jedoch am 23. Juni 2017 durch ein Gutachten der Bundespolizei ausgeschlossen. Wegen dieses Falles befindet sich auch Rodrigo Rocha Loures, Ex-Berater von Temer, in Untersuchungshaft. Auch er wird durch die Aufzeichnungen und Bekenntnisse der Führungskräfte von JBS schwer belastet.

Wie lange kann sich Temer noch halten?

Janot klagte Temer vor dem Obersten Gerichtshof wegen des Tatbestandes der passiven Korruption an. Wie die Tageszeitung Folha de São Paulo informierte, begründet der Generalstaatsanwalt seine Anklage damit, dass Temer in den Monaten März und April „seine Position als Staatschef ausgenutzt hat“, um „für sich“ und durch Vermittlung von Rocha Loures einen von Batista angebotenen „unrechtmäßigen Vorteil“ von ungefähr 500.000 Brasilianischen Real (150.000 US-Dollar) zu erhalten. Er fügt hinzu, dass Temer und Rocha Loures außerdem das Angebot einer unzulässigen Zahlung von ca. 38 Millionen Brasilianischen Real (11,5 Millionen US-Dollar) angenommen hätten.      

Jetzt liegt es an dem Obersten Richter Edson Fachin, den Fall zu untersuchen und die Klage gegebenenfalls an das Abgeordnetenhaus weiterzuleiten. Die Abgeordnetenkammer müsste dann mit einer Zweidrittelmehrheit ihrer Mitglieder beschließen, dass der Oberste Gerichtshof einen Prozess gegen den Präsidenten eröffnet. Wenn 342 Mitglieder einer Untersuchung zustimmen, würde der Prozess gegen den Präsidenten eingeleitet und dieser 180 Tage vom Amt suspendiert. Die Regierungsgeschäfte würden dann von dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Rodrigo Maia, übernommen. Temer wäre damit der erste amtierende Staatschef Brasiliens, gegen den strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden. Aber die Regierung und die mit ihnen verbundenen Mitglieder vertrauen darauf, verhindern zu können, dass diese 342 Stimmen erreicht werden.

„Schlüssige Hinweise“ auf Korruption Temers

Obwohl sich Temer am 26. Juni 2017 stark gab und versuchte, seine Minister zu verteidigen – acht von ihnen stehen ebenfalls unter Korruptionsverdacht – wusste er  bereits, dass eine Anklage Janots erfolgen würde. Dieser hatte seine Meinung über die Verantwortung des Präsidenten bereits deutlich gemacht, als er Rocha Loures anklagte.

Tage zuvor hatte die Bundespolizei dem Obersten Gerichtshof einen vorläufigen Bericht des Falles vorgelegt, nach dem es „schlüssige Hinweise“ darauf gebe, dass Temer sich „nach Kräften“ auf Korruptionsangelegenheiten eingelassen habe. Diese Schlussfolgerungen wurden am 26. Juni 2017 noch ergänzt durch die eines Abschlussberichtes, nach dem der Präsident „dazu ermutigt hat, die illegalen Zahlungen durch den Unternehmer Joesley Batista an Eduardo Cunha auch weiterhin zu leisten, während er es unterließ, die zuständigen Behörden über die Vorfälle zu unterrichten“, so die Tageszeitungen Folha de São Paulo und O Estado de São Paulo. Nach Meinung der Bundespolizei hat Temer die Untersuchungen der Straftaten beeinträchtigt.

Kabinettschef von Rousseff zu zwölf Jahren Haft verurteilt

Am 26. Juni 2017 hatten die Korruptionsvorwürfe bereits zur früherer Stunde andere politische Reihen getroffen. Im Rahmen des Falles um das Unternehmen Petrobras wurde Antonio Palocci, führendes Mitglied der Arbeiterpartei (Partido de los Trabajadores), Finanzminister unter Luiz Inácio Lula da Silva und Kabinettschef unter Dilma Rousseff, zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Das von Richter Sérgio Moro gesprochene Urteil stellte jedoch abermals die Möglichkeit einer Einigung in Aussicht, bei der Palocci gegen Weitergabe von Informationen an die Justiz mit einer Herabsetzung der Strafe rechnen könne.

Palocci werden die Straftatbestände der passiven Korruption und Geldwäsche angelastet. Ihm wurde vorgeworfen, Bestechungsgelder der Firma Odebrecht angenommen und dafür während seiner Amtszeit in den Jahren zwischen 2006 und 2013 den Baukonzern begünstigt zu haben. Außerdem soll er bei einer Ausschreibung des Mineralölunternehmens Petrobras zugunsten von Odebrecht eingewirkt haben. Dem Urteil gemäß erhielt Palocci dafür eine Zahlung in Höhe von 10,2 Millionen US-Dollar.

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