von Lucía Lagunes Huerta*
(Mexiko-Stadt, 20. August 2013, cimac).- Auf eine sehr schizophrene Weise hat der mexikanische Staat den berühmten Spruch ‚außen hui, innen pfui‘ umgesetzt. Denn während man in Uruguay auf der ersten Sitzung der Regionalkonferenz über Bevölkerung und Entwicklung in Lateinamerika und der Karibik sehr wohl einsieht, wie wichtig es für die Entwicklung ist, die Menschenrechte der Frauen zu respektieren – die legale Abtreibung eingeschlossen – so liefert man sich im eigenen Land auch weiterhin Schlachten, die das Recht der Mexikanerinnen verletzen, selbst zu entscheiden.
Und wenn man sich weiter umschaut, so kann man sagen, dass eben diese mexikanische Schizophrenie sich in verschiedenen Ländern Lateinamerikas und der Karibik wiederholt. Auch dort zeigt man sich auf internationaler Ebene fortschrittlich, aber hinter verschlossenen Türen, sprich, im eigenen Land, blüht der Konservatismus wie in seinen besten Zeiten.
Ohne Zweifel ist es generell für die Bürger*innen Mexikos und Lateinamerikas ein Erfolg, 20 Jahre nach der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD) in der regionalen Überarbeitung zu dem Konsens gelangt zu sein, die legale Abtreibung zu garantieren, deren medizinische Umsetzung zu verbessern und “in Betracht zu ziehen”, Gesetze zu ändern, die das Recht der Frauen verletzen, eigene Entscheidungen zu treffen. Es bleibt jedoch auch weiterhin eine Herausforderung, das, was auf dem Papier geschrieben steht, in die alltägliche Realität zu übertragen.
Trotz internationaler Abkommen droht Frauen das Gefängnis
Ein Beispiel: Während der Staat Mexiko Mitte August den sogenannten Konsens von Montevideo unterzeichnet hat, um die straffreie Abtreibung zu garantieren, haben die Frauen in Mexiko weitab der internationalen Scheinwerfer auch weiterhin mit dem Gesetz zu kämpfen, weil sie sich entschlossen haben, eine Schwangerschaft nicht weiterzuführen oder weil ein medizinisches Problem auftrat, welches in einer Abtreibung endete.
Um einen Eindruck zu bekommen, was die Mexikanerinnen durchmachen, greifen wir die Daten der Infogruppe über selbstbestimmte Reproduktion GIRE (Grupo de Información en Reproducción Elegida) auf, einer Organisation, welche seit 22 Jahren auf das Gebiet der Abtreibung spezialisiert ist und die die Verhaftung und Kriminalisierung der Frauen wegen durchgeführter Schwangerschaftsabbrüche dokumentiert hat.
Laut ihren Unterlagen wurden 171 Frauen wegen eines Schwangerschaftsabbruches angeklagt, gegen 151 laufen Gerichtsverfahren und es wurden 127 Urteile gesprochen. Auf der beschämenden Liste der 17 Bundesstaaten, welche ihre Verfassung änderten, um Frauen zu verfolgen, die sich zu einer Abtreibung entschlossen haben, erscheint jetzt auch der mexikanische Bundesstaat Tlaxcala. Dort versucht man, die Frauen zur Fortführung ihrer Schwangerschaft zu zwingen, auch wenn ihr eigenes Leben dadurch in Gefahr ist.
Den Worten müssen Taten folgen
Ohne Zweifel ist es für die zivilgesellschaftlichen Organisationen ein Erfolg, die Einigung von 38 Ländern Lateinamerikas erzielt zu haben, mit dem die Ungleichbehandlung der Frauen beseitigt und ein wirklicher Fortschritt gemacht werden soll. Vor der eigenen Haustür jedoch, sprich, in den jeweiligen Ländern selbst, müssen diese Organisationen jetzt den Hass des politischen und des Rechtssystems bekämpfen, der Frauen ins Gefängnis bringt, die sich dagegen entscheiden, Mutter zu werden, oder die eine plötzliche Fehlgeburt erleiden.
Ein Hoch auf den Fortschritt auf internationaler Ebene für all die Personen, die an dem Abkommen mitgewirkt haben. Nun ist es notwendig, dass der mexikanische Staat den Weg in Richtung Übereinstimmung geht. Sprich, dass das auf Papier Geschriebene und das tägliche Geschehen im eigenen Land deckungsgleich sind.
*Generaldirektorin der Presseagentur CIMAC
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