(Oaxaca, 25.November 2021, cimacnoticias).- Der 25.11. wird international als Aktions- und Gedenktag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen begangen. In Oaxaca begannen die Feierlichkeiten in diesem Jahr bereits zwei Tage zuvor. Im gleichnamigen Bundesstaat sind in den vergangenen sechs Jahren mindestens 574 Frauen ermordet worden. Mehr und mehr verwandelt sich die Angst der Frauen in Wut, es werden Netzwerke geknüpft, Frauen gehen auf die Straße, um sich den öffentlichen Raum zurückzuholen und Gerechtigkeit für die Ermordeten zu fordern. Bereits am Nachmittag des 23.11. werden auf dem zentralen und traditionsreichen Platz Fuente de las Ocho Regiones Kerzen angezündet, Blumen niedergelegt und Workshops über das persönliche Recht auf die freie Entscheidung angeboten. „Gewaltstrukturen aufribbeln und aus den Fäden Schwesternschaft weben“, so lautet die Devise. Die Nacht bricht an. Rund um den Brunnen auf dem Platz errichten Menschenrechtsverteidigerinnen, feministische Aktivistinnen, Mütter und Freundinnen ein dreitägiges Camp, um der Opfer von Feminiziden zu gedenken.
„Früher sagten wir: Wir haben Angst. Heute sagen wir: Es reicht!“
„Schwestern und Freundinnen wurden uns genommen, einigen von uns die Mütter. Früher sagten wir: Wir haben Angst. Heute sagen wir: Es reicht! Wir haben die Nase voll!“, erklärt eine der Teilnehmerinnen mit einem Blumenstrauß in der Hand. Sie ist gekommen, um jede einzelne der 574 Frauen zu ehren, die in den letzten sechs Jahren im Bundesstaat Oaxaca ermordet wurden.
„Zu wissen, dass man jemanden nie wiedersehen wird, verändert den Blickwinkel“
Ein kalter Wind weht am Abend des 23.11.. Die versammelten Frauen heben ihre Hände in die vier Himmelsrichtungen, bevor sie die ersten 34 Kerzen anzünden. Alle drei Stunden werden 34 Kerzen hinzukommen, bis 574 Kerzen angezündet sind. Es geht um Erinnerung, um die Forderung nach Gerechtigkeit, es ist ein Schrei, der das Ende der Gewalt fordert. Die Uhr schlägt 21:00 Uhr, und die ersten Fotos werden auf den Altar gelegt. Die 20-jährige Arlette Azucena Sosa Luis wurde am 8. Januar 2021 auf dem Heimweg von der Arbeit ermordet. Sie stieg in ein Taxi, und am nächsten Tag fand man ihre Leiche auf einer Brache in der Nähe von San Antonio de la Cal. „Ich kannte sie aus meiner Schulzeit“, erzählt eine der Teilnehmerinnen. „Sie war ein sehr netter Mensch. Sie kam von keiner Party, sie hatte nichts Aufreizendes an, sie kam einfach von der Arbeit und ist nicht mehr nach Hause gekommen. Sie haben ihr ihr Leben geklaut. Vielleicht habe ich sie nicht besonders oft gesehen, aber wenn man erfährt, dass man jemanden nie wieder sehen wird, wenn man so etwas aus geringer Distanz mitbekommt, verändert das einfach den Blickwinkel“. Die Journalistin Soledad Jarquín hat das Foto ihrer Tochter Sol Cruz danebengestellt. Immer wieder musste sie erleben, wie die Ermittlungen zum Mord an Sol Cruz behindert wurden. María Concha und ihre Tochter Martha Rosa Rebollar verschwanden am 25. Dezember 2018. Ein Polizeibeamter soll in den Fall verwickelt sein. Ana Lesly und ihr acht Monate altes Baby Maely wurden am 7. Oktober 2021 an der Grenze zwischen San Andrés Zautla und Nazareno ermordet.
Rohheit und Gewalt
Die Nacht schreitet voran, es beginnt zu dämmern. Alle drei Stunden werden 34 neue Kerzen angezündet. Der Tag bricht an und entblößt die Rohheit und Gewalt in Oaxaca. Gegen Mittag des 24. November brennen bereits über 200 Kerzen. Rund um den Brunnen versammeln sich immer mehr Frauen, nehmen an den Workshops teil, sprechen über das Recht, über den eigenen Körper zu entscheiden. Der diesjährige Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen endet mit einer Erklärung der feministischen Organisationen. Um 21:00 Uhr, also um 4:00 Uhr morgens MEZ, werden an der Fuente de las Ocho Regiones die letzten Kerzen angezündet.
Aus Angst wird Wut. Dreitägiges Gedenken zum 25.11. von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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