“Vor dem Hintergrund unseres, von den Ideen José Martís inspirierten, sozialistischen Projekts und den vorhandenen wissenschaftlichen Nachweisen, ist das aktuelle Familiengesetz Kubas konservativ und obsolet”, betont Roque in seinem Schreiben vom 14. Februar, das über Emails und online-Netzwerke bekannt gemacht wurde.
Weder zeitgemäß noch integrativ
Laut des Arztes handelt es sich um ein Gesetz, das “dringend eine Aktualisierung benötigt, welche die Einhaltung der Rechte zahlreicher kubanischer Bürger und Bürgerinnen stärkt, die wir uns nicht durch den Wortlaut und den Geist der aktuellen Version repräsentiert fühlen.”
Anlass zum Schreiben Roques gab der Artikel “Un código de amor para la familia” (“Ein Liebesgesetz für die Familie”), der am gleichen Tag (dem in Kuba kräftig beworbenen sog. Valentinstag, Anm. d. R.) in den Online- und Printausgaben der Tageszeitung Granma veröffentlicht wurde. Der Artikel lobt den fortschrittlichen und revolutionären Charakter des im Jahr 1975 erlassenen Gesetzes, ohne jedoch auf die nötigen Änderungen hinzuweisen, die bereits vorgeschlagen wurden, aber noch darauf warten, im kubanischen Parlament diskutiert zu werden.
Bedenken über heteronormative Berichterstattung
Roque betont, der genannte Artikel würde “die Änderungen, welche von der Vereinigung kubanischer JuristInnen und dem Frauenverband FMC (Federación de Mujeres Cubanas) im Laufe eines langen Prozesses von fast 20 Jahren gefordert wurden, übergehen” und weise ebensowenig auf die Empfehlungen des Justizministeriums sowie den aktuellen Stand des Vorentwurfs zum Familiengesetz hin.
Desweiteren äußerte der Arzt seine Bedenken über die Veröffentlichung von Artikeln und Berichterstattungen in verschiedenen nationalen Medien “die sich für die ausschließliche Rechtmäßigkeit der heterosexuellen Ehe und der traditionellen Kernfamilie aussprechen, neben der ständigen, mehr oder weniger expliziten Flut an einseitigen und heteronormativen Informationen über Mutter- und Vaterschaft, die niedrige Geburten- und Fruchtbarkeitsrate Kubas und ein einseitiges und diskriminierendes Bild der kubanischen Familie.”
In seinem Schreiben, dass besonders an die Abgeordneten Miguel Barnet, Miriam Ofelia Ortega, Mariela Castro Espín, Raúl Suárez und Oden Marichal gerichtet ist, bezieht sich der Aktivist auf das Initiativrecht, welches diese Personen bei der Gesetzgebung besitzen und legt nahe, das neue Gesetz solle unter anderem alleinerziehende Väter und Mütter berücksichtigen.
Eheschließung soll für alle Paare möglich sein
Ebenso spricht er sich dafür aus, “das Familienkonzept aus vielschichtiger Perspektive neu zu gestalten, wozu die vollständige Anerkennung des Bundes zwischen Personen verschiedenen und gleichen Geschlechts gehört, sowie das Recht transsexueller Personen zur Familiengründung, ohne sich deshalb medizinischen Behandlungen zur Geschlechtsumwandlung unterziehen zu müssen.”
“Auch wenn ich persönlich die Ehe aufgrund ihres patriarchalen und asymmetrischen Charakters nicht gutheiße, ist sie meiner Ansicht nach ein unveräußerliches Recht jedes Bürgers und jeder Bürgerin”, so Roque. Daher schlägt er vor die Ehe auf den Bund zwischen allen Personen, unabhängig von deren Geschlecht, auszuweiten und die ehelichen Rechte ohne jegliche Unterscheidungen zu gewähren. Seiner Meinung nach soll zudem Polyamory, die gleichzeitige Liebesbeziehungen zu mehreren Personen, unter rechtlicher Gleichstellung anerkannt werden.
Uneingeschränktes Recht auf Adoption und künstliche Befruchtung
Ein weiteres Anliegen, welches überdacht werden solle, ist die Möglichkeit der Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare oder Einzelpersonen. Um von diesem Recht schneller Gebrauch machen zu können, müssten außerdem die gesetzlichen und bürokratischen Mechanismen flexibler werden, so der Arzt in seinem Schreiben.
Desweiteren setzt sich Roque für das ausdrückliche Recht auf künstliche Befruchtung lesbischer Frauen ein, sowie einer jeden Frau, die dieses Verfahren wünsche, ohne dazu die Beziehung zu einem Mann rechtlich beurkunden zu müssen. Ebenso fordert er die Garantie der reproduktiven Rechte des Mannes, ohne dass eine emotionale und körperliche Beziehung zu einer Frau vorliegen müsse.
Ein weiterer Vorschlag des Aktivisten ist die Neugestaltung des Sorgerechts sowie der Aufsicht und Pflege des Kindes, hin zu rechtlich flexibleren und individuell gestaltbaren Formen. Roque befürwortet das Recht auf ein erfülltes und sicheres Familienleben von Personen, die sich nicht mit der rechtlichen Geschlechtsidentität identifizieren, die ihnen bei Geburt zugeteilt wird. Dies schließt auch das Recht auf eine normale Entwicklung der Kinder ein, auf welche diese Eigenschaft zutrifft.
Kubas Zugeständnis an die Rechte des Kindes
Ein weiteres Ziel des Familiengesetzes solle es sein, den Kompromiss Kubas als Unterzeichnerstaat des Übereinkommens über die Rechte des Kindes in die Tat umzusetzen und Kinder als Rechtsträger zu behandeln.
Auch, so Roque in seinem Schreiben, solle “der rechtliche Rahmen bezüglich Kindesmisshandlung sowie dem uneingeschränkten Recht auf sexuelle Bildung festgesetzt werden, wobei letztere weder binär erfolgen soll (basierend auf der Unterscheidung männlich/weiblich) noch heteronormativ (wobei Heterosexualität Norm und Ideologie darstellen würde).”
Schliesslich fordert er dazu auf, die verschiedenen Typen von Gewalt im familiären Bereich, sowie deren jeweilige Grundlagen zur Prävention und Behandlung festzulegen. “Dies sind einige der Elemente, die unser Familiengesetz in ein aktualisiertes, revolutionäres und fortschrittliches Instrument umgestalten würden, wie es die soziale Realität Kubas des 21. Jahrhunderts erfordert”, so der Arzt abschließend.
Aktualisierung der kubanischen Familiengesetzgebung gefordert von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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