(Montevideo, 17. September 2018, comcosur/poonal).- Der brasilianische rechte Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro ist bekannt für seine Geringschätzung gegenüber Frauen, Schwarzen und Homosexuellen. Nun sieht er sich einer neuen Herausforderung gegenüber: Den Frauen. Am 29. September gingen in den wichtigsten Städten Brasiliens hunderttausende Menschen, vor allem Frauen, gegen Bolsonaro auf die Straße. Organisiert wurden die Proteste von der Initiative „Frauen gemeinsam gegen Bolsonaro“.
Zwar könnte der Kandidat der rechtskonservativen Sozial-Liberalen Partei PSL (Partido Social Liberal) 24 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen – 17 Prozent davon von Frauen – laut der letzten, durch das Institut Datafolha durchgeführten Umfrage. Doch rechnete Bolsonaro nicht mit der am 30. Juli 2018 hervorgerufenen Initiative: Die „Frauen gemeinsam gegen Bolsonaro“ haben bereits eine Million Mitglieder erreicht und versprechen die Wahl desjenigen zu verhindern, den sie als „Unaussprechlichen“ bezeichnen. Die Gruppe verzeichnet einen extremen Zulauf: ungefähr 10.000 Anträge auf Mitgliedschaft pro Sekunde, wie Ludimilla Teixeira, eine ihrer Leiterinnen erklärte.
In ihrer Selbstdarstellung heißt es, die Gruppe wolle „alle Frauen Brasiliens (und diejenigen, die außerhalb des Landes wohnen) vereinen, um gegen das Fortschreiten und die Stärkung von Machismus, Frauenfeindlichkeit und anderen Arten von Vorurteilen vorzugehen – Eigenschaften, die der Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro verkörpert. (…) Dies ist eine große Gelegenheit zur Vereinigung! Und der Anerkennung unserer Stärke!“
Eine der hauptsächlichen Sorgen der Wählerinnen sind Haltungen wie die, die der damalige Kongressabgeordnete Bolsonaro im Jahr 2014 gegenüber der Abgeordneten Maria do Rosário vertrat als er erklärte, diese sei derart hässlich, dass sie es „nicht verdiene, vergewaltigt zu werden“. Das Video mit diesem Vorfall wurde in der Gruppe mehrfach verbreitet.
Bolsonaro „hat keine demokratischen Werte“
Bruna Soalheiro, Historikerin aus Rio de Janeiro, erzählt, dass sie sich der Gruppe auf Einladung einer ihrer Professorin angeschlossen hat. „Am Anfang dachte ich daran, abzulehnen, da ich dagegen war, den Namen Bolsonaros bei Posts im Netz zu verwenden“, berichtet sie. „Aber dieser Kandidat verkörpert mehr als den Widerspruch der Intoleranz. Es ist ein Widerspruch der Demokratie. Eine Person ohne demokratische Werte als Kandidat für ein gewähltes Amt ist ein Widerspruch in sich. Jede Bewegung, die dies in der heutigen Zeit immer klarer herausstellt, muss unsere Aufmerksamkeit bekommen“. So begründet die Historikerin ihre geänderte Meinung.
Für die Kulturschaffende Maria Elisa Macedo aus dem südöstlichen Bundesstaat Minas Gerais „ist (die Gruppe) unglaublich wichtig, da es sich um eine Frauenbewegung handelt, die gegen Faschismus ist. Dieser ist in unserer Welt so allgegenwärtig, vor allem in Lateinamerika. Diese Bewegung der Frauen ist grundsätzlicher Natur, da sie sich zum Wohl der Demokratie vereinen, auf Basis der Menschenrechte“. Die Produzentin zeigt sich optimistisch, was die Ergebnisse am kommenden 7. Oktober 2018 angeht, dem Tag der Präsidentschaftswahlen. „Ich glaube stark an die Rolle der Frauen als Quelle wertvoller Ideen mit dem Ziel, der Unterwerfung und Unterdrückung zu entkommen – Bedingungen, mit denen wir immer leben mussten und die zentrale Themen im Wahlkampf des „Unaussprechlichen“ sind. Er ist ein Mann, der die Gewalt in seinen Reden mit sich bringt und diese schreckliche Welle verkörpert“.
52 Prozent aller Wahlberechtigten Brasiliens sind Frauen
52 Prozent aller Wahlberechtigten Brasiliens sind Frauen. Deshalb könnte eine Initiative wie diese, die versucht, das Fortschreiten der Popularität Bolsonaros im Netz zu bremsen und Wählerstimmen auf eine/n andere/n Kandidat*in zur vereinen, um einen möglichen Sieg des ultrarechten Politikers zu verhindern, großes Gewicht in einem so schwankenden Szenario wie bei diesen Wahlen haben.
Auch die Kandidatin der Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) für das Amt der Vizepräsidentin, Manuela d’ Ávila, forderte ihr Publikum auf, sich der Gruppe in Curitiba anzuschließen, nachdem Fernado Haddad zum Präsidentschaftskandidat ihrer Partei ernannt worden war. „Weil wir Frauen diejenigen sind, die die Auswirkungen der Krise stärken spüren und wir daran gewohnt sind. Die Aufmerksamkeit, die wir auf diese Wahl legen, ist proportional zu dem Bewusstsein, das wir haben hinsichtlich der Konsequenzen, die eine falsche Entscheidung auf des Leben unserer Bevölkerung haben kann“, betonte die Kandidatin und lud ihre Anhängerinnen ein, sich den „Frauen gegen Bolsonaro“ anzuschließen. Unabhängig von dem Aufruf von Manuela d’ Ávila ist eine der Regeln der Facebook-Gruppe, keine Wahlpropaganda für Kandidat*innen durch ihre Mitglieder zuzulassen.
Da die Gruppe „Frauen gegen Bolsonaro“ so stark gewachsen ist, plant man nun öffentliche Veranstaltungen und Proteste im ganzen Land wie am 29. September zu organisieren.
Luciana Rosa ist brasilianische Journalistin.
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